Nachhaltige Textilien Billig-Jeans sollen fairer hergestellt werden

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will nachhaltige Textilien fördern. Doch seinem am Donnerstag vorgestellten Bündnis fehlen starke Partner. Textilriesen wie H&M, C&A oder Kik bleiben zunächst außen vor.

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Mode ist selten fair und ökologisch
Die Initiative Rank a Brand, die in Deutschland und in den Niederlanden aktiv ist, hat Modemarken auf ihr Engagement zum Klima- und Umweltschutz sowie zu fairen Arbeitsbedingungen in der Produktion untersucht. Die Ergebnisse werden im neuen „FeelGoodFasion Report 2014“ veröffentlicht und zeigen, welche Marken Sie mit gutem Gewissen tragen können. Eine Auswahl. Quelle: dpa
Bei einer Vielzahl der untersuchten Markenhersteller stellen die Macher der Studie allerdings einen engen Bezug zum Greenwashing fest. Das betrifft aktuell gut 30 Prozent der Kleidermarken. Mit dabei: der französische Luxushersteller Louis Vuitton. Nicht die einzige Edel-Marke... Quelle: rtr
...denn auch der Metzinger Hugo-Boss-Konzern erhält trotz seiner Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit ein E-Label; das ist die schlechteste Bewertung im Ranking. Quelle: dpa
Genauso schneidet auch die Marke Hollister des US-Unternehmens Abercrombie & Fitch nicht gut ab und erhält nur ein E-Label. Der Konzern hat kürzlich schon wegen schlechter Arbeitsbedingungen Schlagzeilen gemacht. Quelle: dpa
Beim Greenwashing ertappt wurden auch die Modeketten New Yorker, Carhartt und Bugatti Shoes. Ebenso erhält die deutsche Firma Uhlsport mit dem E-Label die niedrigste Bewertungsstufe im Ranking. Bei allen genannten liegt der Verdacht nahe, dass Nachhaltigkeit nicht substantiell, sondern vorrangig kommunikativ angegangen wird, so die Macher von Rank a Brand. Die vollständige Liste derjenigen Marken, die in der Studie ein E-Label erhalten haben, finden Sie im Internet. Quelle: Screenshot
Das begehrte A-Label erhalten überwiegend sowieso schon "grüne"-Marken wie Mud Jeans aus den Niederlanden. Volle Punktzahl gibt es unter anderem beim Umwelteinsatz, denn das Produktionsvolumen besteht zu mehr als 25 Prozent aus umweltzertifizierten und / oder recycelten Rohstoffen. Zudem werden in der Produktion GOTS zertifizierte Verfahren zum Umweltschutz angewendet und als Mitglied der Business Social Compliance Initiative (BSCI) engagiert sich Mud Jeans aktiv zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben. Quelle: Screenshot
Die beste Bewertungsstufe im Ranking erhält auch die schwedische Marke Nudie Jeans. Das Produktionsvolumen besteht zu mehr als 25 Prozent aus umweltzertifizierten und / oder recycelten Rohstoffen. Zudem werden in der Produktion GOTS zertifizierte Verfahren zum Umweltschutz angewendet. Als Mitglied der Fair Wear Foundation (FWF) engagiert sich Nudie Jeans außerdem aktiv zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben und berichtet transparent über die Ergebnisse. Ebenso untersagt Nudie Jeans das Sandstrahlen von Jeans. Quelle: Screenshot

Es geht um die Menschenwürde, existenzsichernde Löhne und die Zukunft der Menschen in den Ländern, die unsere Kleidung unter menschenunwürdigen Bedingungen herstellen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, zaudert nicht, hehre Zielen zu formulieren, wenn es um das neue Bündnis für nachhaltige Textilien geht.

Was bringt das Textilbündnis von Entwicklungsminister Müller?

„Wenn wir bereit sind, nur einen Euro mehr für unsere Jeans zu bezahlen, können Frauen ihre Kinder in die Schule schicken, Gesundheit und Krankenhaus bezahlen“, sagt Müller. Die Käufer im Westen müssten keinen großen Preisanstieg fürchten, auch bei der 9,90-Euro-Jeans seien die Standards umsetzbar. Mit seinem Textilbündnis will der Minister klare Maßnahmen aufstellen, die Mindeststandards für soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit in der Textilproduktion setzt. Von der Baumwolle bis zum Bügel.

So soll etwa in einem ersten Schritt der Anteil fair gehandelter Baumwolle von 20 Prozent in 2016 auf 100 Prozent in 2024 angehoben werden. Der Einsatz gefährlicher Chemikalien soll eingedämmt werden. Zudem sollen Kontrollen an den einzelnen Stationen stattfinden. Wie das konkret aussehen soll, darüber herrscht bislang noch Unklarheit. Das Bündnis stehe am Anfang seiner Arbeit, genaue Schritte würden in den kommenden Wochen und Monaten ausgearbeitet.

Durchaus verfolgt das Bündnis einen ehrenhaften Ansatz, bedenkt man die unmenschlichen Arbeitsbedingungen bei teilweise 15 Cent Stundenlohn bis hin zur Katastrophe von Rana Plaza, einem Fabrikgebäude in Bangladesch, bei dessen Einsturz im vergangenen Jahr mehr als 1100 Menschen starben. Doch so richtig das Engagement ist, so fraglich ist seine Ausbeute.

