In der Steuerpolitik bekämpft die klamme nordrhein-westfälische Kraft-Regierung alles, was den Fiskus irgendwie Geld kosten könnte. Auf ihr Drängen hin verhinderten die SPD-geführten Bundesländer im Bundesrat Gesetzesvorhaben für mehr Steuergerechtigkeit (Abbau der kalten Progression), für Steuervereinfachung (Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Betriebsunterlagen) oder für ökologische Steueranreize (energetische Gebäudesanierung). "Die SPD entfernt sich damit immer mehr von einer vernünftigen Steuerpolitik und den Interessen des Normalverdieners", sagt Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU).
Mit dem Rückenwind der niedersächsischen Landtagswahl will die SPD nun erst recht ihre Umverteilungspläne durchsetzen. Man werde das Thema Steuergerechtigkeit "weiter nach vorne schieben", bekräftigt Generalsekretärin Andrea Nahles. Steinbrück, der bislang eher als sozialdemokratischer Rechtsausleger galt und Wähler aus dem bürgerlichen Lager ansprechen sollte, beschränkt seine Beinfreiheit selbst, um dem linken Lager seiner Partei zu gefallen.
Nicht nur fünf Prozent sind betroffen
Der Linksdrall passt ins Wahlkalkül: Mit ihrem Steuererhöhungsmantra gelingt es den Sozialdemokraten offenbar, der Linkspartei Wähler zu entreißen, wie das Wahlergebnis von Niedersachsen zeigt.
Historische Vorbilder für Zwangsanleihen in Deutschland
Als Wehrbeitrag führte das Reich 1913 eine einmalige Abgabe auf höhere Vermögen und Einkommen ein. Die Abgabenbelastung wurde über einen dreijährigen Zeitraum verteilt erhoben. Das gesamte Aufkommen machte etwa 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1913 aus und wurde zur Finanzierung der hohen Rüstungsausgaben verwendet.
Im Jahr 1919 wurde das Reichsnotopfer im Rahmen der Erzbergerschen Finanzreformen als allgemeine außerordentliche Vermögensabgabe eingeführt. Das Nettovermögen der Steuerpflichtigen wurde breit erfasst und nach Abzug eines Freibetrages von 5000 Mark (für Verheiratete 10.000 Mark) progressiv besteuert. Die Steuersätze begannen bei zehn Prozent und stiegen stufenweise bis auf 65 Prozent für abgabepflichtige Vermögen über sieben Millionen Mark.
Die Vermögensabgabe scheiterte in den Folgejahren weitgehend. Die Finanzverwaltung war kaum in der Lage, die Vermögen umfassend zu ermitteln, die hohen Abgabesätze lösten politische Empörung sowie starken Steuerwiderstand und Steuerflucht aus.
Ab 1923 wurde das Reichsnotopfer durch die allgemeine Vermögensteuer ersetzt, die dann in Deutschland bis 1996 erhoben wurde. Parallel zur Einführung der Vermögensteuer erhob das Reich 1922/23 eine Zwangsanleihe. Zeichnungspflichtig waren alle am 1. Januar 1923 vermögensteuerpflichtigen Personen mit einem Vermögen über 100.000 Mark.
Im Zuge der Hyperinflation im Jahre 1923 wurde die Zwangsanleihe zu einer Vermögensabgabe, soweit sie angesichts der sich stark beschleunigenden Inflation nennenswerte Belastungswirkungen auslöste.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ab 1949 eine Vermögensabgabe auf den Vermögensbestand von 1948 erhoben, die1952 im Rahmen des Lastenausgleichs abschließend geregelt wurde. Die Bemessungsgrundlage orientierte sich grundsätzlich an der Vermögensteuer, juristische Personen waren gesondert steuerpflichtig. Abgabepflichtig waren vor allem Grund- und Betriebsvermögen entsprechend den steuerlichen Einheitswerten.
Das Investitionshilfegesetz von 1952 sah eine Zwangsanleihe bei der gewerblichen Wirtschaft zugunsten von Investitionen in einzelnen Grundstoffindustrien vor. Hintergrund waren Finanzierungsprobleme der Grundstoffindustrien, die noch Bewirtschaftungsvorschriften und Preisregulierungen unterlagen. Bei den aufbringungspflichtigen Unternehmen wurde auf Grundlage der Gewinne und Umsätze 1950/51 ein Betrag von einer Milliarde DM (1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 1952) erhoben.
Als Gegenleistung erhielten die leistenden Unternehmen Aktien oder Schuldverschreibungen der begünstigten Unternehmen. Das Bundesverfassungsgericht akzeptierte diese Zwangsanleihe später als vereinbar mit den Kompetenzen des Bundes zur Wirtschaftsregulierung und sah darin auch keinen Verstoß gegen die Grundrechte.
Im Herbst 1982 führte die neugebildete schwarz-gelbe Bundesregierung eine Investitionshilfeabgabe zur Förderung des Wohnungsbaus ein, die später unverzinslich zurückgezahlt werden sollte. Die Abgabe betrug fünf Prozent der festzusetzenden Einkommen- und Körperschaftsteuerschuld der Jahre 1983, 1984 und 1985, wobei sie auf die Einkommensteuer nur erhoben wurde, soweit die Steuerschuld 15.000 DM (30.000 DM bei Verheiratenden) überstieg.
Bei Gewinneinkünften ermäßigte sich der Abgabesatz um 20 Prozent der inländischen Investitionen des Abgabepflichtigen. Die Abgabe sollte in den Jahren 1990 bis 1993 zurückgezahlt werden. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Abgabe 1984 für verfassungswidrig.
Pardon dürfen Mittelständler, Führungskräfte und Personengesellschaften folglich nicht erwarten. Umgekehrt rechnet die SPD nicht mit großem Widerstand. Schließlich seien ja nur "weniger als fünf Prozent der Steuerpflichtigen betroffen", heißt es in einem Beschluss des Parteivorstandes. Doch das ist ein Irrtum.
Grundsteuer trifft Mieter
Beispiel Vermögensteuer: Ihre Forderung nach Wiedereinführung dieser Substanzsteuer begründen Sozialdemokraten wie Grüne gerne damit, in Deutschland werde Vermögen international betrachtet zu niedrig besteuert. Tatsächlich erheben die meisten Industriestaaten aber keine Vermögensteuer; zu den wenigen Ausnahmen zählen Frankreich, Norwegen und die Schweiz. Dass es dennoch in vielen Ländern eine höhere Vermögensbelastung gibt, hängt mit einer stärkeren Besteuerung von Immobilien zusammen. Eine Anhebung der – in Deutschland vergleichsweise sehr niedrigen – Grundsteuer würde aber jeden Mieter treffen, weil Vermieter diese Steuer umlegen dürfen. Wollen das die Sozialdemokraten?
Natürlich nicht, und deshalb basteln sie an einer Wiedereinführung der vor 16 Jahren eingemotteten Vermögensteuer. Diese hatte damals das Verfassungsgericht für grundgesetzwidrig erklärt, weil Immobilien und andere Vermögenswerte nicht gleichmäßig erfasst und bewertet wurden.