Migranten und Arbeitsmarkt Wirtschaft forciert Flüchtlingsintegration

Der DIHK startet ein neues Programm, um Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Bildungsstand bei vielen Betroffenen ist ein Kernproblem. Daher warnt die Kammer vor hohen Erwartungen.

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Der DIHK vermittelt Flüchtlingen Praktika und Ausbildungsplätze. Quelle: dpa

Berlin Industrie und Handel starten ein Programm zur forcierten Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt – fordern von der Politik aber bessere Bedingungen. Rasche Erfolge in großem Stil erwartet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nicht. Insbesondere bei syrischen Flüchtlingen sei auch der Bildungsstand gering, sagt ein Bildungsexperte.

Die 79 Industrie- und Handelskammern bauen nun flächendeckend Angebote für Beratung, berufliche Orientierung und Vermittlung in Ausbildung auf, wie DIHK-Präsident Eric Schweitzer am Dienstag in Berlin mitteilte. Von der Politik forderte Schweitzer, dass Flüchtlinge während der Ausbildung und zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden. Derzeit kann die Ausländerbehörde für die Aufnahme einer Ausbildung eine Duldung zunächst für ein Jahr erteilen - und jeweils bei Bedarf verlängern.

Allerdings muss die Lehre vor dem 21. Lebensjahr begonnen werden. Auch diese Altersgrenze mache keinen Sinn, kritisierte Schweitzer. Zudem sei die Vorrangprüfung, nach der Deutsche und EU-Bürger bei Jobs Vorrang haben, eine „unnötige bürokratische Hürde“.

Generell dämpfte Schweitzer zu hohe Erwartungen. Vom Asylantrag bis zur vollen Integration in den Arbeitsmarkt dauere es zwischen sieben und zehn Jahre. Die Bereitschaft der Unternehmen, sich in dem Bereich zu engagieren, sei groß – aber auch das Bewusstsein, dass es ein langer Weg sei. „Wenn sie nicht Deutsch können, haben sie überhaupt keine Chancen“, sagte Schweitzer.

Viele syrische Flüchtlinge haben nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung einen erheblichen Bildungsrückstand. „Selbst nachdem sie Deutsch gelernt haben, werden viele dem Schulunterricht wohl nicht folgen können“, sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann, dem Blatt. Laut einer Studie, die Wößmann für die OECD erstellt habe, beherrschten 65 Prozent der Schüler in Syrien im Lesen oder Rechnen nicht die Grundkompetenzen. „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob sie die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung mitbringen“, sagte er.

Der DIHK wollte keine Prognose abgeben: Wie viele Flüchtlinge letztlich einen vollwertigen Arbeitsplatz haben werden, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Flüchtlinge würden aber wohl nicht in großem Stil als Hilfskräfte in den Unternehmen arbeiten, denn die Zahl der entsprechenden Jobs sinke im Hochlohnland Deutschland, so Schweitzer. Deswegen sei die Qualifizierung so wichtig.

Das DIHK-Programm kostet 20 Millionen Euro im kommenden Jahr und richtet sich an Flüchtlinge, die über die Schule oder das Jobcenter mit den Kammern in Kontakt kommen. Betriebsbesuche und Praktika sollen helfen. Die IHKs wollen unter anderem bei der Vermittlung in Einstiegsqualifizierung und Ausbildung unterstützen. Regional gebe es verschiedene Pilotprojekte, Förderfonds und etwa die Erfassung der individuellen Profile von Flüchtlingen.

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