Nahverkehr Private Straßenbahn könnte Schule machen

In Köln haben Unternehmer eine Straßenbahnlinie in ihr Gewerbegebiet teilweise selbst finanziert. Das Modell könnte in vielen deutschen Städten Schule machen.

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U-Bahn der Kölner Verkehrsbetriebe

Jürgen Hermann koordiniert die Finanzen eines TecDax-Konzerns, doch an der Wegbeschreibung zu seinem Arbeitsplatz verzweifelt er. Der Vorstand des Telefondienstleisters QSC hat sein Büro in einem der größten Gewerbegebiete Kölns, dem Areal am Butzweilerhof im Nordwesten der Stadt. Für Kunden, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, ist das Gebiet nur schwer zu erreichen. Und Autos stehen oft im Stau. Eine Straßenbahn gab es hier bisher nicht, obwohl jeden Tag rund 11 000 Mitarbeiter und Kunden zu den Firmen auf dem Gelände strömen. Ein unhaltbarer Zustand sei das, sagt Hermann.

Jetzt haben die Unternehmen am Butz-weilerhof, vom Rollladentechniker Kirsch-baum bis zum Möbelhaus Ikea, fünf Millionen Euro aufgebracht, um die Anschubfinanzierung selbst zu stemmen. Ab dieser Woche bringt Deutschlands erste privat mitfinanzierte Stadtbahn die Pendler vom Dom bis vor die Werkstore. Wer auf den Staat wartet, sieht oft Jahre ins Land gehen. Gerade für kleinere Verkehrsprojekte ist oft kein Geld da. Und private Initiativen scheitern häufig an einer Hürde, die Wissenschaftler als Trittbrettfahrer-Problem bezeichnen: Wenn der eine zahlt, fährt der andere umsonst mit. Am Ende will dann keiner zahlen. Mit ein paar einfachen Schritten gelang es den Butzweilern aber, dieses Problem zu überwinden.

MIt Beharrlichkeit zum Erfolg

Das Beispiel Köln zeigt zudem: Wenn Unternehmen in Vorleistung gehen, finden sie bei Kämmerern und Finanzministern eher Gehör. Nachdem die Firmen zugesagt hatten, fünf Millionen Euro selbst zu zahlen, erklärten sich die Stadt und die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) bereit, 13 Millionen Euro beizusteuern. 18 Millionen für 1,8 Kilometer Strecke waren damit beisammen. „Die Zuschüsse vom Land wären erst in ein paar Jahrzehnten geflossen“, sagt Thomas Licher, Sprecher der Unternehmerinitiative Butzweiler-Ossendorf. Am Butzweilerhof leben nämlich nur 600 Menschen. In den Köpfen der Verkehrsplaner bekam der Ortsteil deshalb die niedrigste Priorität. Wie viele Menschen zur Arbeit dorthin fahren, interessierte die Behörde nicht.

Jetzt schweißen Bauarbeiter die letzten Schienen zusammen. KVB-Vorstandsmitglied Jürgen Fenske ist zufrieden. Er sieht die Finanzierung als Modell für andere Städte. „Die Unternehmen mussten zwar ein paar Mal den Hut rumgehen lassen, bevor sie fünf Millionen beisammen hatten“, sagt er, „aber am Ende hat doch alles geklappt.“ Was im Nachhinein einfach aussieht, war ein zäher Prozess. „Manche Chefs haben zwar Zusagen gemacht, doch als es darum ging, den Geldbeutel zu öffnen, wurden sie still“, erzählt Helmut Raßfeld, Geschäftsführer der SKI, einer Immobilientochter der Sparkasse mit Sitz am Butzweilerhof. Andere hätten mit ihrer Zusage bis zum letzten Moment gewartet. Dass überhaupt mehr als 30 der 400 Unternehmen mitmachten, ist ein Lehrstück darüber, wie man Führungskräfte zum kollektiven Handeln bewegen kann.

Ein wichtiger Faktor ist die beharrliche Überredung: Alle drei Monate setzten sich die Butzweiler zusammen, diskutierten über betriebliches Kindergeld, flexible Arbeitszeiten – und über die Bahn in ihr Gewerbegebiet. Im Gespräch ließ sich mancher überzeugen, etwas zuzuschießen. Steuern sind ein großes Thema, auch am Butzweilerhof: Ein findiger Steuerberater, der einen kleineren Betrag zuzahlte, erkundigte sich beim Finanzamt, ob das eine abzugsfähige Betriebsausgabe sei. Die Antwort lautete Ja – und die Hürde für potenzielle Beitragszahler lag etwas tiefer.

Den Ausschlag gaben schließlich drei große Unternehmen. Die SKI, der Möbelriese Ikea und die Sparkasse KölnBonn mit ihrem Dienstleistungszentrum im Gewerbegebiet warfen jeweils eine Million Euro in den Topf. So kam Bewegung in die Sache – und die anderen mussten nicht mehr ganz so viel Geld dazuschießen. Ab Sonntag rollt die neue Bahn. Vom Erfolg inspiriert, wollen die Unternehmen gleich das nächste Projekt angehen: Bis Ende 2012 wollen sie die Dächer des Areals mit Solaranlagen bestücken. Die Überredungsgespräche laufen bereits.

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