Im Dauerstreit um die Sonntagsöffnung haben die Kontrahenten eine neue Runde eingeläutet. Während der Anwalt der Gewerkschaft Verdi ein schärferes Vorgehen der Behörden gegen in seinen Augen unzulässige Sonntagsöffnungen verlangt, kontert die Gegenseite mit einem neuen Rechtsgutachten. Die Fehde wird seit Jahren erbittert geführt. Ein Kompromiss ist derzeit weniger in Sicht denn je.
Trotz einer Klagewelle gegen rund 100 deutsche Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren sieht sich Verdi noch längst nicht am Ziel. Tatsächlich finden in Deutschland jährlich Tausende verkaufsoffene Sonntage statt, stellt Verdi-Anwalt Friedrich Kühn fest.
Viele dieser Veranstaltungen seien möglicherweise nicht vereinbar mit den geltenden Vorschriften zur Sonntagsöffnung, so dass aus Sicht der Gewerkschaft ein juristisches Vorgehen dagegen notwendig wäre. Verdi sei jedoch nicht in der Lage, dies „flächendeckend abzudecken“. Nun seien die zuständigen Behörden gefragt. „Es ist politisch ein nicht hinnehmbarer Zustand, dass man diese aufwendige Arbeit andere machen lässt“, schimpft der Leipziger Anwalt.
Streitpunkt ist fast immer die Regelung, dass ein verkaufsoffener Sonntag an einen Anlass wie ein Volksfest oder eine Messe gekoppelt sein muss. Aus Sicht der Gewerkschaft werde jedoch oft versucht, den kleinsten Anlass zur Begründung für eine zusätzliche Ladenöffnung heranzuziehen, klagt Verdi. Die genauen Bestimmungen werden dabei von den einzelnen Bundesländern festgelegt.
In einem im Auftrag von mehreren Industrie- und Handelskammern in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten stellt der Düsseldorfer Staatsrechtler Johannes Dietlein nun diesen Punkt infrage. Der derzeit geforderte Anlassbezug in Form eines Festes oder Marktes sei eben nur eine von mehreren Möglichkeiten, die Ladenöffnung mit dem „Gemeinwohl“ zu rechtfertigen, heißt es. Dietleins Argument: Ebenso legitim könne das Gemeinwohl mit dem Ziel verfolgt werden, die Innenstädte und den dortigen Einzelhandel mit mehr Sonntagsöffnungen zu fördern.
"Damit uns auch der letzte freie Tag geklaut wird"
Während die Juristenschlacht noch in vollem Gange ist, sorgt das Thema auch unter Betroffenen für Brisanz: „Die Gewerkschaftsfuzzis sollten sich mal am Wochenende ins Auto setzen und zum Beispiel ins volle Outlet nach Roermond in den Niederlanden fahren“, heißt es etwa in einem Kommentar zu einem Beitrag des Fachmagazins „Textilwirtschaft“.
„Ich zahle jeden Tag Pacht, also sollte ich auch jeden Tag öffnen können“, meint ein anderer Schreiber. Aber auch die Gegenposition ist vertreten: „Damit uns auch der letzte freie Tag geklaut wird. Nein danke!“, macht sich eine genervte Stimme aus dem Verkaufspersonal Luft.
Wieder aufgeflammt war die seit Jahren schwelende Debatte durch einen neuen Vorstoß Ende Mai, der zunächst vor allem von großen Warenhäusern und Einkaufszentren getragen wurde. Ihre Forderung nach einer Freigabe der Sonntagsöffnung hatte die Initiative vor allem mit dem Kampf gegen den weiter boomenden Onlinehandel begründet.
