Münchner Sicherheitskonferenz Entwicklungshilfe ist keine Sicherheitspolitik

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Rechtfertigung und Eskapismus

Zu erklären ist die Vernebelungsaktion der Bundesregierung durch zwei mögliche Motive. Zunächst dient sie vermutlich der nachträglichen Rechtfertigung und kommunikativen Einbettung der  Grenzöffnungspolitik von 2015, die nicht nur bei einem wachsenden Teil der eigenen Bevölkerung, sondern auch bei fast allen verbündeten Staaten bestenfalls mit Befremden aufgenommen wurde. Nachdem Berlin erst vergeblich versuchte, die Europäer zum Einschwenken auf ihre Öffnungspolitik zu bewegen, gilt es nun, diesen Alleingang als im europäisch-westlichen Interesse darzustellen.

In dem Wunsch nach Anrechnung humanitärer Geldleistungen aufs unterfinanzierte Militärkonto kommt aber nicht zuletzt auch der alte sicherheitspolitische Eskapismus der Bundesrepublik wieder zum Tragen. Wie ihre Vorgängerinnen unter Kohl und Schröder glaubt die Bundesregierung offensichtlich, deutsches militärisches Handeln auf ein Minimum beschränken zu müssen – und selbst das am liebsten noch möglichst unmilitärisch erscheinen zu lassen. Während des Golfkrieges kaufte sich Kohl mit Milliardenzahlungen von der militärischen Teilnahme ganz frei. Aber auch zu Anfang des Afghanistan-Einsatzes erbat man sich von den Verbündeten, die Bundeswehr möglichst vor direkten Kampfhandlungen zu verschonen. Ganz klappte das dann bekanntlich nicht.

Die erstaunlich zahlreiche Präsenz deutscher Konzernlenker auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeigt, dass auch in der Wirtschaft das Bewusstsein dafür gewachsen ist, dass Sicherheit die Grundlage nicht nur für die Freiheit sondern auch für eine funktionierende Marktwirtschaft ist. Charles-Edouard Bouée, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, nannte politische Unsicherheit als das „größte Risiko“ für die Wirtschaft.

Diese Sicherheit kann nur ein starker Staat leisten. Bisher haben die USA diese Rolle weitgehend auch für Deutschland übernommen. Unter Donald Trump scheint das nicht mehr  uneingeschränkt der Fall zu sein. In Deutschland, das unter dem Schirm der USA und unter der Last der eigenen Geschichte gewohnt ist, Politik als moralische Entscheidung für das Gute zu betrachten, scheint man immer noch nicht wirklich klar darüber zu sein, was es bedeutet, Sicherheitsverantwortung zu übernehmen. Sie ist nicht darauf gerichtet die Welt „besser“ zu machen, wie es Merkel anmahnte, sondern sicherer. Diese Aufgabe lässt sich nicht entmilitarisieren.

Sie beruht schließlich darauf, allen potentiellen Gefährdern dieser Sicherheit glaubwürdig zu demonstrieren, dass man im äußersten Fall zum Einsatz von Gewaltmitteln bereit ist. Wäre Deutschland das?

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