Der seit Anfang 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn wird erstmals angehoben: Zum 1. Januar steigt die Lohnuntergrenze von 8,50 auf 8,84 Euro pro Stunde. Eine entsprechende Verordnung von Arbeitsministerin Andrea Nahles billigte das Bundeskabinett am Mittwoch. Für die Wirtschaft bedeutet das deutliche Mehrkosten.
Die Regierung schätzt, dass sich durch die Erhöhung des Mindestlohns die Lohnkosten um rund eine Milliarde Euro für das Jahr 2017 erhöhen werden. Auch könnten die Preise für Waren und Dienstleistungen bei einer vollständigen "Überwälzung" der Lohnerhöhungen "geringfügig ansteigen", heißt es in der Verordnung. Erhebliche Auswirkungen auf das Gesamt-Preisniveau werden aber nicht erwartet. Nahles erhofft sich durch die 34-Cent-Anhebung eine "positive Wirkung auf die Konsumnachfrage".
Der bundesweite Mindestlohn gilt für rund vier Millionen Beschäftigte des Niedriglohnsektors. Die nächste Anhebung steht zum 1. Januar 2019 an. Das Gesetz sieht alle zwei Jahre eine Anpassung vor. Mit der Verordnung setzt die Regierung eine Empfehlung der Mindestlohnkommission von Ende Juni um , die sich aus Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern zusammensetzt. Grundlage für die Entscheidung war der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Tarifindex. In ihn fließen rund 500 Tarifverträge ein. In den vergangenen eineinhalb Jahren stiegen die Löhne und Gehälter um durchschnittlich 3,2 Prozent. Die jetzige Anhebung des Mindestlohns entspricht einer Steigerung um vier Prozent.
Wie der Mindestlohn bisher gewirkt hat
Rund fünf Millionen Beschäftigte haben laut dem Institut WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor der Einführung der Lohnuntergrenze weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdient - und somit seither zumindest potenziell profitiert. Vor allem Geringverdiener in Ostdeutschland hätten deutlich zugelegt, Arbeitnehmerinnen in den neuen Ländern im Schnitt um 8,5 Prozent. Ein deutliches Lohnplus gab es in Schlachtereien, Wachdiensten, im Garten- und Landschaftsbau.
Sie sind vereinzelt gestiegen, etwa jene von Taxis. Kunden mussten laut dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hier 2015 durchschnittlich 12,1 Prozent mehr bezahlen als noch im Vorjahr. Auch Haushaltshilfen, Friseurdienstleistungen oder Schuhreparaturen wurden teurer. Doch die Inflation ist gering, der Ölpreis im Keller - auch deshalb hat der Mindestlohn nicht zu großen Sprüngen geführt.
Bislang keine negativen Auswirkungen des Mindestlohns auf Arbeitsmarkt oder Güternachfrage bestätigt das IW. Dies könne sich jedoch rasch ändern, wenn die Energiepreise steigen oder sich die Konjunktur deutlich abkühlt. Zwar fielen viele Minijobs weg - laut Arbeitsmarktexperten sind aber schätzungsweise 50 Prozent in Arbeitsplätze mit Sozialversicherung umgewandelt worden.
Nahles sagte, der Mindestlohn "wirkt, er funktioniert, er ist gelebter Alltag". Auch das Verfahren und der Mechanismus, mit denen er in seiner Höhe fortgeschrieben werde, bewährten sich. Es sei gute Tradition, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften die Löhne aushandelten. "Das haben sie nun verantwortungsvoll auch beim Mindestlohn getan", würdigte die SPD-Politikerin.
Die CSU begrüßte die Anhebung des Mindestlohns. Allerdings müssten auch die Warnungen der Wirtschaft ernstgenommen werden, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Stracke. Die gesetzlich vorgesehene wissenschaftliche Evaluation des Gesetzes im Jahr 2020 bleibe auf der Tagesordnung. Die Linken-Politikerin Jutta Krellmann beklagte, der Mindestlohn bleibe trotz der Erhöhung ein Niedriglohn. "Mieten steigen, Strom wird teurer und auch der Preis für das Busticket erhöht sich wieder." Dies sei die Realität von Millionen von Menschen im Land.