Parteien müssten sich also darauf einstellen, mit weniger Mitgliedern auszukommen, urteilte der Politologe. „Trotzdem müssen sie versuchen, sie zu halten. Mitglieder sind das Standbein. Ohne sie verlieren Parteien ihre Verankerung in der Gesellschaft.“
Für Parteiverdrossenheit hält der Uni-Forscher die Entwicklung nicht. „Da sollte man vorsichtig sein, auch bei jungen Leuten“, sagte Niedermayer. „Nur zwei bis vier Prozent der Bevölkerung lehnen Bundestagsparteien komplett ab.“ Junge Leute seien heute nicht politikmüde, sie mieden eher feste Organisationsstrukturen. „Wer die Welt verbessern möchte, will im Ortsverband nicht mit Leuten über 50 über die Abwasserzweckverbandsabgabe diskutieren.“
Die Jugend suche andere Stile: etwas, das kurzfristig greife, Spaß mache und ein sichtbares Ergebnis bringe. „Die Piraten zeigen, dass es möglich ist, junge Leute mit dem Thema Internet zu begeistern“, sagte Niedermayer. 20.000 stimmberechtigte Mitglieder haben die Piraten im Moment – allerdings bei nachlassender Begeisterung.
Große etablierte Parteien könnten ihren Mitgliederschwund vielleicht stoppen, wenn sie mehr Schnupperangebote und projektbezogenes Mitarbeiten möglich machten, regte Niedermayer an. Richtig schlechte Karten hätten zur Zeit nur Parteien wie die FDP. „Leute gehen nicht in eine Partei, die dauernd in Negativschlagzeilen ist. Man will nicht zu den Verlieren gehören“, sagte der FU-Forscher.
Umgekehrt funktioniere es bei den Grünen: Besonders seit Fukushima könnten sie mit ihrem Kernthema Atompolitik punkten – und neue Mitglieder anlocken.