Lobbyismus in Brüssel Jeder sechste Lobbyist kommt aus Deutschland

Deutsche Konzerne haben im vergangenen Jahr Hunderte Lobbyisten nach Brüssel geschickt. Die Deutsche Bank hat die Zahl ihrer Interessenvertreter gar verdreifacht. Wer die meisten Lobbyisten beschäftigt, überrascht aber.

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Lobbyisten agieren oft im Verborgenen. Offiziell sind mehr als 6000 Interessenvertreter in Brüssel registriert. Die Dunkelzahl ist weitaus höher. Quelle: ap

Düsseldorf Die deutschen Konzerne haben offenbar begriffen, wo die wichtigen Gesetze verabschiedet werden und schicken ganze Lobbyisten-Heere nach Brüssel. Das geht aus einem Bericht von Lobby Facts hervor, einem Online-Recherchetool, das unter anderem von Lobby Control gegründet wurde. Lediglich aus Belgien kommen demnach mehr Lobbyisten als aus Deutschland. Doch diese Zahl müsse man mit Vorsicht genießen, heißt es in dem Bericht. Viele Lobbyvertreter, die eigentlich für ausländische Firmen arbeiten, registrierten sich in Brüssel, der belgischen Hauptstadt, und verzerren so die Zahlen für das Benelux-Land. Deutschland sei mit seinen 1092 Interessenvertretern in Brüssel deshalb der eigentliche Spitzenreiter.

Für die Auswertung werten die Mitarbeiter die Daten aus dem EU-Transparenzregister aus. Das Problem: Die Eintragung in das Register ist freiwillig. Die Dunkelziffern sind deshalb oft weitaus höher, erklärt Nina Katzemich. Die Expertin für Lobby-Regulierung bei Lobby Control sagte dem Handelsblatt: „Für uns ist es extrem schwierig, verlässlich Zahlen zu bekommen.“ Gerade wenn man die aktuellen Zahlen aus der EU mit denen aus der USA vergleicht, seien die Zahlen aus Brüssel „doch sehr klein“. Deshalb fordert Lobby Control schon seit längerer Zeit ein verpflichtendes Register.

Viele Konzerne lagerten die Lobbyarbeit zudem an auswärtige Beraterfirmen aus, trügen diese Kosten und Mitarbeiter aber nicht ins Register ein, so Katzemich. „Das führt zu Ungenauigkeiten.“

Schaut man sich die Liste der deutschen Firmen mit den meisten Lobbyausgaben im Jahr 2015 an, liest sich die Statistik wie ein Who-is-Who der deutschen Konzern-Elite. Auf Platz eins steht dieses Jahr erstmals die Deutsche Bank mit Ausgaben von fast vier Millionen Euro im Jahr und damit einem doppelt so großen Budget wie noch 2014. Gleichzeitig verdreifachte das deutsche Kreditinstitut seine Mitarbeiterzahl – Mitarbeiter, die allein für die Interessen der Deutschen Bank eintreten, besetzen nun achteinhalb Stellen in Brüssel.

Das scheint Früchte zu tragen: Zwanzig offizielle Treffen konnten die Lobbyisten mit der Europäischen Kommission im letzten Jahr arrangieren. Doch das sei nicht ausschließlich auf den Ausbau der Lobbyabteilung zurückzuführen, wie Lobby Control bestätigte. Dieses Jahr unterlagen Konzerne bei den Meldungen im Register erstmals strengeren Anforderungen. Dadurch wurden Stellen, die sonst in der Werbung oder im Marketing verortet wurden, jetzt der Lobbyismus-Abteilung zugerechnet.

Noch aktiver in Brüssel scheint die deutsche Autoindustrie zu sein: Volkswagen beschäftigt in Brüssel zurzeit 18 Mitarbeiter, die sich ausschließlich darum kümmern, die Interessen der Volkswagen AG durchzusetzen. Ähnlich große Heere haben in Deutschland sonst nur Siemens mit 15 Mitarbeitern in Brüssel sowie Eon, das sich elf Lobbyisten vor Ort leistet.


Dachverbände mischen kräftig mit

Dass Volkswagen die meisten Lobbyisten nach Brüssel schickt und sie auch noch mit 3,3 Millionen Euro ausstattet, sollte dabei niemanden überraschen. Schließlich gilt die deutsche Autolobby seit jeher als besonders engagiert, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen geht.

Neben dem Wolfsburger Konzern haben es 2015 auch Daimler mit Ausgaben von 2,5 Millionen Euro und BMW mit einem Jahresbudget von knapp 1,4 Millionen in die Liste der deutschen Firmen mit den höchsten Lobby-Ausgaben geschafft. Die Lobby-Ausgaben der drei Firmen machen zusammen mehr als die Hälfte der Lobby-Ausgaben aller in Brüssel registrierten Autobauer aus. Zumindest wenn man nur die freiwilligen Angaben betrachtet. Gemessen an jährlichen Milliardengewinnen „ist es eben sehr unwahrscheinlich, dass gerade einmal ein paar Millionen Euro in die Abteilung Lobbyismus fließen“, sagte Katzemich von Lobby-Control. Sie ist sicher, dass die Ausgaben weitaus höher liegen. Nachweisen könne man aber nichts.

Neben den eigentlichen Konzernen rühren auch die Dachverbände kräftig die Werbetrommel für die deutschen Unternehmen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat nach Informationen von Lobby Control für seine 14 Lobbyisten knapp 2,5 Millionen Euro Jahresbudget eingeplant – und liegt damit noch auf einem der hinteren Plätze. Führend unter den Verbänden ist mit weitem Abstand der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft, der ein ganzes Heer von 45 Lobbyisten für seine Interessen kämpfen lässt. 13 Millionen Euro lässt der Dachverband dafür jährlich springen. Auf dem zweiten Rang folgt dann mit immerhin noch fast 23 Mitarbeitern und einem Budget von 4,3 Millionen Euro der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau.

Doch die Investitionen scheinen sich zu lohnen, gerade für die deutsche Autoindustrie. Als die EU über schärfere Abgasregeln beriet, hatte sie ihren großen Auftritt. Sie gab damals laut Lobby Control mehr aus, als die ACEA, der europäische Dachverband der Automobilindustrie. Dabei ging es nicht ausschließlich darum, die eigenen Interessen gegen die EU-Kommission durchzusetzen, sondern auch die Rivalen aus Italien und Frankreich auszustechen.

Gerade die deutschen Autobauer hätten nämlich massiv unter den neuen Gesetzen gelitten, während die Autobauer aus Frankreich oder Italien vergleichsweise glimpflich davon gekommen wären. 18 Mal trafen sich Vertreter der VDA mit der Europäischen Kommission, um ihre Interessen deutlich zu machen. Am Ende mit Erfolg. Das geplante Gesetz wurde in einer abgewandelten und damit für die deutsche Autoindustrie verträglicheren Form verabschiedet.

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