Nebenjobs von Beamten Staatsdiener haben Nebenverdienste in großem Stil

Großzügige Regeln erlauben Staatsdienern lukrative Nebenjobs: Rund 1100 Beamte verdienen sich allein in den Bundesministerien ein Zubrot durch Nebentätigkeiten - besonders Schäubles Finanzbeamte.

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Quelle: Getty Images, imago-images

Der Veranstaltungsort war für das geschäftliche Publikum zentral gelegen: das Hotel Holiday Inn Frankfurt Airport-North ist nur wenige Minuten vom Flughafen der Main-Metropole entfernt. Der Preis für das eintägige Seminar lag im Businessclass-Bereich: 510 Euro (plus Mehrwertsteuer). Dafür versprach der Veranstalter einen „Überblick über die aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung zum grenzüberschreitenden Umsatzsteuerrecht“. Einer der beiden Referenten kam aus dem Bundesfinanzministerium (BMF), ein Regierungsdirektor, zuständig für Umsatzsteuerrecht. Sein Name sagt der Öffentlichkeit nichts. Aber unter Kollegen ist der Mann eine Legende. Denn er gehört zu den bestbezahlten Nebenjobbern des deutschen Berufsbeamtentums.

Der Regierungsdirektor hält neben seiner Amtsarbeit (bezahlte) Vorträge zu umsatzsteuerlichen Nachweispflichten, er kommentiert in Fachbüchern das Umsatzsteuerrecht, zugleich ist er Mitherausgeber eines Standardwerks zum Thema.

Nebenjobs

Mehr als 80.000 Euro verdiente der doppelt fleißige Beamte in Spitzenzeiten dazu, mehr als sein regulärer Staatslohn in Höhe von etwa 75.000 Euro. Zu viel, meinte sein Dienstherr schließlich, nach Jahren des Zuschauens.

Als es um das Seminar im Airport-Hotel in Frankfurt ging, wollte das BMF ein Exempel statuieren und seinem Beamten die Annahme eines Honorars untersagen. Doch der Staatsdiener blieb stur, klagte und bekam vom Verwaltungsgericht Köln recht. Die Richter verwiesen kühl auf die Artikel 2 und 12 Grundgesetz und die darin verbrieften Rechte: freie Entfaltung der Persönlichkeit. Und Berufsfreiheit.

Zwar ging das Bundesfinanzministerium in Revision. Doch beim Oberverwaltungsgericht Münster droht dem Dienstherrn Wolfgang Schäuble (CDU) die nächste Niederlage.

Nebeneinkünfte in Bundesministerien

Der zuständige Richter will gegen den (inzwischen pensionierten) Beamten nicht einmal eine mündliche Verhandlung zulassen, heißt es in Justizkreisen. Der Staatsdiener kann somit wohl auch das Frankfurter Zusatzhonorar behalten.

Peinlich für Schäuble

Das Urteil dürfte für Aufatmen quer durch deutsche Ministerien sorgen. Tausende Beamte verdienen sich nämlich mit Vorträgen, Aufsätzen oder Kommentaren ein mehr oder weniger üppiges Zubrot. Wie verbreitet Nebentätigkeiten von Staatsdienern sind, belegt eine Anfrage der WirtschaftsWoche bei den 15 Bundesministerien einschließlich Kanzleramt. Danach gingen rund 1100 Beamte einer bezahlten Nebentätigkeit nach.

Eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, die der WirtschaftsWoche vorliegt, enthüllt besonders peinliche Zahlen für Minister Schäuble. Im vorigen Jahr haben allein 286 Beschäftigte aus seinem Zuständigkeitsbereich insgesamt 591 bezahlte Nebentätigkeiten ausgeübt. Bei 76 Prozent der Ministerialbeamten gab es inhaltliche Überschneidungen mit dem Aufgabenbereich ihres Hauses. Der Topnebenjobber in Schäubles Haus kam 2015 auf 39.990 Euro, im Jahr davor lag der (Neben-)Spitzenverdienst gar bei 76.231 Euro. Verglichen damit nimmt sich der höchste Nebenverdienst eines Beamten aus dem Bundesjustizministerium mit 10.600 Euro im Jahr 2015 bescheiden aus. Noch niedriger waren die Nebeneinkünfte im Bundeswirtschaftsministerium, wo die Nummer eins zuletzt auf 8372 Euro kam.

Laxere Regeln für Beamte?

Die bestdotierten Nebenjobs üben Beamte der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium sowie Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus. Lisa Paus, steuerpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, sagt: „Die Steuerabteilung des BMF sticht bei den Nebentätigkeiten klar heraus, sowohl bei der Zahl als auch der Höhe der Entlohnung.“

Die Beamten dort und bei der BaFin sind aber ausgerechnet für hochsensible Bereiche verantwortlich, in denen es um jede Menge Geld für Banken, Kanzleien, Beratungsunternehmen und Konzerne geht. Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick sagt: „Wird so viel Geld gezahlt, muss jedem klar sein, dass es eine Komponente der Beeinflussung gibt. Und es stellt sich die Frage, was Haupt- und was Nebentätigkeit ist.“

Passen bezahlte Nebenjobs von Beamten in eine Zeit, in der sich Unternehmen schon mit dem Verschenken von Tickets für Fußballspiele verdächtig machen, Abgeordnete Lobbykontakte preisgeben müssen und Behörden ihre Antikorruptionsmaßnahmen so verschärfen, dass die Annahme von Geschenken über 25 Euro verboten ist?

