Dennoch hat Angela Merkel den Grünen Avancen gemacht. War das clever von ihr?
Ja, unbedingt. Merkel hat gezeigt, dass sie das ganze Spielchen wirklich beherrscht. Sie ist den Abend über sehr positiv geblieben, hat zum Austausch eingeladen und sich kooperativ gezeigt. Damit hat sie ihre Verhandlungsposition noch einmal gestärkt.
Einfach wird es für die Bundeskanzlerin dennoch nicht. Schließlich muss sie sich nicht nur mit der SPD oder den Grünen einigen, sondern auch mit der CSU, die die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer fordert.
Das ist für mich Wahlkampfgeplänkel und kein großes Problem. Eine Koalitionsbildung wird mit Sicherheit nicht daran scheitern, dass die Mautfrage nicht geklärt ist. Die Diskussion kann man sehr leicht regeln, da gibt es ganz einfache Verhandlungsansätze. Die erste Möglichkeit: Die CSU wird in ihrem Wunsch bestärkt, mehr für die Infrastruktur zu tun. Dafür wird Geld bereitgestellt – so dass die Maut nicht mehr gebraucht wird. Die zweite Möglichkeit: Die Entscheidung könnte an eine höhere Instanz weitergeschoben werden, etwa der Europäischen Kommission. Die wird die Pläne ablehnen und die CSU kann sagen: „Schaut her, wir haben alles versucht. Brüssel ist schuld, aber perspektivisch zeigen wir denen es schon noch“.
Das heißt, sie halten eine schnelle Einigung zwischen der Union und der SPD oder den Grünen für möglich?
Die Grundsatzfrage ist, was die Grünen machen. Wenn die Öko-Partei ideologisch in die Verhandlungen geht und mit der Union nicht zusammenarbeiten will, dann werden sich CDU/CSU und SPD schnell einig werden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich die Sozialdemokraten dann verweigern. Das können sie nicht. Sie haben auch Verantwortung für Deutschland. Wenn die Grünen allerdings sagen, eine Koalition ist auch für sie denkbar, wird die Union ins Grübeln kommen und abwägen. Dann könnte der Prozess ein bisschen länger dauern.
So oder so: Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin.
So schlecht kann die Union gar nicht verhandeln, um dieses Ergebnis zu gefährden. Die Union hat alle Trümpfe ist der Hand und kann selbstbewusst in die Gespräche gehen.
Inwieweit ist das gute Wahlergebnis für Angela Merkel auch eine Stärkung ihrer Verhandlungsposition in Europa und in der Welt?
Angela Merkel besitzt international – abgesehen von den Euro-Krisenländern – einen ausgezeichneten Ruf. Das Wahlergebnis stärkt sie weiter. Das sollte sie nutzen, um noch klarer Profil zu zeigen. Was mir persönlich ein bisschen fehlt, ist eine große Linie, die sie fährt. Bei Helmut Kohl etwa hat man immer gewusst: Er ist ein glühender Europäer. Ich würde mir wünschen, wenn sich Merkel in den Grundsatzfragen genauer positioniert.
Ist Merkel mit ihrer pragmatischen-stoischen Art nicht vielleicht einfach repräsentativ für Deutschland?
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube und hoffe, dass es schon noch ein bisschen mehr Feuer in dem Land gibt, als Angela Merkel oft verkörpert. Die Bundeskanzlerin ist zu sehr darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Das hat für den Zweikampf mit Peer Steinbrück gereicht, ist aber auf internationalem Parkett ein bisschen wenig.
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