Maue Wachstumsprognosen Reden wir uns in die nächste Krise?

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„Die Stimmung hat größere Auswirkungen als der Zins“

Die Berichte über die negative Stimmung seien eher ein Indikator dafür, dass das Wachstum bald gedämpft werden könnte. „Im Moment sieht es aber nicht nach einem nochmaligen Absenken aus“, sagt er. Die Einkommenssituation und die Einkommenserwartungen seien stabil.

So erwarten 79 Prozent der Verbraucher in Deutschland in den kommenden Monaten steigende Einkommen und einen höheren Lebensstandard. „Wäre die Lage negativer, würde sich das wahrscheinlich auch auf den Konsum auswirken.“

Auch bei der Geldpolitik sei der Stimmungs-Effekt zu bemerken. Trotzdem finde sie zu wenig Beachtung, sagt Ansgar Belke, Jean Monnet-Professor für Makroökonomik an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied des Monetary Experts Panels im Europa-Parlament. „Die Stimmung von Investoren und Konsumenten hat auf Investitionen sehr viel größere Auswirkungen als der Zins“, sagt er.

Was die Kritiker der Sparpolitik sagen

Deswegen sei auch die Niedrigzinspolitik der EZB verfehlt. Sie schaffe politische Unsicherheit und führe dazu, dass sich Investoren zurückhielten – anstatt Investitionen anzukurbeln. „Das erkennt man an der starken Liquidität der Unternehmen“, so Belke. Die Stimmung und die Erwartungshaltung würden dadurch gesenkt.

Unsicherheit über künftige Politik - insbesondere über einen glatten Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik und deren Nebeneffekte - und Markteingriffe wie die Mindestlöhne und die Bindung von Staatsanleiherenditen an Notenbankinterventionen ließen Investoren abwarten.

Auch auf die Konsumenten wirke sich die Niedrigzinspolitik negativ aus. „Gerade ärmere Bürger müssen für die Altersvorsorge vorsorgen.“ Aufgrund der niedrigen Zinsen müssten sie nun größere Summen sparen, um im Alter ausreichend Kapital zu haben. Sie kompensierten die erhöhte Sparneigung dadurch, dass sie weniger konsumieren. „Die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik sind bei den ärmeren Bevölkerungsteilen bereits angekommen.“ Der Umverteilungseffekt der gegenwärtigen Geldpolitik von unten nach oben führe somit zu einer insgesamt geringeren Konsumneigung, da reichere Bevölkerungsschichten ohnehin einer geringere Konsumneigung aufwiesen.

Erhöhte Ansteckungsgefahr

Aber nicht nur einzelne Akteure wie Konsumenten oder Investoren sind stimmungsabhängig. Das zeigte zuletzt die Lehman-Pleite. Im September 2008 meldete die amerikanische Investmentbank Insolvenz an. Das führte zu einem Vertrauensverlust innerhalb der Finanzindustrie, aus dem Liquiditätsengpässe resultierten und der Beinahe-Zusammenbruch von zahlreichen Banken.


Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen

Das Risiko einer Finanzmarktansteckung wie 2008 sieht Belke heute immer noch. „Selbst wenn sich alle Banken an die Regulierungsauflagen der EU halten – fällt eine Bank, können alle anderen in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Er spricht hierbei von Netzwerkeffekten: Die Institute seien zu sehr ineinander verzahnt; das einzige, was helfe, seien höhere Eigenkapitalvorschriften für größere Banken.

Auch im Bereich des globalen Außenhandels sieht er eine solche Ansteckungsgefahr - weltweit. China und Amerika, die beide zu den fünf wichtigsten Exportabnehmern Deutschlands zählen, haben die Wachstumserwartungen enttäuscht und werden weniger importieren. Davon sei auch das exportorientierte Deutschland betroffen. „Die Nachfrage nach unseren Exportgütern ist sehr von der Stimmung im Rest der Welt abhängig, denn Deutschland exportiert vor allem Investitionsgüter“, so Belke.


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