Nach den Wahlen in USA und Deutschland Die Identitätssuche der Linken

Die US-Journalistin Lisa Hagen arbeitet derzeit im Handelsblatt-Hauptstadtbüro und hat Parallelen zwischen der deutschen und der US-Wahl beobachtet. Vor allem das linke Spektrum steht nun vor ähnlichen Herausforderungen.

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Lisa Hagen ist Reporterin für „The Hill“ in Washington D.C. und derzeit Gast in der Handelsblatt-Redaktion.

Berlin Von dem Moment in dem ich in Deutschland ankam, wusste ich, wie anders es im Vergleich zu meiner Erfahrung als Kampagnenreporterin in den USA werden würde, eine Wahl in Deutschland mitzuerleben. Es stand bereits fest, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in eine vierte Amtszeit gewählt werden würde, es war sehr wahrscheinlich, dass der Bundestag auf sieben Parteien anschwellen und die extrem rechte Alternative für Deutschland (AfD) erstmals auf Bundesebene ins Parlament einziehen würde.

Ich staunte über die Menge von Wahlplakaten, die Berlins Straßen überfluteten. Ich beobachtete wie die einzige TV-Debatte zwischen den beiden aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten die Schläfrigkeit des Wahlkampfes noch bestätigte. Vieles war sehr anders zu dem, was ich vom amerikanischen Wahlkampf als Reporterin gewohnt war.

Doch nach zwei Monaten, in denen ich viel über deutsche Politik und Regierung gelernt und geschrieben habe, zeigt sich, dass die USA und Deutschland auch einiges gemeinsam haben und sie nach ihren Wahlen mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben.

US-Präsident Donald Trump hat die Art, wie Wahlkämpfe in den USA ablaufen, umgeschrieben. Er absolvierte nicht den Standard-Wahlkampf, bei dem die Kandidaten sich mit den Wählern in lokalen Restaurants oder auf Volksfesten treffen. Trump hielt stattdessen riesige Veranstaltungen in großen Arenen ab und Tausende Leute kamen um ihn zu sehen.

Er schockierte die Amerikaner immer und immer wieder mit kontroversen Aussagen. So griff er Senator John McCain, der im Krieg gefangen genommen worden war, an mit den Worten: „Ich mag Menschen, die nicht gefangen genommen wurden.“ Er attackierte einen in den USA geborenen Richter, der in einem Prozess gegen die Trump Universität den Vorsitz hatte, und warf ihm vor, dass er nicht unparteiisch sein könne, weil er mexikanischer Abstammung ist. Nachdem „Access Hollywood“- Aufnahmen Trump dabei zeigten wie er damit prahlte, Frauen gegen deren Willen zu begrapschen und zu küssen, glaubten viele, dass der Wahlkampf für ihn beendet sei. Wir alle wissen, wie die Geschichte endete.

Vieles von dem was Trump getan hat, weist Ähnlichkeiten zum Verhalten der AfD im Wahlkampf auf. Einer aus der Führungsriege der rechtsextremen Partei nannte das Berliner Holocaust-Mahnmal ein „Denkmal der Schande“. Ein anderer AfD-Politiker aus Baden-Württemberg entfachte einen Streit innerhalb der Partei, als heraus kam, dass er in einem Buch antisemitische Äußerungen gemacht hatte. Die Anti-Islam-Wahlplakate der AfD machten internationale Schlagzeilen. Dennoch ist die AfD nun als drittstärkste Kraft mit 94 Sitzen im Bundestag vertreten.

Sowohl Trump als auch die AfD schafften es, aus dem Sturm der Entrüstung Kapital zu schlagen und die Grenzen des Erträglichen zu verschieben. Auf der anderen Seite stehen die Teile der linken Parteien auf beiden Seiten des Atlantiks nun vor einer Identitätskrise. Die SPD erreichte bei der Wahl nur wenig mehr als 20 Prozent - ein herber Schlag für die Partei. Zwar erlitten die Demokraten in den USA am Wahltag eine nicht ganz so herbe Niederlage. Immerhin gewann die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton den „Popular Vote“ mit drei Millionen Stimmen mehr als Trump.

Doch die Demokraten verloren ganze US-Bundesstaaten an die Republikaner, die zuvor über Jahrzehnte überwiegend demokratisch gewählt hatten. Sowohl die SPD als auch die Demokraten verloren Wähler im traditionellen Arbeitsmilieu. Nun stehen beide Parteien vor der Herausforderung, dass sie sich neu aufstellen und ihre Basis wiedergewinnen müssen. Sie sind dabei mit ähnlichen Fragen konfrontiert: Bewegen sie sich stärker auf die Mitte zu oder gehen sie weiter nach links? Die Welt wird dabei zusehen.

Lisa Hagen ist Reporterin für die Nachrichtenseite „The Hill“ in Washington D.C., wo sie seit zwei Jahren über das Weiße Haus und den amerikanischen Wahlkampf berichtet. Von August bis September arbeitete sie im Rahmen des Arthur-F.-Burns-Stipendienprogramm in der Handelsblatt-Hauptstadtredaktion. In dieser Zeit wird sie regelmäßig ihre Sicht auf die Bundestagswahl darlegen.

Übersetzung: Dana Heide.

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