Die Mindestlohnkommission entscheidet über die Höhe der Lohnuntergrenze für 2017. Die Grundlage bildet der Tarifindex, er ist um 3,2 Prozent gestiegen. Gewerkschaften fordern einen Mindestlohn von 8,87 Euro. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer entscheidet über die Anpassung?
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat aus ihrer Skepsis gegenüber einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nie einen Hehl gemacht. Weil es aber zu viele „weiße Flecken“ in der Tariflandschaft gibt, ließ sie sich vom Koalitionspartner SPD überzeugen und machte mit. Doch die staatliche Lohnfindung soll ein einmaliger ordnungspolitischer Sündenfall bleiben.
Deshalb entscheidet über die Anpassung nun die unabhängige Mindestlohnkommission. Ihr gehören je drei Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter sowie der frühere RWE-Arbeitsdirektor Jan Zilius als Vorsitzender an. Zwei Wissenschaftler haben als beratende Mitglieder kein Stimmrecht. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzt die Entscheidung anschließend nur per Rechtsverordnung um.
Fakten zum Mindestlohn
Seit dem 1. Januar 2015 soll der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro vor Dumpinglöhnen schützen. Er war ein zentrales SPD-Wahlkampfversprechen.
Der Mindestlohn gilt nicht für Unter-18-Jährige ohne Berufsabschluss, Azubis sowie Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung. Pflicht- und freiwillige Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten sind ausgenommen.
Bis Ende 2016 dürfen Branchen mit länger laufenden Tarifverträgen befristet vom Mindestlohn nach unten abweichen. Zeitungszusteller erhalten die 8,50 Euro erst von 2017 an: 2015 sind es 75 Prozent davon. Im Jahr darauf sollen es 85 Prozent sein.
Die Wirtschaft warnt vor Bürokratiekosten und Jobverlust. Gewerkschaften erwarten eine Konjunkturstütze durch steigenden Konsum. Bei rund 3,7 Millionen Beschäftigten sollen die Löhne steigen.
Der Mindestlohn wird weiterentwickelt: Alle zwei Jahre soll er an die Tarifentwicklung in Deutschland angepasst werden. Die dafür zuständige Mindestlohn-Kommission will Erhöhungen im Konsens zwischen Arbeitgebern und -nehmern vorschlagen.
Worüber gibt es Streit?
Nach dem Gesetz und ihrer eigenen Geschäftsordnung orientiert sich die Kommission daran, wie sich die tariflichen Stundenentgelte in den 18 Monaten seit Inkrafttreten des Mindestlohns Anfang 2015 verändert haben. Der entsprechende Index des Statistischen Bundesamtes ist um 3,2 Prozent gestiegen. Der Mindestlohn müsste demnach um 27 Cent auf 8,77 Euro steigen. Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter streiten aber noch darüber, ob nicht zumindest der Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes noch einfließen müsste, der ab März 2016 Gehaltssteigerungen von 2,4 Prozent vorsieht.
Die Bundesstatistiker berücksichtigen in ihrem Index aber nur Abschlüsse, die tatsächlich schon ausgezahlt werden. Wegen der schleppenden Lohnbuchhaltung in den Städten und Gemeinden passiert das aber erst mit der Juli-Abrechnung. Inklusive des Abschlusses im öffentlichen Dienst würde der Mindestlohn um 33 Cent auf 8,83 Euro steigen. Die Gewerkschaften hatten zudem gefordert, auch den Abschluss der Metall- und Elektroindustrie noch einzubeziehen, obwohl der erst am 1. Juli in Kraft tritt und damit knapp außerhalb der Frist liegt. Würde auch er noch berücksichtigt, stiege der Mindestlohn um 37 Cent auf 8,87 Euro.
Von der Orientierung am Tariflohnindex kann die Kommission nur abweichen, „wenn besondere, gravierende Umstände aufgrund der Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung vorliegen“. Darüber muss das Gremium mit Zweidrittelmehrheit entscheiden; Arbeitgeber und Gewerkschafter sind also auf mindestens eine Stimme aus dem jeweils anderen Lager angewiesen. Bei der Entscheidung über die Anpassung muss die Kommission aber auch einen „angemessenen Mindestschutz“ der Arbeitnehmer, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen und die Beschäftigungssicherung im Blick behalten.