Neulich…in der Schule

Schulsystem mangelhaft

Eine neue Studie zeigt: 54 Prozent der Eltern sind so unzufrieden mit dem Schulsystem, dass sie ihre Kinder lieber an einer Privatschule lernen lassen würden.

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Neulich... Quelle: Torsten Wolber

Über diese Zahl waren fast alle Teilnehmer der Pressekonferenz in Berlin höchst erstaunt: Über die Hälfte der Väter und Mütter in Deutschland würden ihre Kinder lieber auf eine Privatschule schicken, wenn sie sich das leisten könnten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Forsa-Befragung im Auftrag der Zeitschrift "Eltern". Die Studie fördert noch einiges Spannendes zu Tage: Eine große Mehrheit der Eltern mit minderjährigen Kindern empfindet das deutsche Bildungssystem als Zumutung. So lehnen 91 Prozent der Eltern den Föderalismus in der Bildungspolitik ab und fordern eine bundesweite Vereinheitlichung des Schulsystems.

Das ist ein dramatisches Misstrauensvotum gegen das staatliche Schulsystem und alle verantwortlichen Bildungspolitiker in diesem Lande. Die Zahlen zeigen vor allem, dass die verantwortlichen Volksvertreter und Regierenden offenbar seit Jahren am Volk vorbei handeln. Die Menschen stellen die Systemfrage, während sich die Politiker im Klein-Klein einzelner Systembausteine verheddern.

Nach dem Pisa-Schock hatten die 16 Kultusminister begonnen, am hiesigen System herumzuschrauben: Frühere Einschulung, Hauptschulen werden fast überall abgeschafft, Abitur in zwölf Jahren, teilweise zentrale Prüfungen. Das alles jedoch nie einheitlich, sondern jedes Bundesland nach eigenem Tempo und mit eigenen Schwerpunkten.

Dauerzwist in Bildungspolitik nervt

Die Folge: Väter und Mütter sind genervt und die Unzufriedenheit mit dem deutschen Schul- und Bildungssystem steigt. Viele Eltern klagen schon lange, dass Lehrpläne und Abschlüsse derzeit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind und ihre Kinder bei einem Umzug mit unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert werden.

Die Umfrage zeigt außerdem, dass Eltern die Bildungspolitik der Großen Koalition nicht honorieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Thema zwar zum Prestigeprojekt erklärt und im vergangenen Herbst einen Bildungsgipfel von Bund und Ländern einberufen. Die dort vereinbarten Neuerungen und Investitionen sind beim Gros der Familien offenbar nicht angekommen. Die Menschen nervt vor allem der Dauerzwist Bund und Ländern in der Bildungspolitik.

Eine gefährliche Entwicklung. Denn die Umfrage machte auch deutlich, dass Bildungspolitik ein Topthema bei der Bundestagswahl am 27. September ist. 81 Prozent der Befragten nannten eine Verbesserung des Schul- und Bildungssystem als wichtigstes Ziel der Politik. Was ist, wenn viele Frustrierte zu Hause bleiben statt an die Wahlurne zu gehen? Schließlich zeitge die Studie auch, dass Eltern ohnehin seltener zur Wahl gehen als andere Bevölkerungsgruppen.

Einflussreiche Wählergruppe

Väter und Mütter sind eine mächtige Wählergruppe, immerhin leben hierzulande 14 Millionen Kinder unter 18 Jahren. Höchste Zeit also für die Politik, umzusteuern und etwa die Zersplitterung der Bildungssysteme im föderalen System wieder zu begrenzen.

Ein zentraler Einheitsbrei auf niedrigem Niveau muss dabei keineswegs herauskommen. Verschiedenheit darf in soweit existieren, so lange Bildungswege und –abschlüsse bundesweit vergleichbar sind und nationale Bildungsstandards existieren – also einheitliche Lernpläne und Vorgaben, zu welchem Zeitpunkt wann wer was können sollte.

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