Transparenz schreibt das Bundeslandwirtschaftsministerium groß. Das Pressezentrum des Hauses ist in einem Glaseck des Neubaus untergebracht, direkt an der Kreuzung Wilhelm- und Französische Straße im Berliner Regierungsviertel. So können auch Passanten vom Bordstein aus durch die Fensterscheiben zuschauen, wie Hans-Peter Friedrich in weniger als zwei Minuten seine Ministerkarriere beendet.
Der Rücktritt ließ sich nicht mehr vermeiden, das sagt der Scheidende nun selbst. Allerdings meint er immer noch, politisch und juristisch richtig gehandelt zu haben – nun ja. In Baden-Württemberg wurde vor sieben Jahren die frühere Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, weil sie über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geplaudert haben soll – damals allerdings direkt gegenüber dem Beschuldigten, nicht gegenüber dessen Freunden.
Nett und hilfsbereit war es allemal, dass Friedrich seine Kenntnisse über die Ermittlungen gegen den SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy vertraulich weitergegeben hatte. Die SPD-Spitze war - und ist - nämlich durchaus dankbar, dass der damalige Innenminister schon vor dem Start der Koalitionsverhandlungen den dezenten Hinweis beim Parteivorsitzenden Gabriel platziert hatte. Denn die Vorleute der Genossen hatten den parlamentarischen NSU-Aufklärer Edathy als Staatssekretär vorgesehen. Friedrich bewahrte mit seinem Tipp den künftigen Koalitionspartner vor einer krachenden Blamage. Denn ohne die Hilfe des neuen Christsozialen Freundes hätten die Sozialdemokraten nun den Skandal, dass eines ihrer Regierungsmitglieder wegen Kinderbildern in der Kritik stünde. Ob es harte Kinderpornografie wäre, deren Besitz strafbar ist, oder „nur“ Fotos nackter Jungs, spielte dann kaum noch eine Rolle. Diskret zog die SPD-Spitze den Problem-Kollegen aus dem Verkehr. Schon in den Verhandlungsrunden für die große Koalition tauchte der SPD-Hoffnungsträger nicht mehr auf.
Nun aber hat erstmal Hans-Peter Friedrich den handfesten Schaden. Allerdings öffnet sich mit seinem nun doch schnellen Rücktritt der Blick auf die SPD-Seite. Im Zentrum steht dort nicht der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, sondern vor allem der derzeitige Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann. Der Mann ist von Hause aus Richter. Aber er fand offenbar nichts dabei, die Information entgegenzunehmen und zu nutzen. Er fragte beim Präsidenten des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke an, ob die Informationen stimmen. Mit welcher rechtlichen Legitimation eigentlich?
Oppermann liefert seine Informanten ans Messer
Anschließend lieferte Oppermann noch seine Informanten in einer öffentlichen Erklärung ans Messer: Friedrich habe geplaudert, und Ziercke habe ihm die Verdächtigungen bestätigt. Ein echter Freund, der Herr Oppermann. Sein Umfeld berichtet, es seien ihm bereits Journalisten auf der Fährte gewesen, die an seiner Verwicklung in den Fall recherchiert hätten. Das erklärt zwar den Zeitpunkt seines Vorstoßes, macht seinen eigenen Bruch der Vertraulichkeit aber eher umso schlimmer. Denn die Botschaft lautet ja: Um trotz seines Fehlverhaltens vielleicht noch die eigene Haut zu retten, lässt er andere über die Klinge springen.
Die Geschichte ist damit nicht zu Ende. Während Friedrich nun zurücktreten musste, ging Ziercke zur Gegenoffensive über. Oppermann habe zwar bei ihm nachgefragt, aber er, Ziercke, habe natürlich keinerlei Dienstgeheimnisse ausgeplaudert. Nun steht Aussage gegen Aussage. Oder anders ausgedrückt: Entweder sagt Oppermann nicht die Wahrheit, oder Ziercke. Wobei sich der BKA-Präsident damals in einer schwierigen Lage befunden haben muss. Denn das SPD-Mitglied Ziercke hatte im Oktober in Oppermann nicht nur einen Parteifreund an der Strippe. Damals wurde der Abgeordnete aus Göttingen als künftiger Innenminister gehandelt, hätte also Zierckes oberster Dienstherr werden können. Wie verhält man sich da, wenn der eine kleine Auskunft oder zumindest Bestätigung haben möchte.
Ziercke allerdings kann es sich nicht leisten, beim Verrat von Dienstgeheimnissen erwischt zu werden. Das würde ihn seine Pension kosten. Thomas Oppermann käme bei einem Verzicht auf sein Amt als Fraktionsvorsitzender glimpflicher davon: Er könnte zwar nur noch die normale Diät als Abgeordneter kassieren (Fraktionsvorsitzende bekommen den doppelten Betrag), aber die Altersversorgung bleibt erhalten.