Nach „Tarifpause“-Beschluss SPD und Grüne attackieren Karstadt-Investor Berggruen

Dass Karstadt mit einer Tarifpause Millionen an den Gehältern der Mitarbeiter sparen will, erzürnt die Politik. Insbesondere Investor Berggruen bekommt sein Fett ab. SPD und Grüne sehen jetzt die Bundesregierung am Zug.

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Nicolas Berggruen. Quelle: dpa

Berlin Die vom Warenhauskonzern Karstadt angekündigte zweijährige „Tarifpause“ sorgt für massive Empörung in der Politik. Auf Kritik stößt vor allem Karstadt-Investor Nicolas Berggruen und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Soziale Marktwirtschaft bedeute Tarifautonomie und Tarifbindung. „Wenn Karstadt hier jetzt ausschert, ist das verantwortungslos und unfair gegenüber der Belegschaft“, sagte der Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, Handelsblatt Online.

Stegner fordert von der Leyen, die sich einst massiv für Berggruen als Investor einsetzte, zum Handeln auf. „Frau von der Leyen ist gerade nach der Vorgeschichte in der Pflicht, zugunsten der Karstadt-Beschäftigten Flagge zu zeigen.“ Aber für die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gelte ja „sozial ist, was Arbeit schafft“. „Wir Sozialdemokraten sagen dagegen, sozial ist, was gute Arbeit schafft. Das ist der Unterschied.“

Dass die Beschäftigten des Warenhausriesen in der laufenden Tarifrunde nicht auf Lohnerhöhungen setzen können, teilte der Konzern am Montag mit. Karstadt lege eine „Tarifpause“ ein, „künftige Entwicklungen der Tarifverträge des Einzelhandels werden auf Arbeitsverhältnisse der Karstadt-Gruppe keinen Einfluss haben“, teilte der Konkurrent der Metro-Tochter Kaufhof mit. Alle bisher geltenden tariflichen Bestimmungen sollten aber in Kraft blieben. Der nun angekündigte Ausstieg aus der Tarifbindung sei für die „vollständige Gesundung“ des Unternehmens nötig, hieß es zur Begründung.

Die Gewerkschaft Verdi bezeichnete die Entscheidung als einen „Skandal“. Es handele sich um eine weitere Fehlentscheidung des Karstadt-Managements, sagte eine Verdi-Sprecherin. Die Beschäftigten des Warenhauskonzerns hätten in der Vergangenheit bereits zahlreiche Belastungen auf sich genommen, um einen Beitrag zur Sanierung zu leisten.


Grüne: Berggruen outet sich als „knallharter“ Investor

Nach Ansicht des Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Klaus Barthel (SPD), lässt Berggruen bis heute nicht erkennen, worin sein materieller Beitrag zur Zukunft des Unternehmens besteht. „Abgesehen von moralischen Verpflichtungen ist das kein gutes Signal an die Märkte und die Kunden und lässt Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit des Engagements Berggruens bei Karstadt wachsen“, sagte Barthel Handelsblatt Online. Stattdessen nutze Berggruen die Verwilderung der Tariflandschaft, aktuell besonders brisant im Einzelhandel, um die Beschäftigten erneut zur Kasse zu bitten.

Die Bundesregierung müsse dem entgegenwirken, forderte Barthel. Leiharbeit, Werkverträge und Minijobs griffen besonders im Einzelhandel um sich und entwerteten Arbeit. „Die Bundeskanzlerin muss Klarheit schaffen, ob sie ihren Ankündigungen und denen der Bundesarbeitsministerin, dem entgegen zu wirken, endlich Taten folgen lässt“, sagte der SPD-Politiker. Besonders der Einzelhandel brauche allgemeinverbindliche Tarifverträge und eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. „Die gilt umso mehr, als ein großer Player, in den große Hoffnungen gesetzt wurden, die Erwartungen nicht erfüllt hat.“

Die Vize-Vorsitzende der Grünen-Bundestagfraktion, Kerstin Andreae, bezeichnete Berggruen angesichts von Arbeitsplatzabbau, Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und dem Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag als „knallharten“ Investor, der „ohne Rücksicht auf Verluste seine Rendite im Blick“ habe. „Dass seine Belegschaft wieder einmal für das Missmanagement von Karstadt bluten muss, ist unsozial und kurzsichtig – in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischen Wandel“, sagte Andreae Handelsblatt Online.

Auch die Rolle von Arbeitsministerin von der Leyen und ihr Engagement für Berggruen müsse „kritisch hinterfragt“ werden, fügte sie hinzu. „Sie muss die Realität anerkennen und handeln – notwendig ist ein nachvollziehbarer Sanierungsplan unter Einbeziehung des Betriebsrates, das muss die Arbeitsministerin jetzt einfordern.“ Von einem „Tag der Freude“ für die Belegschaft, wie von der Leyen den Berggruen-Einstieg einst umschrieben habe, könne jedenfalls nicht mehr die Rede sein.


Karstadt spricht von pragmatischem Weg

Der kriselnde Warenhauskonzern hatte für Montag Betriebsräte aller Standorte in der Essener Zentrale zusammengerufen. Die Kette leidet nach nicht bestätigten Medienberichten unter deutlichen Umsatzeinbußen. Karstadt-Chef Andrew Jennings hatte die Probleme Ende März mit der komplexen Sanierung erklärt, die kurzfristig auch negative Effekte bringen könne.

Karstadt gehe in der gegenwärtigen Tarifrunde einen „eigenen, pragmatischen Weg“, erklärte Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz. Ziel sei die vollständige Gesundung des Unternehmens. Bis 2015 wolle das Management wieder zur Tarifbindung zurückkehren. Der Schritt bringe keine Verschlechterung. Alle Sonderzuwendungen und das Urlaubsgeld seien sicher. Es gehe nur um künftige Gehaltsentwicklungen. „Wir gehen nicht unter den Status Quo“, betonte ein Unternehmenssprecher. Außerdem garantiere das Unternehmen konzernweit einen Mindestlohn von 8,50 Euro.

Zahlreiche neue Marken einzuführen und zugleich 2000 Arbeitsplätze zulasten des Services abzubauen, sei bereits das falsche Signal an die Kunden gewesen, kritisierte Verdi. Die Beschäftigten würden die Unternehmensführung jetzt „eindringlich erinnern“, dass sie nicht an berechtigten Arbeitnehmeransprüchen rütteln dürften. Was damit konkret gemeint ist, ließ die Gewerkschaft vorerst offen.

Mit Material von dpa

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