Männlich, selbstständig, unerfahren Das ist der typische AfD-Parlamentarier

Wer sind die Kandidaten, die für die AfD jetzt in die Parlamente einziehen? Wir haben sie ein bisschen genauer unter die Lupe genommen. Alle 61 – nicht nur die bunten Vögel und Krawallmacher.

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Quelle: Montage

Über die neuen Parlamentarier von der AfD ist in den vergangenen Tagen viel geschrieben worden – und zugleich auch sehr wenig. Denn meist sind es die gleichen bunten Vögel und rechten Krawallmacher, die dabei ans Licht gezogen werden. Heinrich Fiechtner etwa, der Stuttgarter Stadtrat, der sich im vergangenen Jahr Zugang zu einem Asylbewerberheim verschaffte und die Bewohner ohne Erlaubnis fotografierte. Hans-Thomas Tillschneider, der Islamwissenschaftler aus Sachsen-Anhalt, der mit Verachtung auf sein Forschungsobjekt schaut. Oder André Poggenburg, der Landesvorsitzende mit dem Haftbefehl.

Doch das ganze Bild der neuen Parlamentspartei trifft man kaum, wenn man sich auf diese Handvoll der insgesamt 61 Kandidaten konzentriert, denen die Wähler am vergangenen Sonntag ein Mandat übertragen haben. So entsteht das Bild einer Partei von rechten Krawallmachern und gescheiterten Existenzen. Das trifft zwar auf einen Teil der Abgeordneten zu, stellt aber dennoch nur eine Facette dar.

Erst wenn man sich wirklich alle 61 Parlamentarier anschaut und das mit den Vertretern der etablierten Parteien vergleicht, bekommt man einen vollständigen Blick auf das Personal der AfD. Ihre Altersstruktur, ihre persönlichen und wirtschaftlichen Motive, die Gleichberechtigung der Geschlechter innerhalb der Partei.

Reaktionen aus den Ländern
Björn Höcke, AfD Quelle: REUTERS
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner: Quelle: dpa
Ralf Stegner, SPDSPD-Vize Ralf Stegner erwartet ungeachtet des schwachen Abschneidens bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt keine Diskussion über Parteichef Sigmar Gabriel. "Nein, kein Stück", sagte Stegner am Sonntag in der ARD. "Wir werden jetzt gemeinsam schauen, dass wir jetzt die nächsten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gut machen und im nächsten Jahr im Bund. Und der Rückenwind aus Mainz wird uns dabei helfen." In Rheinland-Pfalz sind die Sozialdemokraten stärkste Partei geworden. Zum Erfolg der rechtspopulistischen AfD sagte Stegner: "Die AfD hat mit Angstmacherei Punkte gemacht. Wir rücken nicht nach rechts." Quelle: dpa
Alexander Gauland, AfD Quelle: dpa
Sigmar Gabriel, SPD Quelle: REUTERS
Frauke Petry, AfD Quelle: AP
Katrin Budde, SPD Quelle: REUTERS

Auch über die Unterschiede der AfD in den Bundesländern verraten die empirischen Daten mehr als jede Sprachanalyse von Poggenburg, Björn Höcke und Jörg Meuthen. Wir haben die neuen Parlamentarier, mit denen sich die Zahl der AfD-Mandate in Deutschland auf einen Schlag mehr als verdoppelt, deshalb mit Statistiken über die Abgeordneten im Bundestag und den drei großen Parlamenten in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen verglichen, in denen die AfD noch keine Mandate hat:

Kaum politische Erfahrung

Marc Spiegelberg ist zwar erst 24 Jahre alt, mit der politischen Karriere hat er es offenbar trotzdem ziemlich eilig. Und dieses Tempo sorgt kurz nach der Wahl für einige Verwirrung. Auf der Homepage der Jungen Union im Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts wird er als Kreisgeschäftsführer geführt, zugleich aber ist er in eben diesem Kreis direkt ins Parlament gewählt worden – für die AfD. Ein Anruf bei der örtlichen CDU bringt Klärung: „Herr Spiegelberg hat sein Amt erst relativ kurz vor der Wahl, gegen Ende des vergangenen Jahres, niedergelegt“, heißt es dort – zu der Anpassung der Homepage ist man seitdem noch nicht gekommen.

