Nach Gabriel-Eklat Schwierige Freundschaft

Nach dem Eklat zwischen Israels Premier Netanjahu und Außenminister Gabriel befürchten Beobachter, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel leiden werden. Das Verhältnis beider Länder werde sich verändern.

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Der Bundesaußenminister glaubt, dass die Absage des Treffens mit Premierminister Benjamin Netanjahu innenpolitisch motiviert war. Quelle: AFP

Tel Aviv Nachdem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Treffen mit dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel abgesagt hat, zeichne sich ein neues deutsch-israelisches Verhältnis ab, sagt der auf das deutsch-israelische Verhältnis spezialisierte Historiker Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität: „Der jüngste Eklat hat eine Signalwirkung.“ Israels Regierung müsse begreifen, dass die deutsche Regierung nicht mehr alles hinnimmt, was in Jerusalem beschlossen wird. Ermahnungen aus Berlin habe es zwar schon früher gegeben, so Zimmermann. Aber in Jerusalem habe man sie bisher stets ignoriert, weil die Kritik nur subtil vorgebracht worden war. „Jetzt ist es mit der Zurückhaltung in Berlin vorbei“, so Zimmermann. Netanjahu hatte zwar laut Medienberichten versucht, Gabriel zu besänftigen und rief ihn an. Doch Gabriel ließ den unbeantwortet.

Das etwas frostigere Klima zwischen Berlin und Jerusalem habe sich bereits im Februar abgezeichnet, so Zimmermann. Damals hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel ein für Mai geplantes Gipfeltreffen mit der israelischen Regierung abgesagt. Begründet wurde die Absage mit dem Wahltermin im September und vor allem mit den zahlreichen internationalen Verpflichtungen im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft. Aber sowohl deutsche als auch israelische Diplomaten sehen Merkels Absage vor dem Hintergrund eines Siedler-Gesetzes, welches das israelische Parlament kurz zuvor verabschiedet hatte. Damit sollten rund 4.000 Siedlerwohnungen auf palästinensischem Privatland rückwirkend legalisiert werden. Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Seither kontrolliert es die Gebiete weitgehend. Mittlerweile leben dort rund 600.000 Israelis. Mehrere Länder, darunter Deutschland und Frankreich, sowie die EU und die UN hatten das Gesetz verurteilt.

Nach Merkel und Gabriel wird sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als nächster hochrangiger Besucher aus Berlin im „Israel-Test“ entscheiden müssen. Am 6. Mai will er für drei Tage nach Jerusalem reisen. Noch ist nicht bekannt, ob er dabei Menschenrechtsorganisationen treffen will. Verzichtet er aber darauf, könnte man ihm das als „Angst vor dem Zorn Netanjahus“ auslegen, erklärt ein westlicher Diplomat in Tel Aviv. In seiner Zeit als Außenminister hatte Steinmeier Israels Außenpolitik unmissverständlich kritisiert. So twitterte er im Dezember, dass Israels Siedlungen in den besetzten Gebieten die Möglichkeiten des Friedensprozesses bedrohen würden.

Inzwischen wollen sich die in Israel umstrittenen Menschenrechtsorganisationen, mit denen sich Gabriel am Dienstag getroffen hat, nicht einschüchtern lassen. „Wir machen weiter, bis sich Israel aus dem Westjordanland zurückgezogen hat,“ sagt ein Menschenrechtsaktivist dem Handelsblatt. Sie würden keine Anweisungen von Politikern entgegennehmen oder sich politischem Druck beugen,", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von drei Organisationen, die gegenüber Gabriel ihre Positionen erläutern durften.

Die Arbeit, so ist zu vermuten, wird den Nichtregierungsorganisationen, die gegen die Besatzung kämpfen, nicht ausgehen. Die Regierungskoalition ist fest im Griff national-religiöser Politiker und Parteien, und aufgrund von Meinungsumfragen besteht kein Anlass zur Annahme, dass das bei Wählern auf Kritik stößt. Ein Umdenken in der Siedlerfrage zeichnet sich nicht ab. Dafür, dass den israelischen NGOs das Geld für ihren Kampf gegen die Besatzung nicht ausgeht, sorgt ein Geldstrom aus dem Ausland, der bei den Organisationen, die Gabriel getroffen hat, rund 65 Prozent des Budgets finanziert. Nach dem jüngsten Eklat könnte der Geldstrom aus Europa, der die NGOs unterstützt, weiter anschwellen.

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