Nachhaltigkeit Die grüne Illusion

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Das Wunder des grünen Puddings

Die nachhaltigsten Unternehmen
Innenansicht einer Filiale der Drogerie-Kette dm Quelle: AP
Ein Mann lehnt an einer Wand, unter dem Logo von Mercedes Benz Quelle: REUTERS
Palina Rojinski bei der Pressepäsentation zum OTTO Saisonstart 2012 in Hamburg Quelle: Morris Mac Matzen
Ein Audi A1 Quattro in der Produktion Quelle: dpa
Ein Marmeladenglas der Sorte Landliebe Quelle: dpa/dpaweb
Produkte der Bärenmarke Quelle: AP
Ein Mitarbeiterin von Miele montiert eine Waschmaschine Quelle: dpa

Diesen Spielraum erweitern und nutzen seither professionelle Nebelwerfer in Unternehmen, Parteien und unzähligen Interessengruppen ausgiebig. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird bewusst entkernt. So lange wurde er durch den Wolf der PR-Abteilungen gedreht und mit dem Adjektiv „grün“ verwurstet, dass kaum etwas vom ursprünglichen Sinn erkennbar bleibt – außer dem diffusen positiven Gefühl, das man dabei hat. Das Ziel der Sprachpanscherei ist, was Harald Welzer „das Wunder des grünen Puddings“ nennt: Die scheinbare Aufhebung des logischen Gegensatzes durch die Verbindung von Nachhaltigkeit und Wachstum. Der grüne Pudding ist einer, den man gleichzeitig essen und behalten kann.

"Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch"
Begleitet von rund 200 Sympathisanten zogen die Grünen vor 30 Jahren in den Bundestag ein. Unter ihnen waren die Abgeordneten Gert Bastian, Petra Kelly, Otto Schily und Marieluise Beck-Oberdorf (von links nach rechts). Der Bundestag war völlig unvorbereitet auf diese neue Art der Politik. Quelle: dpa
Zwei Tage nach dem 5,6-Prozent-Erfolg der Grünen bei der Wahl am 6. März 1983 kamen die 27 Abgeordneten erstmals zu einer Sitzung zusammen. Der Konferenzsaal des Abgeordnetenhauses am Bonner Tulpenfeld war viel zu eng. Auch Basisvertreter und Nachrücker waren dabei, nach zwei Jahren sollten die frisch gewählten Abgeordneten wieder aus dem Parlament hinausrotieren. Quelle: dpa
Trotz Ermahnungen der politisch Etablierten zu ordnungsgemäßer Kleidung dominierten Strickpullis und Zauselhaare. Nur eine weibliche Abgeordnete erschien mit Anzug und Krawatte. Einige brachten Strickzeug mit in den Bundestag, andere erschienen mit Blumentöpfen zur ersten Sitzung. Quelle: dpa
Auch Blumen gießen gehörte in den Anfangsjahren dazu – hier streng beobachtet von Otto Schily (rechts) und der amüsierten SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier. Über den fehlenden Platz für die Neuparlamentarier verhandelten die Grünen-Fraktionsvorständler Petra Kelly und Otto Schily sowie Fraktionsgeschäftsführer Joschka Fischer mit Bundestagspräsident Richard Stücklen. Die alteingesessenen Parteien zeigten sich skeptisch gegenüber den Neulingen. Helmut Kohl hielt die Grünen nur für eine zwischenzeitliche Episode. „Zwei Jahre gebe ich denen, dann gehen sie Mann für Mann zur SPD über“, sagte er. Quelle: dpa
Doch die Grünen blieben. Schon früh setzten die Grünen themenpolitische Akzente, mit der sie die ganze Republik umkrempelten. Sie sprachen sich nicht nur früh gegen Atomkraft und für den Umweltschutz aus, sondern forderten damals schon gleiche Rechte für Homosexuelle, eine multikulturelle Gesellschaft und die Abschaffung der Wehrpflicht ein – alles Themen, die bis heute auf der Agenda stehen. Waltraud Schoppe (Mitte) sorgte mit ihrer ersten Rede gar für Entsetzen. „Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus in diesem Parlament einzustellen.“ Ein Satz, der ob der Sexismus-Debatte auch 30 Jahre später noch aktuell ist. Quelle: dpa
Zu den ersten Abgeordneten zählten auch Petra Kelly (links, mit Blumen) und Marieluise Beck-Oberdorf (rechts). „Auch wenn wir uns antiautoritär gaben, so hatte doch dieser altehrwürdige Plenarsaal etwas Respekt einflößendes“, sagte Beck-Oberdorf in einem Interview mit tageschau.de. Trotzdem habe es das Gefühl gegeben, man sei keine „normale“ Partei. Quelle: dpa
Grünen-Gründungsmitglied Kelly, hier mit dem damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, gehörte zu den Ikonen der grünen Anfangsjahre. Sie prägte zum Beispiel den Ausdruck der „Anti-Parteien-Partei“ und der „Instandbesetzung des Bundestages“. Sie setzte sich besonders für Frieden und Menschenrechte ein. Noch mehr Beachtung als ihr Tun fand ihr Tod. Ihr Lebensgefährte und Mitstreiter Gert Bastian erschoss sie 1992 im Schlaf – und tötete sich selbst ebenfalls. Quelle: dpa

Einer der geschicktesten und erfolgreichsten Nebelwerfer des „nachhaltigen Wachstums“ ist der Grünen-Prolitiker und Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung Ralf Fücks: „Intelligent wachsen!“ sei die Lösung, verkündet er in seinem gleichnamigen Buch. Es trägt den Untertitel „Die grüne Revolution“. Ehrlicher wäre: „Die grüne Illusion“.

In diesem Buch finden sich die notwendigen Zaubersprüche, die das Wunder wahr machen sollen: Statt Grenzen des Wachstums verspricht Fücks  das „Wachsen der Grenzen“ oder „Wachsen mit der Natur“. Grenzen seien schließlich „beweglich“. Von neuen, noch gar nicht existierenden „hocheffizienten Technologien“ ist da viel die Rede und vor allem von der „Entkoppelung“ des Ressourcenverbrauchs vom Wirtschaftswachstum.

Man fragt sich, was denn da wachsen soll, wenn es keine zusätzlichen Ressourcen verbraucht. Das Gesetz von der Erhaltung der Masse - aus Masse kann nicht mehr Masse werden – lernt jeder Schüler in der ersten Stunde des Chemieunterrichts.

Aus dem Widerspruch, kommt man nur raus, wenn man entweder von „qualitativem Wachstum“ schwadroniert, was Glück oder Lebensfreude oder was auch immer sein kann, nur eben kein Wirtschaftswachstum, das sich an der Produktion von Waren und Dienstleistungen bemisst. Oder dadurch, dass man die Wunschvorstellung von einem „nachhaltigen“, „grünen“ oder „vom Ressourcenverbrauch entkoppelten“ Wirtschaftswachstum durch begleitendes Hokuspokus nährt.

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