Mit diesem sprunghaften Wechsel ist Spiegelberg jedoch eher eine Ausnahme unter den Parlamentariern. Zwar gibt es einige besonders schillernde Figuren wie Bernd Gögel in Baden-Württemberg, der in den Achtzigerjahren Gründungsmitglied der Grünen war, dann den Landesverband der Freien Wähler anführte. Oder Robert Farle, der bis 1990 den Gladbecker Ortsverein der DKP, einer aus dem Osten gesponserte kommunistische Partei, anführte. Gottfried Backhaus, wie Farle nun Abgeordneter in Sachsen-Anhalt, stand damals auf der entgegengesetzten Seite des politischen Spektrums: 1989 gehörte zu den Gründern des SED-kritischen „Neuen Forums“ in der DDR,  aus dem später das Bündnis 90 wurde, das sich dann den Grünen anschloss.

Die meisten anderen Kandidaten aber haben eine ganz andere Gemeinsamkeit: Sie sind politisch völlig unerfahren. Für mehr als 90 Prozent der jetzt gewählten Kandidaten ist das Engagement bei der AfD das erste politische Mandat überhaupt. Einige verweisen zwar auf eine frühere Nähe zur CDU oder FDP, über eine passive Mitgliedschaft ging die aber bei kaum einem hinaus.

Dieses Muster gilt im Prinzip für alle drei Bundesländer. Viele Kandidaten in Sachsen-Anhalt verfügen jedoch bereits deshalb über ein gewisses Maß an politischer Erfahrung, da die AfD hier bereits seit der Kommunalwahl 2014 einige Mandate innehatte.

Die AfD hat ein Frauenproblem

Wenn man die CDU in den Neunzigerjahren als Maßstab nimmt, könnte man sagen: Die AfD erfüllt ihren Anspruch als konservative Partei ziemlich gut. Man kann aber auch sagen: Die AfD hat ein Frauenproblem. Denn in allen drei Landtagsfraktionen werden nur zwei bis drei Frauen vertreten sein, sie sind damit deutlich in der Unterzahl. In Sachsen-Anhalt entspricht das einer Quote von acht Prozent, in Baden-Württemberg sind es mit drei Frauen 13 Prozent. Da die Fraktion in Rheinland-Pfalz deutlich kleiner ist, entsprechen zwei Frauen hier einem Anteil von gut 20 Prozent.

Das ist zwar immer noch ziemlich wenig, vom parlamentarischen Durchschnitt aber nicht mehr allzu weit entfernt. So liegt die Frauenquote in den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bei gut 30 Prozent, in Bayern sind es nur 28. Im Bundestag sind immerhin 36 Prozent der Abgeordneten weiblich.

