Nach Schottland-Votum Grüne für Neu-Verteilung von EU-Kompetenzen

Nach dem „Nein“ der Schotten zur Unabhängigkeit wird über die EU-Kompetenzverteilung diskutiert. Kritisch wird die Zentralisierung von Aufgaben in Brüssel gesehen. Die Grünen plädieren dafür, die Regionen zu stärken.

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Sven Giegold, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen um EU-Parlament: Kritik an der Kompetenzverteilung auf europäischer Ebene. Quelle: dpa

Berlin Nach dem Referendum der Schotten über eine Loslösung von Großbritannien fordern die Grünen eine Debatte über die Kompetenzverteilung zwischen der EU-Kommission in Brüssel und den Mitgliedstaaten. „Wir Grünen waren schon immer ein Freund starker Kommunen und Regionen in einem zusammenwachsenden Europa. Daher ist auch eine unideologische Diskussion über die Verteilung von Kompetenzen zwischen Europa, Mitgliedsländern und Regionen sinnvoll“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Der Maßstab solle dabei ein handlungsfähigeres und demokratischeres Europa bei den großen Zukunftsfragen sei. Vor allem Kommunen und Regionen sollten, wo immer möglich, mehr Selbstbestimmungsrechte erhalten. „So sollte die EU aufhören, Kommunen kleinliche Vorschriften darüber zu machen, wie sie die öffentliche Daseinsvorsorge organisieren“, sagte Giegold.

Scharfe Kritik äußerte der Grünen-Politiker in diesem Zusammenhang am britischen Premier David Cameron. „Die rechtskonservative britische Regierung führt die Debatte um die Subsidiarität leider ideologiegetrieben“, sagte Giegold. „Sie wehrt sich grundsätzlich gegen jedes Mehr an Europa, selbst dort, wo wir es dringend brauchen, zum Beispiel beim Klimaschutz oder der Bekämpfung des Steuerdumpings.“

Gleichwohl hält Giegold nichts davon, Ländern Ratschläge zu erteilen, wie sie ihren föderalen Beziehungen organisieren sollen. „Gerade aus Deutschland haben solche Ratschläge etwas Groteskes, da wir wahrlich genug Probleme zwischen Kommunen, Ländern und Bund haben“, sagte er. „Einmischung von außen ist nur dann angezeigt, wenn Minderheitenrechte missachtet werden.“

Die Schotten hatten sich am Donnerstag mit knapper Mehrheit für den Verbleib im Vereinigten Königreich entschieden. 55 Prozent der Wähler votierten gegen die Abspaltung von Großbritannien. Die Beteiligung lag bei 85 Prozent.


Katalanen halten an Unabhängigkeit fest

Trotz des gescheiterten Unabhängigkeitsreferendums auf den britischen Inseln wollen die Katalanen in Spanien an ihrer Volksabstimmung festhalten. Das Parlament Kataloniens hat mit großer Mehrheit dafür gestimmt, die Bevölkerung am 9. November zu befragen. Regierungschef Mas sagte mit Blick auf Schottland, der Unabhängigkeitsprozess in Katalonien sei gestärkt worden. Jetzt sei klar, dass eine solche Abstimmung in einem EU-Land möglich sei. Spaniens konservative Regierung lehnt die katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen jedoch strikt ab und will eine Abstimmung dazu mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht verhindern.

Die SPD zeigte sich offen für eine Debatte über EU-Kompetenzen. „Die Diskussion über ‎die beste Verteilung von Kompetenzen in Europa sollte nicht abstrakt, sondern konkret geführt werden“, sagte der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Mit Blick auf die britische Zukunft in der EU liegen bisher keine Vorschläge auf dem Tisch, welche Aufgaben von der EU auf die nationale Ebene zurückverlagert werden sollten, um bessere Ergebnisse für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.“ Die EU sollte sich aus Roths Sicht auf die Aufgaben konzentrieren, die in der „Strategischen Agenda“ angelegt seien. „Dazu gehören die Stärkung von Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt wie auch der Ausbau der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der EU‎.“

Politiker der AfD und der FDP werteten die Entscheidung der Schotten für einen Verbleib im Vereinigten Königreich auch als eine Aufforderung an Brüssel, den EU-Mitgliedstaaten mehr Eigenverantwortung zuzugestehen. „Die ganze EU kann davon profitieren, wenn sie der Selbstbestimmung mehr Respekt zollt, sei es bei regionalen Bestrebungen in Katalonien, Venetien oder Flandern, sei es bei dem Streben Großbritanniens oder anderer Staaten nach mehr Unabhängigkeit“, sagte der Chef der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, dem Handelsblatt. „Die Rückführung von Kompetenzen auf dezentrale Ebene kann die Fliehkräfte in der EU entschärfen.“

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP im EU-Parlament, Michael Theurer, meinte: „Nun wird es darauf ankommen, Schottland und anderen Regionen machbare Autonomie zu ermöglichen und das Subsidiaritätsprinzip der EU zu stärken.“

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