Nach Fall Schavan SPD will Debatte über Ehrendoktortitel

Wegen Täuschung wurde Annette Schavan der Doktortitel aberkannt. Jetzt erhielt sie von der Uni Lübeck die Ehrendoktorwürde. Für die SPD Anlass, generell über die Anforderungen an solche Ehrungen nachzudenken.

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Der Bund als Gesetzgeber kann die Bedingungen für Ehrendoktorgrade nicht festlegen, das obliegt den Ländern. Quelle: dpa

Berlin Die SPD sieht die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Lübeck an die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) kritisch und fordert eine Debatte über die Anforderungen an solche Auszeichnungen. Die Initiative und die Begründungen für die Vergaben von Ehrendoktorwürden lägen zwar in der Verantwortung der Hochschulen und ihrer Gremien, sagte der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann, Handelsblatt Online. Grundsätzlich gelte aber: „Weniger wäre gewiss mehr. Größere Distanz wäre gewiss wertvoller. Wissenschaftsnähe wäre gewiss hochschulgemäßer.“

Der Bund als Gesetzgeber kann die Bedingungen für Ehrendoktorgrade nicht festlegen, da, wie Rossmann betont, die Gestaltung der Hochschulgesetze in der Verantwortung der Länder liege. Dennoch hält der SPD-Politiker Konsequenzen aus dem Fall Schavan für geboten: „Jenseits aller aktuellen Ereignisse und Widrigkeiten braucht es eine sehr ernsthafte weiterführende Debatte um die Qualitätsanforderungen an wissenschaftliche Arbeiten und Promotionen und darin eingeschlossen auch die Verleihung von Ehrendoktorwürden“, sagte Rossmann.

Schavan war am Freitagabend mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden. Damit würdigte die Universität Lübeck den Beitrag, den Schavan 2010 zur Rettung des Medizinstudiengangs geleistet hatte. Als Bundesforschungsministerin hatte sie dem Land damals 25 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für die Forschung zugesagt. Im Februar 2013 musste sie im Zuge einer Plagiatsaffäre zurücktreten.

Die Hochschule hatte an der Auszeichnung festgehalten, obwohl die Universität Düsseldorf Schavan den wissenschaftlichen Doktortitel inzwischen aberkannt hat. Rossmann sagte dazu, dass Schavan den Rechtsweg in der Plagiats-Auseinandersetzung mit der Uni Düsseldorf nicht weiter bestreiten wolle, „findet meinen Respekt und ist honorig“.

Der Ehrendoktor für Schavan steht dem, was die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) als unverbindliche Richtlinie für solche Würdigungen vorgibt, entgegen – nachzulesen in den „Empfehlungen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten bei Erwerb und Verleihung akademischer Titel“. Dort heißt es: „Der Grad des Dr. h.c. wird aufgrund wissenschaftlicher Leistungen verliehen.“

Die HRK-Empfehlung stammt von 1994, ist aber nach wie gültig, wie ein Sprecher Handelsblatt Online sagte. Allerdings sind die Vorgaben nicht bindend für die Hochschulen. In den Promotionsordnungen der Universitäten wird zum Teil die Möglichkeit eröffnet, den Grad eines Dr. h.c. durch finanzielle Förderungen der Hochschule zu erlangen. Als Voraussetzung für die Vergabe dieses Titels nennen solche Promotionsordnungen beispielsweise „besondere Verdienste um (…)“.


Sorge um „gute wissenschaftlichen Praxis“

Die Ex-Ministerin hatte sich am Freitag für den langen Atem, mit dem die Universität an ihrer Ehrung festgehalten habe, bedankt. „Nicht ich habe die Uni gerettet, sondern die vielen tausend Menschen, die auf die Straße gegangen sind“, sagte die CDU-Politikerin. Sie habe nur dabei geholfen, geholfen, die Kosten der schleswig-holsteinischen Wissenschaftslandschaft zwischen dem Bund und dem Land neu aufzuteilen.

Dafür, dass die Uni Lübeck Schavan die Ehrendoktorwürde verleiht, hat die Hochschule viel Kritik und auch hämische Kommentare einstecken müssen. Von einer Ohrfeige für das Gericht und die Uni Düsseldorf war die Rede. Dabei war Schavan die Ehrendoktorwürde bereits im Januar 2012 zuerkannt worden. Damit sollten ihre Verdienste im Kampf um den Erhalt der Universität Lübeck und um die medizinische Forschung in ganz Deutschland gewürdigt werden.

„Nicht Schavan hat die Uni gerettet, sondern die vielen Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind und für den Erhalt protestiert haben“, sagte die Lübecker AStA-Vorsitzende Maren Janotta am Freitag. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Schleswig-Holsteinischen SPD, Ralf Stegner, sprach von einer peinlichen Provinzposse. „Mit ihrer Intervention für die Lübecker Uni im Jahr 2010 hat Frau Schavan nichts anderes versucht, als der CDU in Schleswig-Holstein aus der Patsche zu helfen. Das ist gründlich schief gegangen. Mit Ehre hat das alles ganz gewiss nichts zu tun“, sagte er am Freitag.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) hatte zuvor gefordert, dass der Akademische Senat noch einmal über die Ehrung Schavans nachdenken solle. „Wir halten es für hochproblematisch, dass sie den Ehrendoktortitel erhalten soll, obwohl das Gericht ihre Plagiate bestätigt hat. Eine solche Entscheidung steht im Widerspruch zu der Maxime der „guten wissenschaftlichen Praxis“, die im Studium vermittelt wird“, sagte die AStA-Vorsitzende.

Bei der Senatssitzung am vergangenen Mittwoch hatten die Studenten ihr Unbehagen noch einmal vorgetragen. Doch das Gremium, das 2013 nach der Aberkennung von Schavans Doktorgrad durch die Universität Düsseldorf noch einmal über die Ehrung diskutiert hatte, blieb bei der damals einstimmig gefassten Entscheidung: Annette Schavan wird neunter „Doktor h.c.“ der Universität zu Lübeck.

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