Das sagen Unternehmer zu den Ergebnissen
Wolfgang Grupp, Eigentümer von Trigema:"Viele Leute in Baden-Württemberg haben wie ich aus reinem Protest gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik nicht CDU gewählt. Guido Wolf als CDU-Spitzenkandidat konnte dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nicht das Wasser reichen - übrigens eine Spätfolge der Strategie Merkels, CDU-Top-Politiker wie Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsidenten Günther Oettinger (heute EU-Kommissar) kalt zu stellen. Jetzt kann es nur eine Koalition geben und das ist Grün-Schwarz. Das ist der Bürgerwille. Natürlich wäre auch eine Ampelkoalition aus Grün, Rot und Gelb möglich. Aber ich glaube, dass Kretschmann versuchen wird, die vom Bürger am zweithäufigsten gewählte Partei in die Regierung zu holen. Die CDU wurde zwar abgestraft, die SPD aber auch. Der Wahlausgang hat überhaupt keine negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Kretschmann und die Grünen haben generell gute Ideen. Das haben sie in der Vergangenheit gezeigt und das wird jetzt in die Regierung einfließen. Wir aus der Wirtschaft brauchen die neuen Ideen, also das, was zukunftsorientiert ist. Im Übrigen wird Kretschmann mit seinem Wahlsieg mehr Gewicht in der Bundespartei der Grünen bekommen, und das ist gut so." Quelle: dapd
Nicola Leibinger-Kammüller Quelle: dpa
Bitkom-Präsident Thorsten Dirks: Quelle: dpa
Renate Pilz, Vorsitzende der Geschäftsführung der Firma Pilz Automation in Ostfildern, Baden-Württemberg:“Ich bin als Mensch und nicht nur als Unternehmerin persönlich erschüttert über den Erfolg der AfD und fürchte, wir müssen uns langfristig auf diese Partei im Landtag einstellen. Der große Erfolg von Herrn Kretschmann gerade auch unter älteren Wählern liegt meiner Meinung nach daran, dass  er im Wahlkampf eine klare Linie vorgegeben hat und seinen Blick über Baden Württemberg hinweg auf Europa gerichtet hat. Die europäische Einheit ist nicht nur für Unternehmer wichtig. Die Älteren haben den Krieg noch als Kinder erlebt, sie wissen wie wichtig der Frieden ist und sie fühlen sich dafür mitverantwortlich, dass so etwas in Deutschland nicht nochmal passiert. Herr Kretschmann hat aber auch aus Sicht der Unternehmer in Baden Württemberg auch als grüner Ministerpräsident gute Arbeit geleistet. Auch das wird zu seiner Wiederwahl beigetragen haben.” Quelle: dpa/dpaweb
Martin Fuchs, Geschäftsführer Enprotec GmbH in Mayen bei Koblenz, Rheinland-Pfalz"Die Landtagswahlen haben zwei Dinge deutlich gemacht. Ein großer Teil der Wähler hat kein Vertrauen mehr in die aktuellen Bundespolitiker, insbesondere die Bundeskanzlerin. Hierfür haben CDU, SPD und auch Bündnis 90/Die Grünen büßen müssen. Erfolg hatten die scheinbar authentischen Politiker Winfried Kretschmann und Malu Dreyer. Gerade bei Malu Dreyer klaffen jedoch Reputation und tatsächliche politische (Fehl-)Leistung weit auseinander. Auch in Baden-Württemberg kann ich die Schulpolitik nur mit großer Sorge betrachten. Die dortigen Prioritäten sind sowohl der Mehrheit der Gesellschaft als auch dem Wirtschaftsstandort auf Dauer abträglich. Umso mehr gilt, dass die voraussichtlichen Koalitionspartner, CDU in Ba-Wü und FDP in Rheinland-Pfalz, wesentliche Korrekturen durchsetzen. In meinem Bundesland heißt dies für die Bereiche Infrastruktur: Breitbandausbau, Straßensanierung, Bau der Mittelrheinbrücke etc.; öffentliche Sicherheit: Ausbau der Polizei auch unter dem Aspekt möglicher neuer Herausforderungen; Rechtssicherheit: Aus-, nicht Abbau der Justizverwaltung (Die Landesregierung hat in Koblenz im übertragenen Sinne bereits ,Strafvereitelung im Amt‘ begangen.); Integration: Aufbau von ernsthaften Asylanten-Integrationsstrukturen (keine Migrantenverwaltung und -Ghettoisierung wie aktuell gegeben) und konsequente Abschiebung von Wirtschaftsmigranten; Bildungspolitik: Anpassung der schon heute unzureichenden Bildungsressourcen an die neuen Herausforderungen; Energie: Beendigung der (planlosen) Verspargelung der Landschaft. Trotz vieler Frustrationen gebe ich die Hoffnung nicht auf." Quelle: Privat
Rainer Hundsdörfer, Chef von ebm papst in Mulfingen: “Der Wahlerfolg  der AfD in allen drei Landesparlamenten kann einem Demokraten nicht gefallen. Er zeigt aber, dass die renommierten Parteien die Wählen nicht haben überzeugen können. Ich bin überzeugt, dass vor allem Protestwähler die AfD favorisierten und dass es nicht mehrheitlich um braune Gesinnung handelt. Dass sich die Grünen in BaWü so klar  gegen die CDU durchsetzen konnten hat mich überrascht. Ich halte das für einen persönlichen Erfolg von Herrn Kretschmann, vor allem er und nicht die Grünen haben diese Wahl gewonnen. Er hat aus Unternehmersicht oft gut gearbeitet: zuverlässig, interessiert, kompromissfähig. Zudem traut er sich, sich bei Sachfragen auch mal gegen seine Partei zu stellen. Er hat also bewiesen, dass er als grüner Ministerpräsident Unternehmen nicht schadet. Das habe ich mir früher so nicht vorstellen können. Gut für Baden Württemberg wäre eine schwarz-grüne Regierungskoalition statt einer Drei-Parteien-Regierung aus Grün, Rot plus X. Sie hätte eine satte handlungsfähige Mehrheit und die CDU wäre der notwendige Gegenpol für eine bessere Wirtschafts- und Bildungspolitik. Wir in der Industrie sind pragmatischer:  Erst zwei Jahren Kretschmann als Chef, dann tritt er ab und die nächsten zwei Jahre übernimmt CDU-Mann Wolf - für das Land wäre das eine sehr gute Option. Aber Politiker sind wohl nicht so pragmatisch. Auf jeden Fall ist es gut, dass die FDP als Korrekturfaktor zum Beispiel für die schwindende Wirtschaftskompetenz der SPD im Landtag ist.” Quelle: Steffen Burger
Hans-Jürgen Mundinger, Chef der Goldschmidt Thermit mit Sitz in Halle und Leipzig:“Als gebürtiger Baden-Württemberger vom Bodensee und nun in Ostdeutschland arbeitend, habe ich beide Wahlergebnisse mit Spannung verfolgt. Für mich hat heute unabhängig von allen Parteien die Demokratie gewonnen: Die Menschen interessieren sich wieder mehr für Politik, die Wahlbeteiligung ist gestiegen.  Über Jahrzehnte haben drei oder vier Parteien die Regierungen unter sich ausgemacht, nun sind es bis zu sechs Parteien. Das finde ich grundsätzlich einen Gewinn. Den hohen Wahlerfolg der AfD, besonders in Sachsen-Anhalt, muss eine Demokratie aushalten. Aber ich würde nicht meinen Kopf dafür geben, dass das klappt. Doch die rund 15 Prozent der AfD in BaWü, dem Land der Liberalen, schocken mich noch mehr als die 24 Prozent in Sachsen Anhalt. Vermutlich sind es in BaWü eher Protestwähler, in Ostdeutschland sind viele Wähler grundsätzlich pessimistisch. Die CDU hat es nicht vermocht, das zu ändern, sie war unentschlossen und selbst zu pessimistisch. Der Erfolg der AfD könnte für die Wirtschaft noch schwierig werden. Großkonzerne oder internationale Unternehmen womöglich Ansiedlungen in Sachsen und Sachsen Anhalt meiden und stattdessen zum Beispiel nach Thüringen gehen. Der AfD-Erfolg erschüttert jetzt schon den Tourismus, dann würde er alle Industriesparten treffen. Es ist wichtig, dass die FDP wenigstens den Einzug ins Parlament schafft, das wäre dann eine Partei, die den Menschen Hoffnung geben kann.” Quelle: Werner Schuering für WirtschaftsWoche

