Möglicher AfD-Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern Warum der CDU eine Katastrophe mit Ansage droht

Die AfD vor der CDU – so könnte das Ergebnis bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern aussehen. Was eine Niederlage für die Union bedeutet – und warum Angela Merkel eine schwere Zeit bevorsteht. 

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Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern. Quelle: dpa Picture-Alliance

Noch vor einem Jahr wurden die Parteichefs der AfD belächelt, wenn sie sagten, dass sie eine kleine Volkspartei anführen würden. Mittlerweile hat sich die Lage grundlegend geändert. Bei den drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im Frühjahr war die AfD der große Gewinner. In den Magdeburger Landtag zog die Partei gar mit über 24 Prozent der Wählerstimmen ein, was sie dort zur zweitstärksten Kraft macht.

Am kommenden Sonntag könnte die Partei erneut triumphieren, wenn in Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird. In den Umfragen liegt die Partei derzeit an zweiter Stelle – vor der Union und nur einige Punkte hinter der SPD. Dass die AfD die Sozialdemokraten hinter sich lassen kann, haben wir in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt bereits erlebt. Dass sie nun aber auch die CDU überholen könnte, löst bei vielen Christdemokraten schlichtweg Panik aus.

Die Sprüche der AfD

Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Technischen Universität in Dresden spricht von eines der am „leichtesten erklärbaren Debakel unserer etablierten Parteien“. Wenn die AfD im Nordosten und eine Woche später im Stadtstaat Berlin erfolgreich sein sollte, wäre sie in allen ostdeutschen Landesparlamenten vertreten und hätte sich als demokratisch legitimierte Partei rechts von der Union etabliert. „Das ist nicht gerade ein Meisterwerk innenpolitischer Führungskunst der CDU-Vorsitzenden“, urteilt Patzelt.

Im Sommer vor einem Jahr schien die Alternative für Deutschland nach einem langen Führungsstreit, der zur Spaltung führte, bereits erledigt zu sein. In den bundesweiten Umfragen lag die Partei damals zwischen zwei und vier Prozent, also deutlich unter der Fünf-Prozenthürde. Dann erreichten immer mehr Flüchtlinge Deutschland und die Bundeskanzlerin entschied sich für eine Politik der offenen Grenzen, Flüchtlinge und Migranten wurden nicht zurückgewiesen.

Diese politische Gemengelage war der ideale Nährboden für die AfD. Zwar hat auch die CSU eine Obergrenze für Flüchtlinge und eine insgesamt restriktivere Flüchtlingspolitik gefordert. Doch die Christsozialen sind auf Bayern beschränkt. Und die AfD überbietet die CSU oftmals noch in ihren Forderungen und wird daher als tatsächliche Alternative zu den etablierten Parteien in Punkto Flüchtlingspolitik wahrgenommen.

 

Zwar hat Merkel mit Hilfe der Türkei die Flüchtlingszahlen deutlich reduzieren können, die anfängliche Euphorie, die sich unter dem Stichwort Willkommenskultur zusammenfassen lässt, ist aber längst verflogen – auch bei der Kanzlerin. Doch kann sie sich nach Ansicht Patzelts nicht von ihrer eigenen Politik verabschieden. „Wenn sich die Kanzlerin weitgehend von ihrer Flüchtlingspolitik distanzierte, bekäme sie ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem. Wer ihre Politik verteidigte, fühlte sich verraten; und wer jetzt zur AfD neigt, glaubt Merkel ohnehin nicht mehr. Die CDU-Vorsitzende kann also jetzt nicht mehr zurück. Sie hat sich in eine Falle begeben“, sagt der Politikwissenschaftler.

Die AfD dürfte einen Anti-Merkel-Wahlkampf im Bund planen

Patzelt ist überzeugt, dass sich die AfD wohl nur noch selbst besiegen kann. „Die CDU war so arrogant zu glauben, dass sich rechts neben ihr langfristig keine Partei halten könne.“ Doch die meisten Mitglieder und Wähler der AfD seien eben keine Nazis. „Und deshalb ist die traditionelle Ausgrenzungsstrategie gescheitert“, sagt Patzelt.

Doch wie könnte sich die Partei „selbst besiegen“? Immerhin scheint die politische Grundregel, eine zerstrittene Partei kann keine Wahl gewinnen, außer Kraft gesetzt zu sein. Der Streit in der Führungsspitze schadet der AfD seit Monaten nicht. Die Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen können wenig miteinander anfangen und zeigen das auch in aller Öffentlichkeit. In den Umfragen bleibt die AfD aber stabil.

Die Christdemokraten werden nur dann Wähler von der AfD zurückgewinnen können, wenn sie sich programmatisch anders aufstellen, glaubt Patzelt. „Die Union sollte versuchen, im rechten Lager die intellektuelle Hegemonie neu zu erringen. Dafür müsste sie Patriotismus als Integrationsmittel einer Einwanderungsgesellschaft pflegen und beispielsweise als Motto ausgeben: Aus zugewanderten Syrern sollen syrische Deutsche werden - spätestens in der zweiten Generation“, erklärt Patzelt. Die Partei solle sich auch überlegen, ob die doppelte Staatsbürgerschaft diesem Ziel eher nützt oder eher schadet. „Dann hat sie eine gewisse Chance, jetzige AfD-Wähler wieder an sich zu binden“, sagt Patzelt.

 

Für Kanzlerin Merkel bedeutet der wahrscheinliche AfD-Wahlerfolg in Mecklenburg-Vorpommern, dass der Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr deutlich steiniger wird als in den Jahren 2013 und 2009. „Wenn sie wieder antritt, wird das ein sehr schwieriger Wahlkampf für sie“, sagt Patzelt. Vor einem Jahr galt Merkel noch als unangreifbar, mittlerweile ist aber der Verdruss über die eigene Kanzlerin in der Union deutlich zu spüren. „Und die AfD ruft jetzt schon: Merkel muss weg", sagt Patzelt. Der kommende Sonntag wird Merkels Konkurrenz von rechts in ihrer Meinung weiter bestärken.

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