Machtgerangel in Berlin Hauen und Stechen um Wowereit-Nachfolge

Die Berliner SPD ringt um die Nachfolge des scheidenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. Die Kandidaten sollen aus den eigenen Reihen stammen, überzeugen aber die Bundes-SPD nicht. Die Opposition will gar Neuwahlen.

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Berlins SPD-Landesvorsitzender Jan Stöß: Erster Kandidat für die Wowereit-Nachfolge. Quelle: dpa

Berlin Nach mehr als 13 Jahren als Regierender Bürgermeister Berlins hat Klaus Wowereit (SPD) überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Er stelle seinen Posten zum 11. Dezember zur Verfügung, sagte der dienstälteste Landesregierungschef am Dienstag im Roten Rathaus. Um seine Nachfolge entbrannte in der Berliner SPD umgehend ein Machtkampf zwischen dem Landesvorsitzenden Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh. Diesen soll die Parteibasis per Mitgliedervotum entscheiden. In der Opposition wurde die Forderung nach Neuwahlen laut.

„Ich gehe freiwillig“, versicherte Wowereit. Jedoch habe die parteiinterne Diskussion um seine Person der Regierungsarbeit geschadet, sagte der 60-Jährige. Die Entscheidung zwei Jahre vor Ablauf der Legislaturperiode sei ihm nicht leichtgefallen. Er sei stolz, seinen Beitrag zur positiven Entwicklung der Hauptstadt geleistet zu haben.

Der Regierungschef führt seit November 2011 eine rot-schwarze Koalition. Erstmals war Wowereit im Juni 2001 zum Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt gewählt worden. Zwei Wahlperioden regierte er mit der Linken. Von 2009 bis 2013 war er einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD.

Zuletzt war die Beliebtheit Wowereits rapide gesunken. Vor allem das Desaster um den Bau des Großflughafens Berlin-Brandenburg hatte am Ansehen des Regierungschefs gekratzt. Mehrfach wurde die Eröffnung verschoben, ein neuer Termin ist nicht in Sicht.

Für Wowereit, der auch den Posten als Aufsichtsratschef der staatlichen Flughafengesellschaft abgeben will, war das Projekt eines seiner wichtigsten. Die nicht zeitgerechte Eröffnung sei „eine herbe Niederlage gewesen, und das ist sie bis heute“, sagte Wowereit.


Grüne und Linke wollen Neuwahlen

Das Gerangel um die Nachfolge begann umgehend. Erst kündigte der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Saleh (37), an, er wolle Regierungschef werden, dann auch der SPD-Landesvorsitzende Stöß (41). Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), die ebenfalls im Gespräch war, sagte, sie stehe nicht zur Verfügung. Die SPD-Fraktion will an diesem Mittwoch zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen.

Wowereit sagte, er rechne damit, dass sein Nachfolger aus der Berliner SPD kommen werde. „Importe“ aus anderen Bundesländern seien zuletzt nicht so erfolgreich gewesen. Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ hält der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel aber weder Stöß noch Saleh für geeignet. Demnach soll Gabriel versucht haben, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) für Wowereits Nachfolge zu gewinnen. Schulz habe aber abgewunken.

Gabriel bescheinigte Wowereit große Leistungen: „Dass Berlin heute eine weltoffene, tolerante und attraktive Weltstadt ist, die sich auch wirtschaftlich auf gutem Wege befindet, ist Klaus Wowereit zu verdanken.“ Linksfraktionschef Gregor Gysi erklärte, Wowereit habe Berlin vor allem kulturell deutlich vorangebracht. Ein großes Verdienst sei, dass er sich als erster Politiker öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt habe.

Der Koalitionspartner CDU ist nach den Worten des Landesvorsitzenden Frank Henkel „ganz entspannt“. Er sagte, die SPD müsse die Führungsfrage schnell klären. Den Personalvorschlag müsse die CDU mittragen können.

Grüne und Linke forderten Neuwahlen. „Dann können die Wähler entscheiden, wer die Großbaustelle Berlin am besten voranbringen kann“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der Nachrichtenagentur dpa. Für die Linke sagten der Landesvorsitzende Klaus Lederer und Fraktionschef Udo Wolf, der politische Anstand erfordere es jetzt, dass Senat und Koalition den Weg für Neuwahlen frei machten.

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