Viel Nachwuchs

In den Gründungstagen repräsentierte das Altmännertrio aus Alexander Gauland, Konrad Adam und Joachim Starbatty hinter Bernd Lucke die AfD perfekt: Rentner mit einem Sinn für Ökonomie, die sich noch mal so richtig laut ärgern wollen. Cord-Sakkos und graue Haare waren zwei Attribute, die bei keiner Parteitagsbeschreibung fehlen durften.

Seitdem sich die passionierten Ökonomen aber fast vollends aus der Partei zurückgezogen haben, wandelt sich das Bild jedoch rapide. Das zeigt auch die Altersstruktur der Abgeordneten in den drei Parlamenten.

Die jüngste Fraktion ist die in Sachsen-Anhalt, hier sind die AfD-Repräsentanten im Durchschnitt gerade einmal 42 Jahre alt. Zum Vergleich: Im Düsseldorfer Landtag sind die Abgeordneten im Durchschnitt 48 Jahre, im Bundestag 50 Jahre alt, in Bayern über 51 und in Niedersachsen gar über 53 Jahre.

Dies sind jeweils Durchschnittswerte zu Anfang der laufenden Legislaturperiode. Deutlich älter als in Sachsen-Anhalt ist die einzige Landtagsfraktion, in der noch ein Wirtschaftsprofessor das Sagen hat: Die Stuttgarter AfD-Abgeordneten bringen es im Durchschnitt auf 53 Jahre. Nah an den üblichen Werten der anderen Parteien ist hingegen die rheinland-pfälzische Fraktion, hier sind die Abgeordneten durchschnittlich 48 Jahre alt.

Politische Karriere auch als wirtschaftlicher Rettungsanker?

Über den beruflichen Hintergrund von Parlamentariern gibt es zwei besonders häufige Vorurteile. Da ist zum einen das Franz-Josef-Strauß-Bonmot „Das Parlament ist mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer“. Das zweite lautet, in Straußsche Form gebracht: Alles Juristen, außer Mutti.

Für die AfD gelten sie beide nicht. Unter den 61 Abgeordneten finden sich nur drei Lehrer und ein einziger Rechtsanwalt, stattdessen gibt es erstaunliche viele Parlamentariern, die selbstständig Dinge verkaufen oder Dienstleistungen anbieten: Zwei Fahrlehrer, ein Herrenmodeverkäufer, ein Handyladenbesitzer, eine Hundezüchterin, ein Hypnotiseur, ein Kürbisbauer, ein freischaffender Abwasseranalytiker und sogar der Inhaber einer Agentur für Duftmarketing ist darunter.

Jubel und Tränen bei den Wahlpartys
Die Grünen, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
CDU, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
SPD, Baden-Württemberg Quelle: AP
AfD, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
SPD, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance
CDU, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance
AfD, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance

In etwas grobere Kategorien verpackt bedeutet das Folgendes: Der Anteil von Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst ist bei der AfD deutlich niedriger als im parlamentarischen Durchschnitt, in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sind es nur 13 Prozent.

