Neues Steuerkonzept SPD sucht verzweifelt nach gerechter Reichensteuer

Die SPD arbeitet bereits an ihrem Wirtschafts- und Finanzprogramm für den Wahlkampf 2017. Größter Streitpunkt: Wie umgehen mit den Reichen im Land? Ein wichtiger Termin am Freitag soll Antworten geben.

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Die größten Steueroasen der Welt
Bei der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Networks steht die Schweiz an erster Stelle der Steueroasen – trotz aller Abkommen zum Informationsaustausch. Grund für die Top-Platzierung ist für die NGO die nach wie vor hohe Geheimhaltung von Finanzdaten in der Alpenrepublik. Quelle: dpa
Hongkong steht wegen seiner Verschwiegenheit bei der NGO Tax Justice Networks auf Rang zwei der Schattenfinanzplätze. Auch hier spielt der britische Einfluss noch eine große Rolle, da HK über mehr als ein Jahrhundert eine Kronkolonie war, bevor es in den 90er Jahren wieder an China fiel, aber weiter getrennt verwaltet wird. Quelle: AP
Luxemburg hat sich seinen Wohlstand – das Pro-Kopf-Einkommen liegt doppelt so hoch wie in Deutschland – durch eine äußerst wohlwollende Besteuerung erarbeitet, bei dem die Finanzverwaltung in geheimen Vereinbarungen („tax rulings“) gern auch mal nur ein Prozent Steuern verlangt. Quelle: dpa
Der US-Bundesstaat Delaware profiliert sich durch extrem niedrige Unternehmenssteuern. Hunderttausende Firmen sind dort registriert, auch namhafte deutsche. Nicht nur das Steuerklima ist dort günstig; Firmen lassen sich binnen eines Tages gründen. Quelle: dpa
Karibikeilande wie die Cayman Inseln, die Britischen Jungferninseln und die Bermudas zählen zu den echten Paradiesen mit viel Sonne, Strand und keinen Steuern für Unternehmen, Werktätige und Privatiers. Quelle: dpa
Irland ist für Unternehmen ein interessantes Land. Allerdings ist der Klassiker, das Double Irish mit Dutch Sandwich, nicht mehr im Angebot. Statt dessen gibt es nun eine „Knowledge Box“, mit deren Hilfe Unternehmen nur 6,25 Prozent Steuern zahlen müssen. Quelle: dpa
Deutschland gilt ebenfalls für manche als Steueroase, vor allem für reiche Unternehmer, die vererben wollen. Dank großzügiger Verschonungsregeln können selbst Milliardäre steuerfrei übertragen, wenn sich das Vermögen in Unternehmen befindet. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb eine Reform angemahnt. Quelle: dpa

Morgen, am 24. Juni müssen sie in der SPD ganz stark sein. Wer genau tapfer sein muss, das steht noch nicht fest: Sind es die Parteilinken? Oder alle anderen? Am Freitag stellt Thorsten Schäfer-Gümbel seiner Partei die Gretchenfrage, wie sie es mit der Vermögensteuer hält.  Der Parteivize und hessische SPD-Fraktionschef hat sich von Steuerfachleuten ein neues Konzept für den Umverteilungs-Evergreen schreiben lassen. Eine eigens von ihm anberaumte Experten-Anhörung in den Wiesbadener Landtag soll nun ein für alle Mal Antwort geben: Kommt man an die Reichen dieser Republik heran ohne Familienunternehmen zu schröpfen – und Jobs zu zerstören?

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte gerade erst Sympathie für die umstrittene Reichensteuer signalisiert – aber nur, wenn es wider Erwarten solch einen goldenen Weg gibt. Egal also, ob die Antwort Ja oder Nein lautet, sie dürfte danach Eingang ins SPD-Wahlprogramm finden.

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Und für gehörig Streit sorgen: Denn entweder müssten die Linken sich wieder einmal von ihrem Lieblingsprojekt verabschieden; oder wirtschaftsnahe Genossen einen Klassenkampf-Wahlkampf vertreten.

Auf den Showdown in Wiesbaden schauen die Genossen aber auch deshalb so gebannt, weil Schäfer-Gümbel gemeinsam mit dem Bundestagsfraktionsvize Hubertus Heil an entscheidender Stelle sitzt: das Duo bereitet gemeinsam das Wahlprogrammkapitel zur Steuer- und Wirtschaftspolitik vor. Beide haben zudem einen engen Draht zu Gabriel, dem mutmaßlichen Kanzlerkandidaten.

Rund 60 Genossen, Wissenschaftler, Gewerkschafter und Ökonomen tummeln sich in der AG, die bis Ende Oktober einen Entwurf abliefern will – pünktlich zum dazu gehörigen Programmkongress der Partei. Der Ehrgeiz ist ausgesprochen hoch. Nicht weniger als „neue Perspektiven für die ganze Sozialdemokratie“ will Schäfer-Gümbel formulieren, sagte Schäfer-Gümbel der WirtschaftsWoche.

Kluft in Sachen Vermögenssteuer

Wenig überraschend werden mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur klassische Kern- Forderungen des Konzepts sein. Überraschender wäre da schon ein besonderer Fokus auf Gründer: „Wir müssen Forschung und Innovation besser fördern – am besten gezielt bei Start-ups“, fordert Heil gegenüber der WirtschaftsWoche. „Der Staat sollte gerade deren Forschungsbudgets steuerlich unterstützen.“

Doch vieles spricht dafür, dass die heftigste und meistbeachtete Debatte sich wieder um die Frage drehen wird, wer am Ende mehr Milliarden für Schulräume, kostenlose Kitas, Straßen und Breitbandnetze finanzieren soll.

Denn neue Schulden soll es nicht geben.

Als sich die AG vor einigen Wochen zu einem Auftakt-Workshop am Krossinsee im lieblichen Brandenburg zusammenfand, war die Stimmung im Großen und Ganzen gut und konzentriert, doch die Kluft in Sachen Steuerpolitik war offensichtlich: Auf der einen Seite SPDler, die die Vermögensteuer als „Bullshit“ abtun – und auf der anderen jene, die sie lieber gestern als heute wiederbeleben würden. Allen Problemen zum Trotz.

Vieles spricht dafür, dass die SPD 2017 versuchen wird, den Graben mit einem Sowohl-als-auch zu überbrücken.

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"Wir brauchen ein gerechteres Steuer- und Abgabensystem, damit unser Staat fairer finanziert wird. Das heißt: die Leistungsträger mit kleinen und mittleren Einkommen müssen entlastet werden, aber andere können mehr beitragen“, sagte Schäfer-Gümbel der WirtschaftsWoche.

Immerhin: Das klare Signal für Entlastungen wäre eine erste Lehre aus der desaströsen Steinbrück-Kampagne 2013, die nur Belastung versprach. Zumal die Genossen sehr intensiv und wohlwollend über die Sozialabgaben, etwa mittels Freibeträgen, nachdenken. Dafür dürfte die Abgeltungsteuer Geschichte sein – und ein höherer Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer nicht tabu. Wenn denn die Vermögensteuer ausfällt.

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