Martin Schulz Die Hoffnung stirbt zuletzt

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schärft sein Wirtschafts-Programm und attackiert Kanzlerin Angela Merkel. Aber reicht das für die Wende?

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Martin Schulz bei der Vorstellung seines Zukunftsplans Quelle: REUTERS

Auf der Leinwand hinter Martin Schulz funkelt und schimmert es. Reihen aus Nullen und Einsen rattern über den blauen, plakatwandgroßen Bildschirm hinter seinem Rednerpult: die Sprache der digitalen Welt. Und es dauert nicht lange, bis Schulz im Willy-Brandt-Haus die passende Botschaft dazu liefert: "Das moderne Deutschland", nicht weniger sei sein Ziel.

Immer, sagt er, sei es schließlich die SPD gewesen, die das Land "zusammengeführt und nach vorne gebracht" habe. Brandt, Schmidt, Schröder. Bald also er?

Nach vorne - apropos: In der vergangenen Woche machte Martin Schulz das, was alle machen, die Kanzler werden wollen: Er reiste durch die Bundesrepublik, besuchte Firmen, Gründer, Ehrenamtliche, scherzte mit Azubis und Fußballerinnen, zeigte natürlich auch seine geliebte Heimat Würselen.

Schulz fordert Innovationsallianz für Deutschland

Bei solchen Reisen geht es noch nie um tiefere Erkenntnis, sondern um deutliche Signale: Zuversicht und Tatkraft, Interesse und Motivation, den Willen zu gestalten - das soll am Ende als Eindruck übrig bleiben.

Schulz gab in dieser so wichtigen Kanzlerkandidatendisziplin sein Bestes. Auch an diesem Sonntag, zum großen programmatischen Abschlussevent seiner Deutschlandreise, redet er so laut dröhnend und leidenschaftlich wie man es von ihm gewohnt ist.

Trotzdem kann er kaum verbergen, wie viel Kraft es ihn mittlerweile kostet, kraftvoll zu erscheinen. Wie viel Willenskraft er aufbringen muss, um den Willen zur Macht zu demonstrieren.

Martin Schulz' Zukunftsplan für den deutschen Arbeitsmarkt

Kein Vorstoß, nicht einmal der politische Coup der Ehe für alle, hat den SPD-Chef der Amtsinhaberin wieder näher gebracht. Von Schlagdistanz keine Spur.

Nun also der nächste Versuch: "Deutschland kann mehr." Diesen Satz bringt Schulz bei seinem Auftritt in Berlin gleich mehrfach unter. Die Bundesrepublik brauche eine künftig eine Investitionsverpflichtung, quasi als liebe Schwester der Schuldenbremse. Sie benötige viel mehr Geld für Schulen als "Zukunftswerkstätten". Und es fehle an einer klaren solidarischen deutschen Haltung zur EU. Alles sozialdemokratische Herzensthemen - ja. Aber neue Wahlkampfschlager, die das Zeug haben, eine spielverändernde Debatte auszulösen? Eher nicht.

Man kann Martin Schulz die Ungeduld und auch die Frustration darüber mittlerweile im Gesicht ablesen: weil er sagt, was er will; weil er sehr konkret wird - und Angela Merkel in seinen Augen einfach mit dem Gegenteil herrlich durchkommt.

"Ich möchte kein Kanzler sein, der sich vor Debatten drückt", sagt er. Die "Politik des Durchwurschtelns" sei vorbei. All das zielt direkt auf Merkel, die ab jetzt mit immer häufigeren persönlichen Attacken wird rechnen müssen.

Für vornehme Fechtereien hat Schulz nun, knapp zwei Monate vor der Wahl, aber auch keine Zeit mehr. Wie Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier will er nicht enden, jedenfalls nicht kampflos.

Deutschland kann mehr - hinter diesem Satz steckt deshalb auch eine leise Hoffnung: dass die Deutschen schon irgendwann merken werden, merken müssen, dass er doch mehr kann als die Kanzlerin.

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