Neue Vorwürfe im Fall Amri Geisel verspricht Aufklärung

Hätte der Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt verhindert werden können? Dieser Frage gehen verschiedene Gremien nach. Neben Versäumnissen geht es nun um bewusste Verschleierung.

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Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) nimmt am 18.05.2017 in Berlin an der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses teil. (zu dpa «Fall Amri: Innensenator kündigt rückhaltlose Aufklärung an» vom 18.05.2017) Foto: Maurizio Gambarini/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Berlin/Düsseldorf Welche Versäumnisse gab es im Fall des Attentäters Anis Amri? Dieser Frage gehen seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche verschiedene Gremien nach. In Berlin stehen Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) inzwischen im Verdacht, entscheidende Ermittlungsergebnisse zurückgehalten und sogar manipuliert zu haben. Die Landesregierung hat Strafanzeige gestellt wegen Strafvereitelung.

Das Berliner Abgeordnetenhaus diskutierte an diesem Donnerstag in einer Aktuellen Stunde über den Fall. Nach Erkenntnissen der Behörden hätte Amri möglicherweise vor dem bislang folgenschwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland festgenommen werden können.

Geisel kündigte im Abgeordnetenhaus eine rückhaltlose Aufklärung des Ermittlungsskandals um den Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri an. „Das sind wir den Opfern, den Angehörigen und den Überlebenden schuldig“, sagte der SPD-Politiker. „Wir können kein Interesse daran haben, dass irgendetwas verschleiert wird“, so Geisel. „Wenn es Schwachstellen gibt, dann muss man sie benennen.“ Er habe weiter Vertrauen in die Polizei, fügte der Senator hinzu. „Aber das schließt Fehlverhalten Einzelner nicht aus.“ Das müsse Konsequenzen haben.

„Auf der Grundlage des Straftatbestands gewerbsmäßiger, bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln wäre eine Verhaftung wohl möglich gewesen“, so Geisel. So hätte der Anschlag am 19. Dezember, bei dem zwölf Menschen starben und 67 weitere verletzt wurden, wohl verhindert werden können.

Nach Angaben von Innensenator Andreas Geisel (SPD) tauchte bei der Arbeit von Sonderermittler Bruno Jost ein neues Dokument zu einer Telekommunikations-Überwachung auf, in dem Amri bereits im November gewerblichen Drogenhandel vorgeworfen wurde. Bislang waren die Ermittler von Kleinsthandel ausgegangen, was nicht für eine Festnahme gereicht hätte. Diese Formulierung hatte offenkundig nachträglich einen Weg in die Akten gefunden – um die Taten zu verharmlosen.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich bestürzt über mutmaßliche Manipulation von Ermittlungsergebnissen. „Ich habe immer gesagt, dass bei Amri überall in Deutschland schwere Fehler gemacht wurden“, erklärte Oppermann. „Das wollte die CDU nie hören. Aber dass Fehler durch Urkundenfälschung vertuscht werden sollten, schlägt dem Fass den Boden aus.“ Das müsse restlos politisch und juristisch aufgeklärt werden.

Im Düsseldorfer Landtag sagte die Obfrau der NRW-Grünen im Amri-Untersuchungsausschuss, Monika Düker, während des letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses in dieser Wahlperiode: „Der Bundestag ist dringend aufgefordert, endlich einen Untersuchungsausschuss einzurichten“, sagte die Obfrau der NRW-Grünen im Amri-Untersuchungsausschuss, Monika Düker. Auch Obleute von CDU und FDP forderten Aufklärung.

Der Ausschuss kam am Donnerstag zu seiner letzten Sitzung in dieser Wahlperiode zusammen. Er untersucht seit drei Monaten, wie es dem Tunesier Anis Amri gelingen konnte, auf dem Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche einen Anschlag mit zwölf Toten zu verüben, obwohl er als islamistischer Gefährder bekannt war. In der 19. Sitzung des Gremiums werden die vorerst letzten 4 von 44 Zeugen befragt. Die Aufklärungsarbeit zu dem Terroranschlag soll aber voraussichtlich vom neuen Parlament fortgesetzt werden.

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