Nach Gauweiler-Rücktritt CSU-Konservative attackieren Parteichef Seehofer

Dass Peter Gauweiler auf sein Bundestagsmandat verzichtet und seinen CSU-Vizeposten aufgibt, sorgt für Unruhe in der Partei. Konservative Christsoziale sind verärgert und gehen Parteichef Seehofer hart an.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wegen Gauweiler-Rücktritt in der Kritik: Der Parteivorsitzende der Christlich Sozialen Union (CSU), Horst Seehofer. Quelle: dpa

Berlin Nach dem Rücktritt von Peter Gauweiler vom Amt des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden und seinem Verzicht auf sein Bundestagsmandat wird massive parteiinterne Kritik an CSU-Chef Horst Seehofer laut.

„Wir akzeptieren das Verhalten des CSU-Parteivorsitzenden nicht. Wir fordern, dass Horst Seehofer auch konservativen und wirtschaftsliberalen Kräften in einer Volkspartei wie der CSU wieder Möglichkeit zur politischen Betätigung und Artikulation einräumt“, sagte der Vize-Sprecher des „Konservativen Aufbruchs“ in der CSU, Thomas Jahn, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

„Es darf nicht sein, dass konservative Politiker aus wichtigen Ämtern verdrängt und damit ein wichtiger Teil unserer Stammwählerschaft verprellt wird“, warnte Jahn. Zugleich forderte er Seehofer auf, für eine „angemessene Debattenkultur“ in der CSU zu sorgen, die allen Parteiströmungen, auch den konservativen, wirtschaftsliberalen und eurokritischen Positionen Raum gebe.

Gauweiler nannte als Begründung für seine Entscheidung vor allem, dass die CSU-Spitze von ihm verlangt habe, im Bundestag gegen seine Überzeugung die Verlängerung der Griechenland-Hilfen zu billigen. „Dies ist mit meinem Verständnis der Aufgaben eines Abgeordneten unvereinbar.“ Wer ihn zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden gewählt habe, habe auch seine Positionen zu Euro und Rettungspolitik gewählt.

Gauweiler, seit 2002 im Bundestag, ist seit Jahren offener Kritiker der Euro-Krisenpolitik und deswegen auch mehrfach vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Der Jurist war 2013 auf Initiative Seehofers in die Parteispitze gewählt worden, um vor der Europawahl auch europakritischen CSU-Anhängern eine Stimme zu geben. Seine Wiederwahl auf dem Parteitag im Herbst galt aber als fraglich.


„Großer Verlust für die CSU“

Jahn warf Seehofer in diesem Zusammenhang vor, das jüngste Abstimmungsverhalten Gauweilers in der Griechenlandfrage zum Anlass genommen zu haben, „ihm mangelnde Loyalität vorzuwerfen, obwohl Herrn Seehofer die eurokritische Position von Peter Gauweiler seit Jahren bekannt war“. Anstatt sich mit der wichtigen Sachfrage eines möglichen Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone zu befassen, habe Seehofer Gauweiler „frontal“ angegriffen, was in seinen Zitat „Ihr oder ich?“ gegipfelt habe.

Den Rücktritt und Mandatsverzicht Gauweilers bedauerte Jahn „außerordentlich“. Der „Aufbruch“ sei mit Gauweiler seit seiner Gründung in Kontakt gestanden. „Peter Gauweiler teilte uns mit, dass er in vielen Punkten mit Forderungen aus unserem Manifest, gerade auch in Euro- oder EU-Fragen übereinstimme, sich aber bislang mit Rücksicht auf sein herausgehobenes Parteiamt nicht öffentlich äußern könne.“ Sein Rücktritt sei ein „großer Verlust für die CSU“, betonte Jahn.

Seehofer erklärte zum Rücktritt seines Parteivizes, er respektiere die Entscheidung und danke ihm für die geleistete Arbeit. Er kündigte an, die CSU werde ihre Europapolitik weiter am sogenannten Europaplan der Partei ausrichten. Dieser war 2013 auch unter Mitwirkung Gauweilers erarbeitet worden.

Zwischen Gauweiler und Seehofer war zuletzt heftiger Streit entbrannt. Ende Februar hatten im Bundestag mehrere CSU-Abgeordnete gegen die Verlängerung der Griechenland-Hilfen gestimmt, unter ihnen auch die Parteivizes Gauweiler und Peter Ramsauer. Vor drei Wochen griff Seehofer die Abweichler in einer CSU-Vorstandssitzung deshalb scharf an und erklärte, er werte jede Gegenstimme als Stimme gegen sich persönlich. Die CSU müsse sich entscheiden: „Ihr oder ich?“


AfD buhlt um Gauweiler

Gauweiler schrieb in seiner Erklärung, ihm sei unklar, warum sein Nein zu einer Verlängerung des „offensichtlich völlig wirkungslosen“ Hilfsprogramms für Athen ein Verstoß gegen die Parteidisziplin gewesen sein solle. Gauweilers Nachrückerin im Bundestag ist Iris Eberl aus Aichach bei Augsburg.

Die Alternative für Deutschland (AfD) machte dem Euro-Kritiker umgehend ein Angebot. „Wir laden Herrn Gauweiler herzlich ein, der AfD beizutreten, und begrüßen es, dass er konsequent genug ist, das Versagen der Union in Sachen Eurorettungspolitik durch einen Verzicht auf alle seine Ämter in der Öffentlichkeit deutlich zu machen“, erklärte der Bundesvorsitzende Bernd Lucke.

Gauweiler hatte sich in der CSU zuletzt zusehends isoliert: wegen seiner stetigen Brüssel-Kritik, aber auch, weil er die Verfassungsmäßigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr infrage gestellt hatte. Und bei der Europawahl im Mai 2014 fuhr die CSU ihr schlechtestes Ergebnis bei einer überregionalen Wahl seit 1954 ein. Seine Wiederwahl als CSU-Vize auf dem Parteitag im Herbst galt als zunehmend fraglich. Gauweiler ist seit 1968 Mitglied der CSU.

Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, betonte: „Die Positionen von Peter Gauweiler gehören zur CSU.“ Nach internen Debatten müsse die CSU aber auch „in einer Koalition verlässlich handeln. Dazu gehört, dass man zu Kompromissen fähig ist“. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, selbst scharfer Kritiker des Euro-Rettungskurses, machte klar, dass er sich diesem Schritt aktuell nicht anschließen will.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%