In diesen Berufen sind die höchsten Steigerungen drin
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Sollen für Beamte etwa andere Regeln gelten als für gewöhnliche Arbeitnehmer?

Die hohe Zahl an Nebenjobbern gefährde die Reputation des Ministeriums, heißt es aus der BMF-Leitungsebene. Aber Schäubles Macht gegenüber den eigenen Beamten ist begrenzt. Gern würde er sämtliche Nebentätigkeiten untersagen, die mit Steuerpolitik oder Finanzmarktregulierung auch nur entfernt zu tun haben. Doch Grundgesetz und Beamtenrecht scheinen fest aufseiten der Staatsdiener zu stehen.

Wie ernst Schäuble das Thema nimmt, zeigt die Antwort seines Parlamentarischen Staatssekretärs Jens Spahn (CDU) auf die Grünen-Anfrage. Statt sich hinter Floskeln zum Datenschutz und fehlenden Daten zu verbergen, hat Spahn ein 162 Seiten starkes Konvolut erstellen lassen, das tiefe Einblicke in die Nebentätigkeiten seines Ministeriums, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Bundesjustizministeriums samt nachgeordneter Behörden erlaubt.

Rekordverdächtig sind auch die Qualen, die das Ermitteln der Daten Schäubles Haus offensichtlich bereitet hat.

Mitte Januar hatten die Grünen die kleine Anfrage gestellt, üblicherweise erfolgt eine Antwort binnen zwei bis drei Wochen. In diesem Fall erbat Spahn dreimal eine Fristverlängerung, um die bisher scheinbar schludrig verwalteten Daten über anzeige- und genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten der Mitarbeiter von 2011 bis 2015 zusammenzutragen.

Im Bundesfinanzministerium entfällt gut die Hälfte der registrierten Nebentätigkeiten auf die Steuerabteilung IV. Ihr Leiter heißt Michael Sell, der regelmäßig bei Veranstaltungen auftritt. Er darf dafür aber kein Honorar annehmen, weil für Spitzenbeamte von der Position eines Unterabteilungsleiters aufwärts nach einer internen Anweisung sämtliche Vorträge mit dem Beamtengehalt abgegolten sein sollen. Sell und seine Truppe sind interessant für Verbände, Kanzleien, Beratungsgesellschaften und Konzerne, weil sie sich mit Steuergestaltungen, Erbschaftsteuerreform und Investmentbesteuerung befassen. Dabei geht es um Milliarden, ein klitzekleiner Informationsvorsprung kann viel Geld bedeuten.

Geld fürs Gesetz-Erklären

Wie gefragt der Rat der Beamten ist, zeigt ein Besuch beim Kölner Steuerforum Ende April. Knapp 300 Juristen sind in den Börsensaal gekommen, den größten Versammlungsraum des Hauses. Darunter auch Rolf Möhlenbrock, BMF-Unterabteilungsleiter. Der Gastgeber macht in seiner Vorstellungsrede klar, was man sich von Möhlenbrock verspricht: „Wir hoffen natürlich, dass Sie uns ein paar Einblicke geben, was im BMF dazu geplant ist.“

In Köln geht es um ein heikles Thema: internationale Steueroptimierung für Großkonzerne. Um dagegen vorzugehen, hat die OECD Blaupausen im Rahmen der BEPS-Initiative gegen aggressive Steuergestaltung und gegen Gewinnverschiebungen erarbeitet, welche die Staaten nun in Gesetze gießen sollen. Je früher der Steuerberater diese Gesetze kennt, desto eher kann er sich auch Gedanken über neue Umwege machen.

Zwar darf Unterabteilungsleiter Möhlenbrock für seinen Auftritt kein Geld einstreichen.

Aber was ist mit anderen, hierarchisch niedrigeren Beamten? Auch sie können sich vor Einladungen kaum retten, und oft winken dabei Honorare. Schließlich geht es um wertvolle Informationen, um Beziehungspflege und die Einwirkung auf Gesetzesvorhaben. Manchmal geht es auch nur ums Verstehen komplizierter Vorschriften. Besagter Topverdiener im BMF profitierte auch davon, dass er als Mitherausgeber eines kommentierenden Standardwerkes das diffizile Umsatzsteuerrecht erklärte.

