Linnemann im Handelsblatt Wirtschaftsclub Gegen den Trapattoni-Stil der Union

Kommt wieder ein richtiger Wahlkampf zwischen Union und SPD? Carsten Linnemann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, fordert im Gespräch beim Handelsblatt Wirtschaftsclubs eine klare Abgrenzung von Martin Schulz.

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Gregor Peter Schmitz (links) und Thomas Sigmund (rechts) im Gespräch mit Carsten Linnemann.

Berlin Wenn der Gegner nach vorne prescht, gerät eine zu defensive Grundausrichtung schnell ins Wanken – und das nicht nur im Fußball. Carsten Linnemann (39), Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung und Hoffnungsträger der Union, startet bildhaft in das Gespräch bei „Curry & Politics“, der Berliner Veranstaltungsreihe des Handelsblatt Wirtschaftsclubs. Die Union haben sich zu lange ein Beispiel an Trainerlegende Giovanni Trapattoni genommen. Wie bei dessen ermüdenden 1:0-Partien, hätten sich auch die Unionsparteien lange auf dem politischen Spielfeld bequem hinter reingestellt, analysierte Linnemann. Im einem Wahlkampf habe man zuletzt 2005 mit Paul Kirchhoff polarisiert. Gerade 2013 sei ein „Wellness-Wahlkampf“ gewesen, beklagt Linnemann, der für seinen Paderborner Wahlkreis seit acht Jahren im Bundestag sitzt. „Aber jetzt müssen wir umstellen.“

Anlass für den Taktikwechsel sind vor allem die jüngsten Popularitätswerte für SPD-Kanzlerkandidat Schulz. Die Moderatoren Gregor Peter Schmitz, Leiter des Hauptstadtbüros der WirtschaftsWoche, und Thomas Sigmund, Ressortleiter Politik des Handelsblatt, nahmen die Vorlage auf und hinterfragten die Rolle von Kanzlerin Angela Merkel, der Mittelstürmerin der Union. Mit welcher Strategie müsse sie den kommenden Wahlkampf angehen? , Linnemann: „Wir haben uns zuletzt zu sehr auf den personellen Unterschied konzentriert, nämlich auf Frau Merkel. Das hat lange ausgereicht, aber nun nicht mehr.“

CDU und CSU müssten die Themen zuspitzen, Schäubles Attacke – der Vergleich mit Donald Trump sei in dieser Hinsicht ein guter Auftakt gewesen. Vor allem brauche es Flügelspieler wie Jens Spahn, um anzugreifen, so Linnemann.

Mit dieser kritischen Haltung gegenüber der eigenen Partei setzt Linnemann seinen bislang erfolgreichen Weg fort. Schon 2010 hatte er sich als Gegner der Euro-Rettungspolitik einen Namen gemacht. Auch beim Handelsblatt Wirtschaftsclub empfahl Linnemann der Union, beim Thema Grexit hart zu bleiben. Denn die unlösbaren Querelen im Währungsverbund hätten das zerstörerische Potential, die EU zu spalten. Doch gerade bei diesem Thema müsse sich die Union im Wahlkampf vor Schulz nicht fürchten. „Als Präsident des Europäischen Parlaments hatte er für eine europäische Einlagensicherung und für Euro-Bonds und damit für die Vergemeinschaftung der Schulden in Europa plädiert“, sagte Linnemann. Ein 180-Grad-Wende könne er den Wähler nicht verkaufen.

Überhaupt gehe vom SPD-Kanzlerkandidaten aus Sicht Linnemanns nur bedingt Gefahr aus, wenn es um Inhalte gehe. Doch bediene Schulz Zukunftsängste. Vielen Menschen hätten die Sorge, „dass der Fahrstuhl, mit dem sie hochgefahren sind, abzusacken droht. Damit treffe er bei vielen Menschen einen empfindlichen Nerv, auch wenn es die Erwerbstätigenzahlen und die Konjunktur gegenwärtig sehr gut seien.

Zeigten aber nicht Fälle wie die Boni-Diskussion und die Abfindungen bei VW, dass es hier um mehr als ein flaues Bauchgefühl gehe, warf Moderator Thomas Sigmund ein. Der Paderborner Bundestagsabgeordnete zog sich für die Antwort auf gewohntes Terrain zurück – die Verhältnisse im Mittelstand. „Ich glaube, die Menschen haben ein gutes Gespür für das Thema Verteilungsgerechtigkeit. Mit Familienunternehmern, die sich im ländlichen Raum etwas aufbauen und sich beispielsweise für den Sportverein einsetzen, haben die Leute kein Problem.“ Bei großen Boni für schlechte oder nicht erbrachte Leistungen sehen das anders aus. Da müsse man über das Thema Unternehmerhaftung bei börsennotierten Unternehmen sprechen. Hier lägen die Versäumnisse bei VW klar auf der Hand.

Die Moderatoren Schmitz und Sigmund wollten nochmal genauer wissen, mit welchen Inhalten CDU und CSU punkten wollen. Mit der Union werde es „definitiv die größte Einkommensteuerstrukturreform in der nächsten Legislaturperiode geben“, versprach Linnemann. Es dürfe nicht angehen, dass der Spitzensteuersatz bereits beim 1,34-fachen des Durchschnittsverdiensts greife. Zudem werde man versuchen, auf den Feldern Startups, Glasfaserausbau und digitaler Verwaltung zu punkten und herauszustreichen, dass einzig die Union früh und konsequent für die Abschiebehaft von Islamisten eingetreten sei.

Dass hier nicht immer völlige Eintracht zwischen den Schwesterparteien herrsche, könne niemand leugnen. Aber die CSU sei ein „wichtiges Korrektiv“ gewesen, nachdem der Fehler begangen wurde, die Ausnahmeregelungen in der Flüchtlingskrise zum Dauerzustand zu machen. Ein Rat zum Taktikwechsel muss nicht immer negativ aufgenommen werden.

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