Martin Schulz Er will es besser machen – weiß nur nicht wie

Martin Schulz will als Parteichef wiedergewählt werden. Doch es gelingt ihm auf dem Parteitag nicht, eine Gesamtstrategie für die deutsche Sozialdemokratie aufzureißen. Ein Kommentar.

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Der Zickzack-Kurs des Parteivorsitzenden stellt die SPD vor eine Zerreißprobe. Quelle: Reuters

Berlin Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, heißt ein Sprichwort. In diesem Sinne wäre die Rede von SPD-Chef  Martin Schulz beim Bundesparteitag als Genesungsversuch zu werten. Denn Schulz räumte freimütig ein, er als Kanzlerkandidat trage die Verantwortung für das Wahlergebnis der Sozialdemokraten von historisch niedrigen 20,5 Prozent. Seine Partei beschrieb er als mut- und profillos.

Doch letztlich war die Rede vor allem ein Betäubungsmittel. Denn Schulz schwärmte zunächst nur von vergangenen „Sternstunden“ der Sozialdemokratie: Godesberger Programm, Entspannungspolitik, Nein zum Irak-Krieg, der Acht-Stunden-Tag, das Streikrecht, das Frauenwahlrecht, der Sozialstaat. Doch das ist alles sehr lange her.

Dann recycelte Schulz Passagen seiner Antrittsrede vom Jahresstart, als der Schulz-Hype gerade aufkam. Es gab ein bisschen Vortrag vom März, als er zum „Mister 100 Prozent“ der deutschen Sozialdemokratie gewählt wurde. Auch die jüngste Arbeitskampfrhetorik („App-gesteuerte Dienstbotengesellschaft“, „neoliberale Ideologie“, „Verteilungsgerechtigkeit“, „Privat-statt-Staat-Fetischisten à la Christian Lindner“) kehrte zurück. Insofern doch kaum Einsicht.

Immerhin entwarf der ehemalige EU-Parlamentspräsident Schulz von der Europa-Politik ein konkretes, wenn auch streitbares Bild: Europäischer Finanzminister, europäische Mindestlöhne, europäischer Verfassungsvertrag mit drohendem Mitgliederausschluss.

Neu entdeckte der SPD-Chef die Liebe zur Umweltpolitik, wenn auch vorgetragen mit einer merkwürdig anmutenden Anekdote – über eine Schildkröte, die wegen des im Meer treibenden Plastikmülls verendet.

Jenseits von Versprechen aus dem SPD-Wahlprogramm (Arbeitslosengeld Q, Chancenkonto, Abschaffung der sachgrundlosen Befristung) konnte Schulz den Delegierten aber keine sozialdemokratische Gesamtstrategie aufreißen. Es ist bezeichnend, dass er das als die nächste Aufgabe „für den Parteivorsitzenden“ ansieht. 

Hier blitzt das psychologische Momentum des Martin Schulz durch: Er will es besser machen, will die Scharte der Wahlniederlage auswetzen. Doch wie, das scheint ihm nicht klar zu sein.

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