Neonazi-Morde Innenminister setzt Sonderermittler ein

Ein Sonderermittler soll helfen, die Neonazi-Affäre aufzuklären. Das hat das Innenministerium am Donnerstag bekannt gegeben. Ab kommender Woche soll der Ermittler auch mögliche Fehler des Verfassungsschutzes untersuchen.

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Innenminister Hans-Peter Friedrich hat einen Sonderermittler mit der NSU-Untersuchung beauftragt. Quelle: dapd

Berlin Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat zur Aufklärung der Neonazi-Affäre einen Sonderermittler in seinem Ressort eingesetzt. Der Unterabteilungsleiter Verfassungsschutz, Hans-Georg Engelke, solle alle Sachverhalte im Zusammenhang mit der „Operation Rennsteig“ umfassend aufklären, teilte das Ministerium am Donnerstag in Berlin mit. Engelke werde seine Arbeit in der kommenden Woche aufnehmen. Die „Operation Rennsteig“ diente der Anwerbung von V-Leuten im rechtsextremen „Thüringer Heimatschutz“ und war unter anderem deshalb ins Zwielicht geraten, weil ein Referatsleiter des Bundesverfassungsschutzes Akten darüber unmittelbar nach Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie im November schreddern ließ.

Am Donnerstag sollte der scheidende Chef des Geheimdienstes, Heinz Fromm, vor dem Untersuchungsausschuss zu der Affäre aussagen. Die Abgeordneten erhoffen sich von ihm Aufklärung darüber, weshalb der Referatsleiter die Vernichtung von sieben Akten über V-Leute in der rechtsextremen Szene in Thüringen anordnete. Der Zerstörung der Akten war vergangene Woche bekanntgeworden. Fromm bat daraufhin um seine Versetzung in den Ruhestand. Innenminister Friedrich kündigte als Konsequenz aus der Affäre eine grundsätzliche Überprüfung der Arbeitsweise des Verfassungsschutzes an.

Vor Fromm hatte der Untersuchungsausschuss am Morgen den Referatsleiter geladen, der die Vernichtung der Akten angeordnet hatte. Von ihm wollten die Abgeordneten erfahren, warum er die Unterlagen zerstören ließ. “Der Grund, es seien die Speicherfristen gewesen, überzeugt nicht so richtig, da diese Operation ja bis 2003 ging“, sagte der Unions-Obmann im Ausschuss, Clemens Binninger, der ARD. „Zehn Jahre Speicherfrist wäre dann 2013.“

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele stellte infrage, ob die Mitglieder des Zwickauer Neonazi-Trios tatsächlich nicht als V-Leute für den Geheimdienst arbeiteten. „Wir haben nur die Akten, die uns vorgelegt wurden, und wir haben Anhaltspunkte dafür, dass es noch mehr V-Leute gegeben haben könnte, die gar nicht in den Akten enthalten sind“, sagte er n-tv. „Deshalb müssen wir Fragen danach stellen - warum wurden gerade Akten vernichtet nicht etwa von den Leuten, die man werben wollte, wo man vielleicht die Akten nicht mehr brauchte, sondern gerade von denen, die eingesetzt wurden?“ Der Neonazi-Zelle wird die Ermordung von neun Einwanderern und einer Polizistin zwischen 2000 und 2007 vorgeworfen. Das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe entstammte dem „Thüringer Heimatschutz“.

Die Linken-Obfrau im Untersuchungsausschuss, Petra Pau, forderte langfristig die Abschaffung des Verfassungsschutzes und ein sofortiges Ende der V-Leute-Praxis. „Man muss sich klarmachen: V-Leute sind keine netten Informanten von nebenan, sondern sie kommen aus der Szene, sie werden bezahlt und werden in dieser Szene nur anerkannt, wenn sie natürlich auch Straftaten begehen“, sagte sie dem Sender n-tv. „Das heißt, sie sind selbst eine Gefährdung für die Gesellschaft.“

Neben dem Bundestag untersucht auch der Bayerische Landtag die Rolle der Behörden bei der Aufklärung der Mordserie. Alle Fraktionen setzten am Mittwoch einen Untersuchungsausschuss ein, der sich ab Donnerstag mit der Ermittlungsarbeit seit 1994 befassen will. Der Ausschuss soll von einem Mitglied der oppositionellen SPD-Fraktion geleitet werden.

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