Münchner Sicherheitskonferenz Entwicklungshilfe ist keine Sicherheitspolitik

Die Bundesregierung redet den niedrigen Verteidigungshaushalt schön. Aber Sicherheit lässt sich nicht entmilitarisieren.

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Mike Pence (l), Angela Merkel (r). Quelle: dpa

Die Bundesregierung scheint eine Antwort gefunden zu haben auf die amerikanische Forderung nach erhöhten Verteidigungsanstrengungen. Sie kommt von Sigmar Gabriel und wurde bei „Anne Will“ auch von Klaus Scharioth, dem früheren deutschen Botschafter in Washington, propagiert: Man müsse gefälligst auch Deutschlands Ausgaben für die Flüchtlinge und für Entwicklungshilfe zu den Verteidigungsausgaben addieren. Die dienten schließlich auch der internationalen Stabilität und Sicherheit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel vertrat diese Position auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie sprach von einem angeblich umfassenderen Sicherheitsbegriff, "der weit mehr ist als die Verteidigung". Sie glaubt, Sicherheit für Deutschland dadurch schaffen zu können, "dass Menschen anderswo vernünftig, gut leben können."

Dieser Merkelsche Sicherheitsbegriff ist jedoch eher eine fromme und spezifisch deutsche Wunschvorstellung als erwiesene Wirklichkeit. Er beruht eher auf dem tief verinnerlichten Antimilitarismus Deutschlands nach 1945 als auf der Realität. Oder will man ernsthaft weismachen, dass die Öffnung der deutschen Grenzen für syrische Flüchtlinge aus der Türkei irgendeinen Beitrag dafür leiste, den Syrienkrieg zu verkürzen? Auch gibt es – leider – große Zweifel an der stabilisierenden, Fluchtursachen beseitigenden Wirkung staatlicher Entwicklungshilfe in Afrika. Die neuere Migrationsforschung legt eher nahe, dass gerade der leicht gestiegene Wohlstand in Afrika und anderen Ländern die Auswanderungslust vieler Menschen dort befeuert.

Die Akteure im Syrien-Konflikt

Und schon gar nicht ist einsehbar, wie diese deutschen Ausgaben für Afrika und Zuwanderung diejenigen Akteure abschrecken sollte, gegen die die gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen der NATO in erster Linie gerichtet sind: nämlich vor allem das aggressive Russland.

Nein, es ist eine geradezu kontrafaktische Vernebelung der politischen Kategorien, Militärausgaben, karitative Zuwanderungsalimente und Entwicklungshilfe (neuerdings „Bekämpfung von Fluchtursachen“ genannt) in einen Topf zu werfen. Auch für die Streitkräfte des friedliebenden Deutschland gilt die banale Tatsache: Streitkräfte sind keine humanitäre Einrichtung, sondern haben den Zweck, einem potentiellen Feind, Zerstörung und Tod beizubringen oder sie ihm glaubwürdig anzudrohen, falls er die eigene Sicherheit bedroht. Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil von Entwicklungshilfe und Sozialleistungen für Einwanderer. 

Rechtfertigung und Eskapismus

Zu erklären ist die Vernebelungsaktion der Bundesregierung durch zwei mögliche Motive. Zunächst dient sie vermutlich der nachträglichen Rechtfertigung und kommunikativen Einbettung der  Grenzöffnungspolitik von 2015, die nicht nur bei einem wachsenden Teil der eigenen Bevölkerung, sondern auch bei fast allen verbündeten Staaten bestenfalls mit Befremden aufgenommen wurde. Nachdem Berlin erst vergeblich versuchte, die Europäer zum Einschwenken auf ihre Öffnungspolitik zu bewegen, gilt es nun, diesen Alleingang als im europäisch-westlichen Interesse darzustellen.

In dem Wunsch nach Anrechnung humanitärer Geldleistungen aufs unterfinanzierte Militärkonto kommt aber nicht zuletzt auch der alte sicherheitspolitische Eskapismus der Bundesrepublik wieder zum Tragen. Wie ihre Vorgängerinnen unter Kohl und Schröder glaubt die Bundesregierung offensichtlich, deutsches militärisches Handeln auf ein Minimum beschränken zu müssen – und selbst das am liebsten noch möglichst unmilitärisch erscheinen zu lassen. Während des Golfkrieges kaufte sich Kohl mit Milliardenzahlungen von der militärischen Teilnahme ganz frei. Aber auch zu Anfang des Afghanistan-Einsatzes erbat man sich von den Verbündeten, die Bundeswehr möglichst vor direkten Kampfhandlungen zu verschonen. Ganz klappte das dann bekanntlich nicht.

Die erstaunlich zahlreiche Präsenz deutscher Konzernlenker auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt, dass auch in der Wirtschaft das Bewusstsein dafür gewachsen ist, dass Sicherheit die Grundlage nicht nur für die Freiheit sondern auch für eine funktionierende Marktwirtschaft ist. Charles-Edouard Bouée, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, nannte politische Unsicherheit als das „größte Risiko“ für die Wirtschaft.

Diese Sicherheit kann nur ein starker Staat leisten. Bisher haben die USA diese Rolle weitgehend auch für Deutschland übernommen. Unter Donald Trump scheint das nicht mehr  uneingeschränkt der Fall zu sein. In Deutschland, das unter dem Schirm der USA und unter der Last der eigenen Geschichte gewohnt ist, Politik als moralische Entscheidung für das Gute zu betrachten, scheint man immer noch nicht wirklich klar darüber zu sein, was es bedeutet, Sicherheitsverantwortung zu übernehmen. Sie ist nicht darauf gerichtet die Welt „besser“ zu machen, wie es Merkel anmahnte, sondern sicherer. Diese Aufgabe lässt sich nicht entmilitarisieren.

Sie beruht schließlich darauf, allen potentiellen Gefährdern dieser Sicherheit glaubwürdig zu demonstrieren, dass man im äußersten Fall zum Einsatz von Gewaltmitteln bereit ist. Wäre Deutschland das?

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