Neulich...in der Kita

Erzieher dringend gesucht!

Alle reden von frühkindlicher Bildung - doch an Kita-Personal fehlt es schon heute. Kein Wunder: Der Job ist miserabel bezahlt.

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Neulich... die Kolumne zu Bildung und Gesundheit Quelle: Torsten Wolber

Wie oft haben wir im vergangenen Jahr gehört und gelesen, dass frühkindliche Bildung ja so wichtig ist. Dass vor allem Kinder aus bildungsfernen Familien möglichst schon mit ein oder zwei Jahren in Kindertagesstätten gefördert werden sollen, dass Kinder, deren Muttersprache nicht deutsch ist, ohne eine ordentliche Kita gar keine Chance auf Bildung haben. Alles richtig.

Doch wie sieht die Praxis aus?

In der Kita meiner Kinder fehlt seit einem halben Jahr eine Erzieherin – oder ein Erzieher, aber die Hoffnung, einen Mann für diese Stelle zu finden, war von Anfang an verschwindend gering. Auf die Frage, wann eine Nachfolgerin eingestellt wird, lautete beim letzten Elternabend die Antwort: Wir suchen, aber es gibt zurzeit keine arbeitslosen Erzieher.

Koalition will die Kinderbetreuung massiv ausbauen

„Zurzeit“ ist gut – dieser Zustand wird sich noch verschärfen. Denn die Bundesregierung will in den kommenden vier Jahren die Kinderbetreuung massiv ausbauen, was ja auch richtig ist. Doch ist bisher scheinbar niemandem aufgefallen, dass man dafür ausgebildete, motivierte Erzieherinnen und Erzieher in ausreichender Zahl benötigt. Schon jetzt reisen einzelne Kita-Träger durch das Land und gerne auch durch andere Bundesländer, um Erzieher gleich an den Schulen anzuwerben, ähnlich wie die Kultusminister um Lehrer buhlen.  

Eigentlich könnte man jungen Leuten also nur raten, diesen Beruf zu ergreifen – wenn er nicht so schlecht bezahlt wäre.

Wussten Sie, dass die Kita-Betreuerin Ihrer Kinder wahrscheinlich mit weniger Geld nach Hause geht als Ihre Putzfrau? Trotz einer mindestens zweijährigen Ausbildung, trotz eines Jobs, der maximalen Einsatz, größte Nervenstärke, Kreativität, Musikalität und nicht endende Geduld voraussetzt?

Kinder einer Charlottenburger Quelle: dpa/dpaweb

Eine 50-jährige Erzieherin verdient nach 25 Berufsjahren in einer öffentlichen Kita der Stadt Berlin bei voller Stundenzahl rund 2400 Euro brutto – das sind, bei Steuerklasse IV, nicht einmal 1400 Euro netto, bei der Hausfrauen-Ruhighalte-Steuerklasse V etwa 1080 Euro. Berufseinsteiger bringen es kaum auf 1000 Euro netto, für eine Vollzeitstelle. Unterm Strich macht das weniger als sieben Euro pro Stunde – für dieses Geld finden Sie keine Putzhilfe.

Und schon gar nicht die Super-Nanny, die Ihren Kindern nicht nur Liebe und Geduld entgegen - sondern auch noch Englisch beibringen soll, sich mit Gender-Mainstreaming auseinandergesetzt und möglichst ein paar Semester Pädagogik studiert hat.

Kita kostet zwar Geld - rechnet sich aber

Längst gilt es als Binsenweisheit, dass Bildung umso mehr bringt, je früher sie einsetzt. Eine gute Kita mit früher individueller Förderung, mit motivierten und nicht überlasteten Erziehern kostet zwar Geld, doch langfristig kommt sie die Allgemeinheit jedoch viel billiger zu stehen als die Folgen von verpfuschter Frühförderung: mangelnde Deutschkenntnisse, abgebrochene Hauptschulkarrieren, teure Auffangprogramme für Jugendliche ohne Lehrstelle oder gar Langzeitarbeitslosigkeit.

Entweder werten wir den Erzieher-Beruf also endlich auf und bezahlen ihn angemessen. Oder wir hoffen auf den Markt: Sinkendes Angebot von Arbeit bei steigender Nachfrage müsste zu höheren Preisen (Löhnen) führen, ganz von selbst.

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