Neues Patientenrecht Koalition nimmt Kampf gegen Ärztepfusch auf

Für tausende Patienten wird der Klinikaufenthalt jedes Jahr zum tödlichen Risiko. Nun soll ein neues Gesetz Ärztefehler eindämmen - und die Patientenrechte stärken. Die SPD hält es allerdings nur für ein Placebo.

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Operationsbesteck im OP-Saal: Ein neues Patientenrechtegesetz soll Ärztefehler eindämmen. Quelle: dpa

Berlin Die Patienten in Deutschland werden laut Union und FDP künftig per Gesetz wirksam vor gefährlichen Ärztefehlern geschützt. Die Opposition warf der Koalition am Freitag im Bundestag dagegen vor, mit dem geplanten Patientenrechtegesetz beim Schutz der kranken Menschen zu versagen. „Dieses wird dazu beitragen, Fehler im ärztlichen Verhalten künftig besser zu vermeiden“, sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei der ersten Lesung. SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer hielt dem entgegen: „Dieses Gesetz ist ein Placebo.“

Erstmals sollen die Patientenrechte nach jahrelangen Debatten nun in einem Paragrafenwerk gebündelt werden. Patienten müssen laut dem Entwurf verständlich und umfassend über Behandlungen und Diagnosen informiert werden. Dazu dient ein Behandlungsvertrag. Patientenakten sollen vollständig und sorgfältig sein. Patienten erhalten ein Recht auf Akteneinsicht. Bei groben Fehlern muss der Arzt beweisen, dass der nachgewiesene Fehler nicht den eingetretenen Schaden verursacht hat. Dies war bisher bereits aufgrund von Urteilen gängige Praxis.

Bahr nannte beispielhaft Fehler, die eingedämmt werden sollen. „Bei Verdacht auf Krebs wird vielleicht das Gewebe nicht zur Untersuchung eingeschickt, ein Röntgenbild wird vielleicht falsch gedeutet.“ Im Verdachtsfall bekämen Patienten nun das Recht, ihre Krankenkassen etwa für Gutachten in Anspruch zu nehmen. „Meldungen wie "Falsches Bein amputiert" (...) dürften künftig der Vergangenheit angehören“, sagte der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU).

Bahr verteidigte das Prinzip, dass Ärzte auch künftig nicht generell beweisen müssen, keinen Fehler gemacht zu haben. „Eine generelle Beweislastumkehr würde zu amerikanischen Verhältnissen führen.“ Ärzte würden dann jedes Risiko vermeiden. „Wir wollen in Deutschland eine Fehlervermeidungskultur, nicht eine Risikovermeidungskultur.“

Volkmer entgegnete, die Beweismittel habe zu 100 Prozent der Arzt, doch die Beweislast liege zu 100 Prozent beim Patienten. „Er muss langwierige und teure Prozesse führen.“ Wenn etwa im Fall einer Klinikinfektion das Krankenhaus wahrscheinlich die Verantwortung trage, müsse es weitere Beweiserleichterungen für Patienten geben. Zudem solle ein Härtefallfonds eingerichtet werden, aus dem Opfer von Ärztefehlern unterstützt werden könnten. Dies lehnt die Koalition ab - die Verursacher selbst sollten für Schäden bezahlen.


Vertrauensverhältnis ist stark belastet

Insgesamt sterben nach unterschiedlichen Studien mindestens 17.000 Menschen pro Jahr wegen Fehlern und Problemen im Behandlungsverlauf allein in Deutschlands Kliniken.

Für Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die den Entwurf mit Bahr erarbeitet hatte, ist die Vermeidung eines Gegeneinanders von Ärzten und Patienten zentral: „Wir brauchen doch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, und auch das wird mit diesem Gesetzentwurf gestärkt.“

Genau dieses Vertrauen sieht die Opposition jedoch stark belastet, wie Martina Bunge (Linke) sagte: „Für Vertrauen brauchen wir ein Gesundheitssystem (...), das nicht Tummelplatz wirtschaftlicher Interessen ist.“ Die Gesetzespläne brächten keine Abhilfe. Kritisch sehen SPD, Linke und Grüne etwa die Selbstzahlerleistungen in den Praxen - auch künftig könnten Ärzte Patienten zu Untersuchungen ohne klaren Nutzen überreden. Bahr machte geltend, dass die Koalition den Versicherten freie Entscheidung zutraue: „Wir gehen vom mündigen Patienten aus.“

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte, die Koalition scheue vor verbindlichen Standards für jede Praxis und jedes Krankenhaus zurück - etwa zum Umgang mit Beschwerden. Gernot Kiefer, Vorstand des Krankenkassen-Spitzenverbands, forderte Nachbesserungen bis zur Verabschiedung, etwa für eine leichtere Beweisführung für die Betroffenen bei einem Verdacht auf Fehler.

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