Wirtschaftskompetenz der AfD

Nur in Rheinland Pfalz, wo 30 Prozent der AfD-Abgeordneten für den Staat arbeiten, wird der Durchschnitt aus dem Bundestag erreicht, an die Werte aus Niedersachsen (34) und Bayern (38) kommt die AfD hier aber auch nicht heran. Deutlich überdurchschnittlich vertreten sind hingegen die Selbstständigen in der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg (26 Prozent) und vor allem in Sachsen-Anhalt (50 Prozent).

In Rheinland-Pfalz sind es hingegen ebenso wie im Bund und den drei anderen untersuchten Ländern weniger als 10 Prozent.

Der Extremwert aus Sachsen lässt nun zwei Deutungen zu. Man könnte der AfD besonders große unternehmerische Erfahrung und damit Wirtschaftskompetenz unterstellen. Dagegen spricht aber die Tatsache, dass ein überwiegender Teil der Selbstständigen bei der AfD Einzelkämpfer oder Kleinstunternehmer mit – auf den ersten Blick – zum Teil sehr fraglichen wirtschaftlichen Perspektiven sind. Hier liegt deshalb die Vermutung nahe, dass die politische Karriere auch als wirtschaftlicher Rettungsanker dient

Auffällig ist zudem, dass es in Baden-Württemberg sehr viele Abgeordnete gibt, die sich selbst als Rentner bezeichnen (17 Prozent). In allen Vergleichsparlamenten und in den anderen AfD-Fraktionen kommt diese Bezeichnung nicht vor.

Rechter Flügel der AfD in Magdeburg

Besonders viel diskutiert worden ist im Vorfeld der Wahl über die Gesinnung der Kandidaten in den einzelnen Bundesländern. Die einfache Zusammenfassung lautete dabei: In Sachsen-Anhalt ist die AfD ein rechter Haufen, im Westen eher friedlich. Schaut man sich nun die gesamte Kandidatenschar an, dann muss das Bild ein Stück weit verändert werden.

So macht der Blick auf die Strukturdaten deutlich, dass die AfD in Rheinland-Pfalz sowohl beim Frauenanteil als auch beim beruflichen Hintergrund und der Altersstruktur am ehesten den etablierten Parteien gleicht. Das legt auch die weitere Recherche nahe.

Die Alternative für Deutschland zählt zum großen Gewinner der Landtagswahlen. Politologe Werner Patzelt erklärt, warum die Union eine Partei rechts von ihr fürchten muss und woran die AfD noch scheitern könnte.
von Marc Etzold

So gibt es mit Ausnahme des kurzen Abstechers des Spitzenkandidaten Uwe Junge zur Partei „Die Freiheit“ kein Hinweis in den Biografien der Kandidaten, an der demokratischen Ausrichtung zu zweifeln. Nur zwei der 14 Fraktionsmitglieder gehören zudem zu den veröffentlichten Erstunterzeichnern der „Erfurter Resolution“, die im vergangenen Jahr die Spaltung der Partei einläutete und bis heute als Gradmesser dafür gelten kann, wer sich dem rechtsnationalen Flügel zuordnet.

Die Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt entsprechen in dieser Hinsicht so sehr dem Klischee, wie sie sich in den Strukturdaten vom Durchschnittsparlamentarier unterscheiden: radikal. 13 Abgeordnete oder 54 Prozent der Fraktion haben sich bereits im vergangenen Jahr zum rechten Flügel der Partei bekannt.

Die Fraktion in Baden-Württemberg ist hingegen die widersprüchlichste der drei. Einerseits überlebt hier mehr alte Anti-Euro-AfD als in den anderen Ländern, zugleich aber gibt es hier auch einige sehr überzeugte Rechtsausleger.

Das zeigt am Anteil der Resolutionsunterzeichner, der mit 39 Prozent deutlich über dem Anteil in Rheinland-Pfalz liegt. Mit der Abgeordneten Christina Baum ist hier zudem eine direkte Höcke-Vertraute Teil der Fraktion, die Zahnärztin sprach sogar schon bei dessen berüchtigten Veranstaltungen in Erfurt.

Neben ihr gibt es eine Handvoll weiterer Abgeordneter, die bereits durch krude Verschwörungswerke aufgefallen sind oder denen zumindest von linksautonomen Kreisen eine große Nähe zu radikalen Splittergruppen wie der Identitären Bewegung nachgesagt wird.

Diese Informationen sind zwar mit Vorsicht zu beurteilen, deuten aber zumindest darauf hin, dass es in dieser Fraktion vielleicht am ehesten zu inneren Konflikten kommen könnte.

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