Lob für AfD-Chefin Petry Biedenkopf sieht Grüne als Vorbild für die AfD

Für den früheren sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Biedenkopf stellt die AfD keine Bedrohung für die Demokratie dar. Er glaubt vielmehr, die Partei mit ihrem „politischen Talent“ Petry werde sich dauerhaft etablieren.

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„Frau Petry hat ein politisches Talent.“ Quelle: AP

Berlin Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) weicht in der Debatte über den richtigen Umgang mit der Alternative für Deutschland schon gerne mal von der naturgemäß distanziert-kritischen Linie seiner Partei ab. Schon vor zwei Jahren warnte er davor, die AfD voreilig als „im bisher üblichen Sinne als rechts einzustufen“. NPD und AfD in einem Atemzug zu nennen, erscheine ihm unangemessen, erklärte er damals im Interview mit der „Zeit“.

Dass Biedenkopf damit der AfD eine Steilvorlage lieferte, zeigte sich nur wenige Tage später. „Es gibt einige CDU-Politiker, mit denen wir sympathisieren und von denen wir glauben, dass sie in der falschen Partei sind“, erklärte die Bundesparteichefin Frauke Petry in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“. Als Beispiel nannte sie den CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach und fügte dann hinzu: „Auch Herr Biedenkopf ist uns sehr nahe.“

Wie nahe, zeigt der CDU-Grandseigneur einmal mehr in einem Interview. „Es gibt außer der NPD in Deutschland keine Partei, von der eine Bedrohung unserer Demokratie ausgeht. Das gilt auch für die AfD“, sagte Biedenkopf der „Huffington Post“. Und er konstatiert, dass sie in Wahlen erfolgreich sei. Was womöglich auch daran liegen mag, dass die Ökonomen, die die Partei einst gegründet haben, „von Personen mit populistischen Begabungen verdrängt“ worden seien.

Biedenkopf spart nicht mit Komplimenten für die derzeitige AfD-Spitze. „Frau Petry hat ein politisches Talent“, sagte er. „Sie und ihre Mitstreiter haben von den Grünen gelernt, wie man als neue Partei auftreten muss: sie provozieren.“ Heute seien die Grünen etabliert. Woraus Biedenkopf ableitet, dass der Petry-Partei Ähnliches widerfahren könnte. „Letztendlich kann auch aus der AfD eine Art etablierte konservative Grüne Partei werden“, schätzt er.

Seiner Partei, der CDU, riet Biedenkopf, sich weiter zu verändern. „Sie muss neue Fragen aufnehmen: Wie umgehen mit der Demografie, mit Zuwanderung?“ Wenn sich die Jugend Afrikas in Bewegung setze, entstünden „gewaltige Konflikte“ in Europa. „Außerdem“, so Biedenkopf, „zieht im Weißen Haus jemand ein, der sagt: America first.“ Er habe aber nichts dagegen, „dass wir durch Trump in neuer Art und Weise gefordert werden“, fügte der CDU-Politiker hinzu. „Ich halte das sogar für notwendig. Wir haben die neue Wirklichkeit zu lange verdrängt.“


Wagenknecht macht Merkel-Koalition für AfD-Aufstieg verantwortlich

Zu dieser neuen Wirklichkeit gehört auch, dass die AfD zumindest in den ostdeutschen Bundesländern gute Chancen hat, sich dauerhaft zu etablieren. Möglicherweise sogar als eine Art Volkspartei. Darauf deuten jedenfalls jüngste Umfragen hin.

So würde in Sachsen einer neuen Umfrage zufolge jeder vierte Wähler die AfD wählen. Das ergab eine am Dienstag veröffentlichte repräsentative Befragung von Infratest dimap im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Die AfD legt demnach um 15,3 Prozentpunkte auf nunmehr 25 Prozent zu. Eine schwarz-rote Landesregierung in Sachsen hätte dagegen derzeit keine Mehrheit. Die CDU komme auf 34 Prozent, die SPD auf 12 Prozent. Bei der Landtagswahl 2014 hatten beiden Parteien zusammen noch knapp 52 Prozent eingefahren.

Auch in Thüringen legt die AfD zu und käme jetzt auf 21 Prozent. Etwas anders ist die Lage in Sachsen-Anhalt: Dort würden CDU und SPD sogar mehr Stimmen erhalten als zur Landtagswahl vor acht Monaten - und beide Parteien könnten damit sogar auf die Grünen verzichten. In Magdeburg regiert derzeit ein schwarz-rot-grünes Bündnis. Die AfD, die bei der Landtagswahl im Frühjahr auf 24,3 Prozent gekommen war, würde jetzt 22 Prozent bekommen.

Die Linksfraktion im Bundestag macht die Große Koalition in Berlin für den AfD-Aufstieg verantwortlich. „Es ist ihre gemeinsame Politik, die die Rechte inzwischen auch in Deutschland stark gemacht hat“, sagte die Chefin der größten Oppositionsfraktion, Sahra Wagenknecht, am Mittwoch in der Generaldebatte im Bundestag. „In Deutschland wachsen soziale Ungleichheit und Verunsicherung und mit ihnen die Wahlergebnisse der AfD.“ Jeder sechste Rentner lebe in Armut. Millionen Arbeitnehmer etwa in der Leiharbeit würden zu Beschäftigten zweiter Klasse degradiert.

Wagenknecht sprach davon, dass in Deutschland Raubtierkapitalismus herrsche. Das Bildungssystem sei chronisch unterfinanziert. Überschuldete Gemeinden könnten ihren Bürgern immer weniger bieten. Mittelständler zahlten 30 Prozent Steuern, während Großkonzerne wie Apple oder Google in Europa mit Steuersätzen von nahe Null Prozent geschont würden.

Auch in Deutschland habe die Demokratie nur eine Zukunft, wenn die Menschen wieder das Gefühl hätten, dass ihre Würde und ihre elementaren Lebensbedürfnisse anerkannt würden. „Nehmen Sie das endlich erst, wenn Sie nicht dafür verantwortlich sein wollen, irgendwann einem deutschen Donald Trump den Weg ins Kanzleramt geebnet zu haben“, sagte Wagenknecht.

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