Gold wert für Lobbyisten

Besser wäre jedoch, die Beamten würden Gesetzesvorlagen und Durchführungsbestimmungen so formulieren, dass sie auch einigermaßen versierte Steuerexperten zweifelsfrei verstünden. So aber schlagen Beamte Kapital aus ihrer amtlichen Arbeit. „Wenn Beamte Gesetze aus ihrem Zuständigkeitsbereich erklären“, sagt der Grünen-Abgeordnete Schick, „so ist das eindeutig Teil ihrer dienstlichen Arbeit – und dann muss das Honorar ans Ministerium abgeführt werden.“

Deutliche Kritik übt Timo Lange von LobbyControl: „Die Bedeutung von Beamten darf man nicht gering schätzen“, meint Lange. Schließlich seien sie es, die die meisten Gesetzentwürfe zunächst schreiben müssten. „Ein guter Draht ins Ministerium ist für Lobbyisten Gold wert“, sagt Lange. „Wer Beamte zu bezahlten Vorträgen einlädt, will nicht nur Expertise bekommen, sondern Kontakte knüpfen.“

Selbst Beamtenvertreter äußern Bedenken. „Bezahlte Auftritte von Beamten auf Fachkongressen halte ich allgemein für schwierig“, sagt Hans-Ulrich Benra vom Vorstand des dbb Beamtenbundes.

Gerade bei der Vergütung von Referententätigkeiten gebe es zweifellos eine Grauzone, so Benra.

Um den Ruch von Kumpanei, Korrumpierung oder Korruption zu vermeiden, möchte der auf Integrität bedachte Bundesfinanzminister das Beamtenrecht schärfen. Schäubles Beamte führen Gespräche mit dem von Thomas de Maizière (CDU) geführten Bundesinnenministerium, sagt eine BMF-Sprecherin: „Unsere Stoßrichtung ist klar: Wir wollen die Nebentätigkeiten strikter handhaben.“ Am liebsten möchte Schäuble die Regel für Spitzenbeamte, dass sie Honorare für Vorträge und Aufsätze ans Haus abführen müssen, auf alle Beamten ausweiten.

Nicht nur auf Bundesebene gehören Nebentätigkeiten von Staatsdienern zum Alltag, wie eine Anfrage der WirtschaftsWoche bei Finanz- und Innenministerien der Bundesländer ergab. Zwar verweigerten viele Ministerien die Antwort, unter Verweis auf Datenmangel oder Datenschutz.

Richter sind gnädig

Aus 20 inhaltlichen Antworten lassen sich dennoch Schlüsse ziehen. In den Landesministerien gingen jeweils zwischen 5 und 20 Prozent aller Mitarbeiter Nebentätigkeiten nach. Dabei gibt es aber deutliche Unterschiede je nach hierarchischer Position. So übten im rheinland-pfälzischen Finanzministerium vergangenes Jahr 29 Prozent der Beamten der mittleren Besoldungsgruppe (A9 bis A13) Nebentätigkeiten aus, in der oberen Gruppe (A13 bis B6) waren es hingegen mehr als 68 Prozent.

Auch in den Ländern verdienen die Mitarbeiter der Finanzbehörden besonders gut nebenher.

Branchenindex 2016: Diese Branchen zahlen am besten

So kam der Topverdiener im hessischen Finanzministerium 2015 auf 67.000 Euro, auch der Spitzenverdiener im Düsseldorfer Finanzministerium sammelte gut 55.000 Euro zusätzlich ein. Pro Kopf nahmen nebentätige Beamte in Hessen im Schnitt 3050 und in NRW 3900 Euro zusätzlich ein, in Baden-Württemberg 4900 Euro – deutlich mehr als der Schnitt in den Bundesministerien.

Die Umfrage der WirtschaftsWoche zeigt auch, wie lax einige Bundesländer mit dem Thema umgehen. Das Finanzministerium in Brandenburg teilt etwa mit, dass „eine Nebentätigkeit weder bei Tarifbeschäftigten noch bei Beamtinnen und Beamten einer Genehmigung bedarf“. Gleiches gilt in Sachsen, wo die Genehmigungspflicht 2014 abgeschafft wurde und Beamte nicht angeben müssen, wie viel sie von Dritten kassieren. Besonders verschlossen gibt sich das Finanzministerium in Bayern. Genehmigungsfrei seien unter anderem schriftstellerische und künstlerische Nebentätigkeiten.

Im Übrigen existiere keine Gesamtstatistik zu dem Thema.

Doch auch dort, wo der Dienstherr allzu buntes Treiben der Beamten unterbinden will, ist dies kaum möglich. Öffentlich Bedienstete dürfen nach Rechtslage und Rechtsprechung beinahe ohne Begrenzung Nebentätigkeiten ausüben. Dass sich die Richterschaft auf die Seite klagender Beamter schlägt, ist ebenfalls pikant. Schließlich verdienen sich auch viele Richter durch Gutachten und andere Nebentätigkeiten etwas dazu (WirtschaftsWoche 14/2014).

So bilden Anwaltskanzleien, Professoren, Richter und hohe Beamte eine lukrative Zugewinngemeinschaft. Für den eingangs erwähnten Topverdiener im BMF setzt sich diese sogar nach seiner Pensionierung fort. Sein Standardwerk zum Umsatzsteuergesetz, das er mit herausgibt, ist nach wie vor im Handel erhältlich. Stückpreis: 318 Euro.

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