Die beliebtesten Einkaufsstraßen Deutschlands 2017
An einem Wochentag und einem Samstag im März und April wurden händisch an mehr als 100 Zählpunkten in 36 deutschen Städten die Zahl der Passanten erfasst. Von Papenburg mit 35.000 Einwohnern bis Berlin mit 3,5 Millionen Einwohnern. Berücksichtigt wurde dabei auch das Wetter. Quelle: Engel & Völkers Commercial, Passantenfrequenzzählung 2017, 01.04.2017
Hamburg
Einkaufsstraße: Spitalerstraße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 9248
2016: 7564
Differenz (2017/2016): +22%
Wetter: sonnig/bewölkt
Freiburg
Einkaufsstraße: Kaiser-Joseph-Straße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 9594
2016: 1623
Differenz (2017/2016): +491%
Wetter: sonnig
Köln
Einkaufsstraße: Hohe Straße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 9717
2016: 8800
Differenz (2017/2016): +10%
Wetter: sonnig/bewölkt
Dortmund
Einkaufsstraße: Westenhellweg
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 10.946
2016: 9113
Differenz (2017/2016): +20%
Wetter: bewölkt/Regenschauer
Frankfurt
Einkaufsstraße: Zeil
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 11.354
2016: 10.145
Differenz (2017/2016): +12%
Wetter: sonnig/bewölkt
Hannover
Einkaufsstraße: Georgstraße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 14.189
2016: 8583
Differenz (2017/2016): +65%
Wetter: sonnig
München
Einkaufsstraße: Kaufingerstraße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 14.816
2016: 17.653
Differenz (2017/2016): -16%
Wetter: sonnig/bewölkt
Köln
Einkaufsstraße: Schildergasse
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 15.089
2016: 11.201
Differenz (2017/2016): +35%
Wetter: sonnig/bewölkt
München
Einkaufsstraße: Neuhauser Straße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 15.248
2016: 17.010
Differenz (2017/2016): -10%
Wetter: sonnig/bewölkt
Stuttgart
Einkaufsstraße: Königstraße
Durchschnittliche Passantenfrequenz pro Strunde
2017: 17.018
2016: 7.430
Differenz (2017/2016): +129%
Wetter: sonnig/bewölkt
Der Vorstoß unter dem Titel „Selbstbestimmter Sonntag“ war umgehend mit heftigen Widerstand beantwortet worden. Vertreter der christlichen Kirchen warnten vor einem „Dammbruch“, während Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger auf zunehmenden Stress und die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie hinwies.
Während Wissenschaftler wie der Chef des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH, Kai Hudetz, vor allem für die großen Händler Vorteile durch eine mögliche Ausweitung der Sonntagsöffnung erwarten, hofft auch der selbstständige Textilhändler Leon Finger aus dem Essener Vorort Steele auf bessere Geschäfte.
„Ein guter Sonntag bringt den Umsatz einer ganzen Woche“, rechnet Finger vor. Mit den vier bislang in Nordrhein-Westfalen maximal zulässigen Sonntagsöffnungen könne er also einen zusätzlichen Monatsumsatz erwirtschaften. Herrenmode sei an Sonntagen besonders gefragt, weiß der alteingesessene Kaufmann: „Männer haben während der Woche keine Zeit und keine Lust zum Einkaufen.“
Deutschlands beliebteste Waren- und Kaufhäuser
Mit 2,05 Millionen Besucher in sehcs Monaten kommt Breuninger auf Rang 5 der Waren- und Kaufhäuser in Deutschland
Zur Umfrage: Das Ergebnis einer Umfrage zu den beliebtesten Waren- und Kaufhäusern in Deutschland zeigt, wie viele Menschen innerhalb von sechs Monaten im vergangenen Jahr in den verschiedenen Warenhäusern eingekauft haben.
Quelle: Statista / IFAK, Ipsos
Strauss Innovation landet 2014 auf dem vierten Platz der beliebtesten Waren- und Kaufhäuser mit rund vier Millionen Kunden in sechs Monaten.
Platz drei geht mit rund 8,4 Millionen Kunden an die Einzelhandelskette Woolworth mit rund 260 Filialen in Deutschland.
Mit einer Kundschaft von 17,35 Millionen hat es die Karstadt Warenhaus GmbH mit Sitz in Essen auf Platz zwei der beliebtesten Kaufhäuser geschafft.
Die meisten Kunden konnte die Galeria Kaufhof in sechs Monaten im Jahr 2014 in ihre Filialen locken. Rund 21,72 Millionen Deutsche über 14 Jahre haben dort eingekauft.