Lothar Probst "Die AfD hat zur Zukunft Europas nicht viel anzubieten"

Wie positionieren sich die Bundestagsfraktionen zur Zukunft der Europäische Union? Liefern sie der AfD eine Steilvorlage? Der Politologe Lothar Probst erläutert, was auf die Deutschland und die EU zukommt.

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Der Politologe Lothar Probst im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Herr Probst, erlebt der Nationalstaat in Deutschland gerade eine Renaissance?
Das glaube ich nicht. Deutschland hat die europäische Integration aus wohlverstandenem Eigeninteresse zusammen mit Frankreich vorangetrieben – und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Das Land profitiert erheblich von Europa. Sich davon abzuwenden und Deutschland zu isolieren, wäre ziemlich unklug.

Zur Person

Die AfD wird alles dafür tun, um genau so eine Politik durchzudrücken.
Mag sein. Ich bezweifle aber, dass die AfD in dieser Frage einen allzu großen Einfluss auf die anderen Parteien ausüben kann. Die AfD wird sich als Fundamentalopposition inszenieren und hat zur Zukunft Europas, außer Ausstiegsszenarien, nicht viel anzubieten.

Emmanuel Macron hat gerade die „Neugründung“ Europas mit eigenem Haushalt und Finanzminister gefordert. Das ist doch eine Steilvorlage für die AfD.
Es stimmt schon: Je stärker Angela Merkel auf Macron zugehen wird, desto heftiger wird die AfD das Thema aufgreifen und gegen die Umverteilung deutscher Steuergelder nach Südeuropa wettern. Eine Politik der Renationalisierung hat aber keine Zukunft und wird kaum zur Grundlage einer zukünftigen Regierung, die ja voraussichtlich aus proeuropäischen Parteien bestehen wird.

In der Flüchtlingspolitik hat die Taktik ziemlich gut funktioniert. Merkel hat ihre Position stark verändert. Selbst die Linke musste rhetorisch aufrüsten.
Natürlich beeinflussen die Erfolge der AfD auch die Politik in Deutschland. So wird in der Union jetzt der Rufe nach einem härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik laut. Und Horst Seehofer hat nach der Wahl gesagt, dass seine Partei eine offene rechte Flanke habe, die nun zu schließen sei. Dass aber auch Grüne, FDP oder SPD weiter nach rechts rücken, kann ich mir kaum vorstellen. Selbst die Union könnte bei einem Jamaika-Bündnis kaum einen harten Rechtsruck vollziehen.

FDP-Chef Lindner hat sich am Mittwoch per Video gegen automatische Transfers und neue Schulden innerhalb der EU positioniert. So eine Forderung könnte auch von der AfD kommen.
Man kann die FDP aber nicht mit der AfD gleichsetzen. Die AfD will raus aus der Eurozone und polemisiert gegen die EU. Bei den Liberalen hört sich das viel differenzierter an. Die FDP will verhindern, dass deutsches Steuergeld ohne Gegenleistung für die Sanierung südeuropäischer Staaten verwendet wird. Sie würde sicherlich gegen Euro-Bonds rebellieren. Aber im Kern war die FDP schon immer eine pro-europäische Partei. Daran hat auch Christian Lindner nie einen Zweifel gelassen.

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