Mehrwertsteuer Bund beendet Steuerchaos fürs Pizza-Taxi

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Steuersystem außer Kontrolle

Kassenbon mit Mehrwertsteuersätzen Quelle: dpa

Zu dem ganzen Chaos wäre es nicht gekommen, hätten die Politiker die überfällige Reform des Mehrwertsteuersystems angepackt, so wie es sich CDU, CSU und FDP zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommen haben. Sogar die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reformkommission hat bislang nicht getagt. Zu groß ist offenbar Schäubles Angst vor „Oma Erna“, einer fiktiven älteren Dame mit Hund und der Gewohnheit, einmal in der Woche frische Blumen auf das Grab ihres verstorbenen Gemahls zu stellen. „Oma Erna“ geistert durch das Finanzministerium als Synonym für drohende öffentliche Widerstände, falls etwa der für Hundefutter und Schnittblumen geltende ermäßigte Mehrwertsteuersatz angehoben würde.

So aber müssen sich Steuerbürger, Finanzbehörden und Politiker weiter mit satireverdächtigen Einzelfällen beschäftigen. Anfang des Jahres befasste sich beispielsweise der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Mehrwertsteuersatz für Pferde. Da die meisten von ihnen hierzulande der Freizeitgestaltung und nicht dem Verzehr dienen, verstößt der bisher ermäßigte Steuersatz nach einem EuGH-Urteil gegen das Gemeinschaftsrecht.

Auch der Bundesrechnungshof kommt inzwischen zu dem Ergebnis, dass das ganze System außer Kontrolle geraten ist. „Ein kompliziertes und sich rasch wandelndes Steuerrecht“, schrieb der Rechnungshof in einem Bericht für den Finanzausschuss des Bundestages, „hat auch in den letzten fünf Jahren die Arbeit der Veranlagungsstellen und den Vollzug der Steuergesetze erheblich erschwert.“ Vereinfachungen habe es nur „punktuell“ gegeben.

Patsch – eine Watsche gegen die Regierung.

Bei einer Überprüfung von amtlichen Steuerbescheiden stellte der Bundesrechnungshof fest, dass es bei der Berücksichtigung der häufigsten Werbungskostenarten eine Fehlerquote von 36 und 68 Prozent gab. Im Ergebnis werde der gesetzmäßige Vollzug der Steuergesetze „nicht gewährleistet“.

Noch eine Klatsche.

Auch Deutschlands oberster Steuerrichter, Rudolf Mellinghoff, spricht von einem „desolaten Zustand“. Das Steuerrecht ersticke an sich selbst, sagte der BFH-Präsident im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Mellinghoff appellierte an die Politik, zumindest mehr Gebrauch von Pauschalierungen zu machen.

Immerhin tut dies Bundesfinanzminister Schäuble jetzt im Fall der Außer-Haus-Lieferungen von Essen. Es könnte ein Anfang für mehr Vernunft und Praxisnähe im Steuerrecht sein.

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