Das Problem: Dem Textilbündnis fehlt es an starken Partnern – sowohl von Wirtschaftsverbänden als auch großen Unternehmen. Zwar teilen Unternehmen wie C&A, H&M oder Kik die Intentionen des Bündnisses – zu den Erstunterzeichnern gehören sie aber nicht. In einer Stellungnahme Lidls etwa heißt es, man brauche „realistische und vor allem umsetzbare“ Ziele, die auch „international tragfähig“ sind.

Bereits vergangenen Freitag erklärten der Handelsverband Deutschland (HDE) und die Außenhandelsvereinigung (AVE) des Deutschen Einzelhandels sowie der Verband Textil und Mode, der Aktionsplan sei in seiner jetzigen Fassung „noch nicht geeignet“, Verbesserungen für die Schwellenländer zu erringen. „Teile der Maßnahmen sind heute überhaupt nicht realisierbar“, kritisiert ein Sprecher von Textil und Mode. So seien bestimmte Stoffe in der Produktion nicht austauschbar, teils würden feuerhemmende Materialien von der Liste gestrichen.

Ein deutscher Alleingang ist keine Lösung

Ohnehin lasse sich kaum auf allen Stufen die Einhaltung der Maßnahmen nachvollziehen. Die Produktion ist komplex. Nach Angaben von Textil und Mode durchlaufe allein ein Hemd bis zum Handel bis zu 140 Stationen.

Ein weiteres Kernproblem bringt AVE-Geschäftsführer Eggert auf den Punkt: „Ein deutscher Alleingang ist keine Lösung.“ Um wirkliche Veränderungen anzustoßen, müsse die Bundesregierung vielmehr im Schulterschluss mit anderen Industrieländern die Regierungen vor Ort in die Verantwortung nehmen.

So sauber sind unsere Modelabels
Eine Frau mit einer Zara-Tasche Quelle: REUTERS
Ein Laden von Tommy Hilfiger Quelle: AP
Platz 12: PrimarkEs ist gar nicht einfach, den H&M-Herausforderer aus Irland zu kontaktieren. Primark hat weder in Deutschland noch im Rest der Welt eine Pressestelle, an die Journalisten ihre Anfragen richten können. Erst nach einer knappen Woche melde sich eine externe PR-Agentur und beantwortet einige Fragen zu Recherchen der WirtschaftsWoche: Dass eine Primark-Bestellung bei einem Zulieferer landete, der westlichen Standards nicht entspricht, sei ein Einzelfall gewesen. Ein lizenzierter Lieferant habe die Order ohne Kenntnis und Einverständnis der Iren an diese Fabrik ausgelagert. Was eigentlich gar nicht passieren darf, denn über seine Homepage verpflichtet nagelt sich der irische Discounter auf „ethischen Handel“ und höchste Sozialstandards bei Lieferanten fest. Dies wird allerdings nicht nur durch die Recherchen der WirtschaftsWoche konterkariert – zumal der Hersteller insgesamt bei Details merkwürdig mauert: Primark will weder die Zahl der Lieferanten oder die der internen Auditoren kommunizieren, noch die wichtigsten Lieferländer und den Anteil der Direktimporte nennen.Transparenz -Kontrolle -Verantwortung - Quelle: Screenshot
Ein New Yorker-Store in Braunschweig Quelle: Screenshot
Menschen vor einer Ernsting's Filiale Quelle: Presse
Das Logo der Modekette Tom Tailor Quelle: dapd
Eine Verkäuferin reicht in einem Esprit-Store in Düsseldorf eine gepackte Einkaufstasche über die Kasse Quelle: dpa

Deutsche Unternehmen sind bei Ihren Auftragnehmern meist nur ein Kunde unter vielen. So sagt etwa Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des mittelständischen Outdoor-Ausrüsters Vaude: „Wir selbst können die Unternehmen vor Ort kaum überreden bessere Löhne zu zahlen. Das können eigentlich nur die Großen.“

Doch dem Bündnis fehlt es schon an Grundlegendem, zum Beispiel der Definition, was ein existenzsichernder Lohn überhaupt ist, die Möglichkeiten der Kontrolle sowie politische Absprachen mit den betroffenen Ländern. Vor allem Bangladesch, Kambodscha und Pakistan nannte Minister Müller häufiger.

Bislang scheint das Textilbündnis mehr eine Absichtserklärung als ein klares Konzept, das die Arbeitsbedingungen in den Schwellenländern verändert. Die konkreteste Idee ist da noch ein Verbraucherportal, das im Januar 2015 starten soll. Dort können sich Konsumenten über alle Siegel in der Textilbranche informieren und herausfinden, ob die Produkte wirklich fair gehandelt wurden.

Übrigens: Die Textilien, die die Vorgaben des Bündnisses erfüllen, sollen in Zukunft einen „Grünen Knopf“ bekommen. Ob es in der Masse der Zertifizierungen allerdings noch eine des Bundes braucht, kann dann der Verbraucher entscheiden.

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