Mineralöl-Konzerne Benzinmarkt nur schwer zu entflechten

Deutsche Autofahrer zahlen für Benzin zu viel Geld. Das hat das Kartellamt herausgefunden. Nun fordern Politiker Konsequenzen in Form eines Entflechtungsgesetzes. Volkswirte sehen darin kein wirkungsvolles Instrument.

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Ein Tropfen Kraftstoff hängt Quelle: dpa

Der Wettbewerb an den Tankstellen funktioniert nicht. Das ist das Ergebnis der mehrjährigen Studie des Bundeskartellamtes. Zwar gebe es keine direkten Preisabsprachen, doch die fünf großen Konzerne reagieren zeitnah auf Preisschwankungen der Konkurrenz. Regierungspolitiker, wie der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Martin Lindner fordern nun ein Entflechtungsgesetz, um die oligopolistische Strukturen auf dem Benzinmarkt aufzubrechen.

Damit soll das Bundeskartellamt die Befugnis bekommen, Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zu zerschlagen, selbst wenn kein Missbrauch der Marktmacht vorliegt. Auf eine solche Regelung hatten sich Union und FDP im Koalitionsvertrag grundsätzlich verständigt. Der frühere Bundeswirtschaftsminister und jetzige Fraktionschef der Liberalen, Rainer Brüderle, konnte sie bislang nicht durchsetzen.

„Ein Entflechtungsgesetz kann ein legitimes Mittel sein, um den Wettbewerb zu stärken“, sagt Volkswirt Prof. Dr. Ulrich Schwalbe, Leiter der Forschungsstelle für Wettbewerbspolitik und Wirtschaftsrecht  an der Universität Hohenheim. „Das gilt aber nicht für den Benzinmarkt.“

Nachfrage ist konstant

Denn Benzin sei ein homogenes Gut. Es gebe an den Tankstellen kaum Qualitätsunterschiede, die Nachfrage sei im Großen und Ganzen relativ konstant – und es gibt keine Großaufträge, um die die Anbieter streiten könnten. Zudem herrscht große Transparenz an der Tanksäule, die Preise sind schon von Weitem zu sehen oder auf Webseiten abzufragen. „Das ist gut für den Kunden. Allerdings können sich so auch die Konkurrenten denkbar einfach beobachten“, weiß Schwalbe.

Die Folge: Rechtswidrige Kartelle konnte das Kartellamt nicht feststellen. Preisabsprachen sind aufgrund der Transparenz gar nicht nötig.

Ohne Furcht vor Sanktionen können die fünf großen Konzerne weiter den Markt bestimmen. Konkret sind dies Aral und Shell mit jeweils 22 bis 23 Prozent Marktanteil, Jet mit gut 10 Prozent, sowie Total und Esso mit je sieben bis acht Prozent. „Den Markt zu entflechten würde bedeuten, die beiden Marktführer anzugehen“, so Schwalbe. Praktisch heißt das: Das Kartellamt könnte bei einer entsprechenden politischen Gesetzesinitiative die beiden Unternehmen die Auflage erteilen, sich aufzuspalten. „Statt fünf Konzerne hätten wir dann sieben, die alle bei etwa zehn Prozent Marktanteil liegen würden. Ich bin skeptisch, dass sich sieben gleich mächtige Unternehmen einen echten Wettbewerb liefern würden.“

Entflechtungsgesetze seien zudem ein „schweres Geschütz“, juristisch aber durchsetzbar, so Schwalbe. Ein freier Markt sei schließlich ein hohes, schützenswertes Gut. Firmen dürften nicht enteignet, wohl aber unter Umständen aufgefordert werden, sich von Marktanteilen zu trennen. So geschehen etwa in den USA. Der Telekommunikationskonzern AT&T hatte lange Zeit eine Monopolstellung in den Vereinigten Staaten und Kanada. 1984 wurde er in sieben unabhängige regionale Gesellschaften aufgeteilt. „Leider ist der Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt deutlich ausgeprägter. Auch, weil Kundenbewegungen von einem Anbieter zum anderen keine Seltenheit sind“, sagt Schwalbe.

Kaum Hoffnung auf Besserung

Dass sich der Benzinmarkt in naher Zukunft für mehr Wettbewerb öffnen lässt, hält Schwalbe für „nicht sehr wahrscheinlich“. Um zumindest etwas Druck auf die Konzerne auszuüben bleibt den Verbrauchern nur, preisbewusst zu tanken, so der Volkswirt. „Autofahrer sollten dort tanken, wo es günstig ist. Und wenn der Preis günstig ist auch dann, wenn der Tank noch nicht ganz leer ist.“

Als weitere gesetzliche Regulierungsvariante brachte FDP-Politiker Lindner auch das österreichische Modell ins Spiel: Dort darf der Preis nur einmal am Tag geändert werden.

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