Selten ist mit Zahlen und Daten derart viel Stimmung gemacht worden, wie mit diesen: Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen in Deutschland rund 22 Prozent weniger als Männer. Selten fehlt dann allerdings der Gegenangriff, und der ist ebenfalls munitioniert mit Statistik: Rechnet man nämlich heraus, dass Frauen häufig in schlechter bezahlten Branchen arbeiten, häufiger und Teilzeit und wegen Schwangerschaften nicht so schnell Karriere machen wie manche Männer, dann schrumpft diese Lohn-Lücke auf deutlich unter zehn Prozent.
Ein wesentlicher Teil der Lohnlücke wäre dann nicht mit Diskriminierung, sondern mit individuellen Lebensentscheidungen, Bildung oder gar schlicht Verhandlungsgeschick zu erklären.
Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern
Die Berechnung stützt sich allein auf den durchschnittlichen Stundenlohn. Aus den 21 Prozent lässt sich also nicht ableiten, dass alle Frauen in Deutschland 21 Prozent weniger als Männer verdienen. Die Qualifikation der Beschäftigten und ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten, wird nicht berücksichtigt. Daran stören sich Kritiker. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wendet zum Beispiel ein, die Berechnung sei „kein Indikator für mögliche Diskriminierung, denn er vergleicht eben gerade nicht vergleichbare Tätigkeiten miteinander“.
Die Statistiker führen rund zwei Drittel der Differenz darauf zurück, dass Frauen in eher schlechter bezahlten Berufen tätig sind - zum Beispiel als Reinigungskraft (Frauenanteil 85 Prozent) oder Verkäuferin (73 Prozent). Deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit, deutlich weniger in höheren Führungsebenen.
Das letzte Drittel der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern lässt sich daraus aber nicht erklären: Dem Statistischen Bundesamt zufolge verdienen Frauen auch bei ähnlicher Tätigkeit und Qualifikation im Schnitt sieben Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Das wird unter anderem damit erklärt, dass Frauen häufiger eine Auszeit vom Beruf nehmen - um sich um Kinder zu kümmern oder Angehörige zu pflegen. Und sie treten bei Gehaltsverhandlungen anders auf.
Denkbar schlecht. EU-weit betrug der Rückstand 2013 lediglich 16 Prozent. In Slowenien zum Beispiel verdienten Frauen im Schnitt 3,2 Prozent weniger als Männer, in Italien 7,3 Prozent. Nur in Estland (30 Prozent), Österreich (23 Prozent) und Tschechien (22 Prozent) war die Lücke noch größer als hierzulande.
Davon gehen Experten zumindest aus. „Wenn der Mindestlohn eingehalten wird, werden Frauen davon profitieren, weil eben der größere Teil derjenigen, die unter 8,50 Euro verdient haben, Frauen waren“, sagt Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Auch Hermann Gartner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erwartet einen solchen Effekt. Erhebungen gibt es aber noch nicht.
Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf festgelegt, die Entwicklung zumindest abzumildern. Ein Ziel ist demnach, dass Unternehmen ab 500 Beschäftigte künftig transparenter machen sollen, was Frauen und Männer verdienen. Einen Gesetzesentwurf gibt es allerdings noch nicht.
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat sich dennoch vorgenommen, diesen Graben zuzuschütten. Kurz vor dem SPD-Parteitag Mitte Dezember legte sie Eckpunkte eines Gesetzes vor, die genau den gewünschten Effekt hatte: die Genossen jubelten und die Wirtschaft lief Sturm.
Konkret will Schwesig mit ihrem sogenannten Entgeltgleichheitsgesetz folgendes: Arbeitnehmer (egal, ob Mann oder Frau) bekommen künftig ein Auskunftsrecht, was Kollegen in vergleichbarer Position verdienen, um künftig besser verhandeln zu können; Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen zudem über die Geschlechter-Lücke in ihren Häusern mit Berichten Rechenschaft ablegen.
Ebenfalls umstritten sind weitere Vorstöße: So sollen künftig in Stellenanzeigen die Mindestgehälter angegeben und Mitarbeiter von der Schweigepflicht entbunden werden, falls sie über ihr Einkommen sprechen wollen.
Das Entgeltgesetz dürfte zu heftigen Kontroversen führen: Weil die Details so kompliziert sind, taugt der Plan für beide Seiten zur Profilierung: Die SPD will sich als Vorkämpferin für Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte positionieren, die Union wieder als Lordsiegelbewahrer der Unternehmensinteressen, die Bürokratiewahn geißeln.
Diese Schlachtordnung in einem Jahr mit fünf Landtagswahlen und einer heranziehenden Bundestagswahl verspricht blutige Duelle – rein politisch, natürlich.