Nach den Übergriffen in Köln 7 Fragen entscheiden über ein politisches Leben

Nach der Entlassung des Kölner Polizeipräsidenten gerät NRW-Innenminister Ralf Jäger selbst in den Fokus. An diesen Fragen entscheidet sich nun seine politische Karriere.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) während einer Pressekonferenz in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).  Quelle: dpa

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat nach den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof erste Konsequenzen gezogen. Er versetzte den Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand.

Jäger selbst ist damit aber keineswegs aus der Verantwortung. Nach wie vor gibt es viele offene Fragen zu den konkreten Abläufen in der Nacht und an den folgenden Tagen. Am Montag muss Jäger deshalb dem Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags Rede und Antwort stehen.

Was Flüchtlinge dürfen

Nur wenn er auf die entscheidenden Frage glaubwürdig antwortet, ist Jäger für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu halten. An diesen Fragen wird sich seine Zukunft wohl entscheiden.

Wofür trägt Albers die Verantwortung?

Für Jäger ist es eine einfache Rechnung: Je mehr Fehler auf das Konto des geschassten Präsidenten gehen, desto weniger bleibt an ihm selbst hängen.

Bis dato ist Albers Rolle aber relativ unklar. Auch wenn der Polizeipräsident es bis zuletzt bestritt, wird es ihm angelastet, die Herkunft der Täter verschleiert zu haben.

Zwar stießen die Polizisten offenbar bei der Feststellung der Personalien auf viele BAMF-Papiere, mit denen sich Flüchtlinge ausweisen können. Dennoch sprach Albers zunächst davon, dass die Herkunft der Täter unklar sei und es keine Hinweise gebe, dass es sich bei ihnen um Flüchtlinge gehandelt habe.

Zudem wird kolportiert, Albers persönlich habe am Silvesterabend eine dringend notwendige Aufstockung der Polizei abgelehnt. Das ist aber nicht eindeutig geklärt, auch ist nicht sicher, ob die Verschleierung der Herkunft der Täter tatsächlich seine Idee war oder auf Weisung aus dem Ministerium hin geschah.

Wer gab die Anweisung, die Vorgänge der Silvesternacht zu verheimlichen?

Am Ende könnte sich Jägers Schicksal entscheiden, sobald endgültig klar wird, wer für die Kommunikation der Behörden am Neujahrstag die Verantwortung trägt. Da hatte die Kölner Polizei eine Pressemitteilung veröffentlicht, die in den Ohren der Opfer vom Vorabend wie Hohn klingen muss.

Von 'ausgelassener Stimmung' war dort die Rede. Die Räumung des Bahnhofsvorplatzes wurde zwar erwähnt - die sexuellen Übergriffe jedoch nicht.

Fraglich ist nun, wer für diese offenbar bewusste Fehlkommunikation verantwortlich war. Es könnte Albers gewesen sein, aber auch das Landesinnenministerium. Theoretisch ist sogar möglich, dass es sich um eine echte Panne handelte.

Die Kontrollen, bei denen auch Herkunft der Täter klar wurde, führte wohl die Bundespolizei durch, die für das Bahnhofsgebäude und die ersten 30 Meter davor verantwortlich war. Es könnte sein, dass diese Information die berichterstattende Landespolizei schlicht nicht erreichte oder das die Kommunikation von Seiten der Bundespolizei bewusst zurückgehalten wurde. Dann müsste man die Verantwortung im Bundesinnenministerium suchen.

Was passierte zwischen Silvester und der ersten Pressekonferenz am 4. Januar?

Aktuell beruft sich Jäger unausgesprochen darauf, mehr oder weniger den gleichen Informationsstand wie die Öffentlichkeit gehabt zu haben. Sollte Jäger jedoch bereits vor der Pressekonferenz vom 4. Januar den Hintergrund der kontrollierten Personen gekannt haben, wäre er in Erklärungsnöten.

Denn auf der Pressekonferenz erklärten Polizeipräsident Albers und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, dass es noch keine Erkenntnisse über die Täter gebe. Dies hätte der Innenminister dann korrigieren können. Das gilt im Übrigen auch für die Oberbürgermeisterin, die die örtlichen Polizeibehörden in einem Interview mit dem Spiegel scharf angreift.

Wer folgt auf Polizeipräsident Albers?

Diese Frage könnte vor allem mit einigem Abstand von den konkreten Vorfällen wichtig werden. Denn die Probleme in der Silvesternacht brachten die Kölner Behörde ja nicht zum ersten Mal in die Schlagzeilen.

Schon bei einer aus dem Ruder gelaufenen Hooligan-Demonstration fiel sie durch schlechte Organisation auf.

Innenminister Jäger wird mittelfristig also auch daran gemessen, ob es ihm gelingt, die Behörde erfolgreich umzuorganisieren. Dafür dürfte er aber Zeit bekommen.

Wie erfolgreich ist die Polizei damit, die Täter der Silvesternacht zu überführen?

Das Gleiche dürfte für die Überführung der Täter gelten. Zwar ist der öffentliche Druck derzeit groß, schnell Ermittlungsergebnisse zu präsentieren. Dennoch ist es angesichts der komplizierten Ausgangslage für die Ermittlung der Sexualdelikte - Dunkelheit, vage Täterbeschreibungen, extrem viele Beteiligte - nachvollziehbar, wenn die Ermittlungen etwas länger dauern.

Jäger kann über diesen Punkt fast nur stolpern, wenn er sich zu früh auf die falschen Verdächtigen festlegt - oder die Ermittlungen offensichtlich verschleppt.

Wie agiert die Polizei beim nächsten Großereignis?

An Karneval wird die Kölner Polizei unter besonderer Beobachtung stehen. Der Rosenmontagszug etwa zählt zu den größten Straßenumzüge in Europa und zieht jedes Jahr rund eine Million Zuschauer an.

Ein erneuter Zwischenfall wie in der Silvesternacht könnte das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei und Innenminister Jäger nachhaltig beschädigen. Im Vorfeld verspricht die Polizei Sicherheit und zusätzliche Kontrollen. Man werde “pro-aktiv große Gruppen auflösen”, sagte Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei.

Dass die Großveranstaltungen unter besonderer Beobachtung stehen, wissen auch potenzielle Täter. Es scheint daher eher unwahrscheinlich, dass sich Zwischenfälle im Ausmaß der Silvesternacht wiederholen werden.

Wappnen sollten sich aber auch die Behörden in Düsseldorf oder Mainz.

Gibt es andere Kritikpunkte an Jägers Amtsführung?

Dem Minister kommt in der Affäre zu Gute, dass er grundsätzlich einen relativ starken Stand in der Koalition hat. Auch die für ihn bisher kritische Situation in der Flüchtlingskrise, als einige Sicherheitsmänner sich in der Unterkunft Burbach an Flüchtlingen vergingen und Fotos von den Erniedrigungen an die Presse gelangten, überstand er unbeschadet.

Der Innenminister kündigte damals umgehend die Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Dienstleister und ließ viele andere Sicherheitsmitarbeiter überprüfen.

Zudem hat Jäger innerhalb seiner Partei einen starken Rückhalt. Er startet daher mit einem ordentlichen Vertrauensvorschuss in die Aufarbeitung der Kölner Silvesternacht. Sollte er nicht direkt in die Vertuschung verwickelt gewesen sein, dürften seine Chancen daher ganz gut stehen, die Affäre unbeschadet zu überstehen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%