Im anhaltenden Mitgliederschwund bei fast allen Bundestagsparteien sieht der Berliner Politologe Oskar Niedermayer kein Zeichen von Politikverdrossenheit. „Es gibt heute viel mehr Möglichkeiten als früher, sich politisch zu engagieren“, sagte der Parteienforscher an der Freien Universität Berlin (FU) der Deutschen Presse-Agentur. Dem stünden aber nicht mehr Menschen gegenüber, die sich engagierten. „Viele Organisationen buhlen um dieselben Leute, darunter die Parteien.“ Mit Ausnahme der Grünen haben 2012 alle Bundestagsparteien Mitglieder verloren, am deutlichsten die CDU – fast 10.000 im Vergleich zum Vorjahr.
Für 2011 hat Niedermayer den auffälligen Schwund bereits genau analysiert und mit dem Stand zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 1990 verglichen. Am stärksten traf es danach die Linke. Sie hatte - trotz des Zuwachses durch die Vereinigung von PDS und WASG - Ende 2011 über drei Viertel weniger Mitglieder als die PDS Ende 1990. Der SPD ging in diesem Zeitraum nahezu die Hälfte ihrer Mitglieder von der Fahne. Die FDP verlor nach Niedermayers Daten seit 1990 mehr als drei Fünftel ihrer Mitglieder. Bei der CDU waren es fast zwei Fünftel und bei der CSU annähernd ein Fünftel. Einzig die Grünen konnten ihre Mitgliederzahl seit 1990 steigern - um satte 43 Prozent.
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CDU-Generalsekretär, Kurswächter
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2012 haben sich die Trends bei Bundestagsparteien fortgesetzt. Die SPD ist mit rund 483.000 Mitgliedern (2011: 489.638) zur mitgliederstärksten Partei geworden. Dicht dahinter - und nicht mehr davor - liegt nun die CDU mit rund 480.000 Mitgliedern (2011: 489 896). Recht stabil mit nur leichten Verlusten präsentiert sich die CSU mit rund 150 000 (2011: 150.585). Dann kommt die Linke mit 65 000 (2011: 69.458). Der FDP liegen noch keine Zahlen fürs Gesamtjahr vor, aber bis Ende Juni war die Partei um rund 3.000 Mitglieder auf gut 60.000 geschrumpft (2011: 63.123). Einzig die Grünen machten kein Minus: Ihre Zahl blieb stabil - bei circa 60.000.
Die Steinbrück-Boys
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„Der Mitgliederschwund ist nicht nur auf eine einzige Ursache zurückzuführen“, erklärte Niedermayer. Dahinter stecke auch ein längerfristiger Wandel der Gesellschaft. Bis in die 1960er Jahre hinein habe es noch soziale Milieus - zum Beispiel Arbeiter oder Katholiken - gegeben. Eine Bindung, die auch einen Eintritt in eine dazu passende Partei nahelegte. „Heute haben wir eine individualisierte Gesellschaft“, sagte Niedermayer. Die Zeiten, in denen eine Partei wie die SPD eine Million Mitglieder hatte, seien unwiederbringlich vorbei.