Nachdruck aus Heft 8/1977 "Den Markt besser begreifen"

Seite 2/3

Eine Medaille mit dem Quelle: dpa

Nun haben wir ja nicht mehr Wettbewerb, sondern zum Teil Oligopole und Monopole. Würde das nicht bedeuten, dass Entflechtungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen, damit die Marktmechanismen zum Zuge kommen?

Solange Monopole und Oligopole nur darauf beruhen, dass die Produzenten billiger produzieren können als andere, richten sie weder Schaden an noch sind sie zu verhindern. Notwendig ist allein, dass jeder Produzent, wenn er es besser kann, in den Markt eindringen kann. Das Wesentliche ist, dass die potenzielle Konkurrenz immer da ist.

Sie haben Ihrem Buch „The Constitution of Liberty“ ein Zitat vorausgeschickt: „Wir suchen nicht nach Vollkommenheit, da wir nur zu gut wissen, dass diese in menschlichen Dingen nicht zu finden ist, sondern nach jener Verfassung, die von den geringsten oder unscheinbarsten Unzulänglichkeiten begleitet ist.“ Was sind für Sie die Maßstäbe, mit denen beurteilt werden kann, was die geringste Unzulänglichkeit ist?

Das sind letztlich moralische Probleme. Grundvoraussetzung ist dabei der Glaube an die persönliche Freiheit als den höchsten Wert, dass der Einzelne seine Handlungen nach seinem eigenen Wissen und für seine eigenen Zwecke einrichten kann. Das bedeutet, dass er nur durch allgemeine Regeln in seiner Freiheit beschränkt werden sollte. Gemeint ist also eine Beschränkung der Zwangsgewalt des Staates allein auf die Durchsetzung allgemeiner, für alle gleich geltenden Regeln.

Also eine Politik des „laissez-faire“?

Nein. Denn der Staat könnte innerhalb dieser Grenzen für bestimmte öffentliche Dienstleistungen sorgen einschließlich eines sogenannten Minimalstandards, unter den niemand herabsinken darf. Das sind auch legitime Funktionen des Staates, deren Bedeutung im Laufe der Jahrzehnte klar erkannt worden sind, und sie verbieten, das, was ich vertrete, mit dem alten Schimpfwort „laissez-faire“ zu bezeichnen. Das alles heißt allerdings auch, dass es keinen Versuch des Ausgleichs der Einkommen geben kann. Denn man kann Menschen, die sehr verschieden sind, nur dadurch in die gleiche materielle Situation versetzen, indem man sie ungleich behandelt. Wir müssen nun einmal akzeptieren, dass die Menschen unvermeidlich verschieden sind. Das könnte der Staat nur ausgleichen, indem er sie verschieden behandelt. Und das halte ich für ein viel größeres Übel als gleiche Behandlung mit einem Ergebnis, das für die verschiedenen Menschen ungleich ist. Es gibt also nur die Wahl, persönliche Freiheit und Ungleichheit oder Gleichheit und persönliche Unfreiheit.

Die Startchancen sind aber schon wegen der ungleichen sozialen Herkunft verschieden.

Das stimmt selbst für das Elternhaus nicht ganz. Die Unterschiede sind doch auch vorhanden, weil die Menschen verschieden intelligent sind. Selbst Eltern mit gleichen Einkommen geben, weil sie verschiedene Dinge verschieden schätzen, ihren Kindern ganz unterschiedliche Erziehungen. Solange wir daran glauben, dass für die Erhaltung unserer Zivilisation die Weitergabe von Anschauung und Moral durch die Familie absolut wesentlich ist, werden wir die ungleichen Startchancen nie verhindern.

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