Mario Ohoven Mittelstands-Präsident gegen schärfere Russland-Sanktionen

Russlands Wirtschaft läuft schlecht. Das belastet bereits deutsche Exporte. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft befürwortet dennoch härtere Sanktionen. Mittelstands-Präsident Ohoven fürchtet immense Job-Verluste.

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Hält wenig von härteren Sanktionen gegen Russland: Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven. Quelle: dpa

Berlin Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, lehnt schärfere Sanktionen gegen Russland ab – und widerspricht damit dem Chef des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes. Die Menschenrechte seien zwar das Wichtigste bei allen Verhandlungen mit Russland, sagte Ohoven Handelsblatt Online. „Ich warne allerdings vor einer Spirale der Drohungen“, fügte der Mittelstandspräsident hinzu.

„Wer Sanktionen gegen Russland fordert, setzt nicht zuletzt 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland aufs Spiel. Der Gewinner bei einem deutsch-russischen Schlagabtausch hieße China“, warnte Ohoven. Russland wolle seine Geschäftsbeziehungen zu Peking in Zukunft noch stärker ausbauen. Die in jüngster Zeit unterzeichneten Lieferverträge von Rosneft, Gazprom und Novatec mit chinesischen Großkunden seien erst der Anfang. „Am meisten ärgert mich die Heuchelei“, so Ohoven. Andere europäische Länder forderten eine härtere Gangart gegen Moskau, hielten aber gleichzeitig an Rüstungsgeschäften mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin fest.

Cordes, der bislang immer wieder vor schärferen Wirtschaftssanktionen gewarnt hatte, sagte dagegen dem Handelsblatt vom Freitag: „Es ist zwingend erforderlich, dass Präsident (Wladimir) Putin seinen Einfluss auf die Separatisten geltend macht - und wenn er keinen Einfluss hat, muss er sich welchen verschaffen.“ Er zog eine klare rote Linie. „Wenn Putin diesen Weg weitergeht, dann ist es nicht der Weg der deutschen Wirtschaft.“ Wenn die Politik ihre Sanktionen verstärke, werde die Wirtschaft diese auch umsetzen.

Auch der DIHK befürwortet den härteren Kurs der Bundesregierung bei Wirtschaftssanktionen gegen Russland. „Angesichts des politischen Handelns des Kremls ist das nachvollziehbar“, sagte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, der Nachrichtenagentur Reuters. Wenn es nun in der EU zu echten Wirtschaftssanktionen komme, müssten die aber befristet und mit klaren Forderungen an den russischen Präsidenten versehen werden.

Angesichts der Unklarheiten über das Ausmaß, in dem die EU ihre Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts ausweiten wird, steige die Verunsicherung bei allen Beteiligten, sagte Treier. „Wir haben inzwischen die Nachricht von deutschen Unternehmen in Russland, dass (...) die russischen Firmen sagen: tut uns leid, aber ihr seid für uns keine verlässlichen Geschäftspartner mehr.“ Das gelte nicht überall, aber etwa in einem so wichtigen Bereich wie dem Maschinenbau. Damit kämen dort asiatische Konkurrenten der deutschen Unternehmen etwa aus China, Japan und Südkorea besser ins Spiel. „Die Diskussion um Sanktionen führt dazu, dass sich russische Geschäftspartner deutlich abwenden“, sagte er.

Klar sei, dass Sanktionen auch die deutsche Wirtschaft treffen würde, sagte Treier. Er äußerte dennoch Verständnis dafür, dass die Politik zu den Strafmaßnahmen greift. „Da gilt das Primat der Politik“, unterstrich er.


Sanktionen kennen nur Verlierer

Die Europäische Union hatte am Vortag nach Angaben von Diplomaten Sanktionen gegen 15 weitere Personen und 18 Firmen und andere Einrichtungen verhängt. Banken seien nicht darunter. Ost-Ausschuss-Chef Cordes sagte dazu: „Derartige Sanktionen sind die wohl schmerzhaftesten, und sie wirken schnell.“ Dagegen würden Einschnitte bei Exporten von Rüstungs- und energietechnischen Gütern wohl erst nach einiger Zeit wirken.

Ohoven gab zudem zu bedenken, dass ein Wirtschaftsboykott gegen Moskau zwei Verlierer hätte: den deutschen Mittelstand und die russische Bevölkerung. Die Mehrzahl der 6.300 deutschen Unternehmen auf dem russischen Markt seien Klein- und Mittelbetriebe. „Ein Teil von ihnen hat schon jetzt seine Investitionen reduziert und fordert aus Angst vor Enteignung weniger Material aus Deutschland an“, sagte der Mittelstandspräsident. Ein Embargo würde in Deutschland vor allem auf Klein- und Mittelbetriebe in den Branchen Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektronische Erzeugnisse, Pharma und Nahrungsmittel zurückschlagen, die im bilateralen Handel dominieren.

„Wir reden hier über Ausfuhren mit einem Volumen von 36,1 Milliarden Euro in 2013“, betonte Ohoven. „Die Menschen in Russland wiederum würden unter Handelsbeschränkungen leiden, weil dies die Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln gefährden würde.“

Offenbar hat der mutmaßliche Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs über der Ostukraine und das Verhalten der Separatisten die deutsche Wirtschaft zu einer härteren Linie veranlasst. „Der Umgang mit der Katastrophe stellt einen Akt der Inhumanität dar“, kritisierte Cordes. Er sprach von „verstörenden Verhaltensweisen“ der prorussischen Kräfte in der Ostukraine und „abenteuerlichen Theorien“, die aus Russland kämen.

Er stelle sich ausdrücklich hinter die deutsche Regierung, die zuletzt für härtere Sanktionen gegen Russland eintrat. „Die Bundesregierung managt die Krise hervorragend“, sagte er. Wenn die EU nun ihre Sanktionen verstärke, „dann tragen wir die 100 Prozent mit“. Und wenn dafür ein Preis zu zahlen ist, „werden wir ihn bezahlen“.

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