Weizsäcker: Das stimmt. Es ist nicht Aufgabe einer Notenbank, Unternehmen zu finanzieren. Man muss leider konstatieren: Die Munition der EZB ist weitgehend verschossen. Umso wichtiger wäre es, wenn mehr Staatsanleihen verfügbar wären, die die EZB kaufen kann. In Deutschland muss daher die Schuldenbremse weg.
Homburg: Sie widersprechen sich. Einerseits sehen Sie in höheren Schulden etwas Positives. Wenn Italien mehr Anleihen emittiert, würden Sie das begrüßen. Nach dieser Logik aber müssten Sie das QE-Programm ablehnen, weil die EZB den Sparern die italienischen Anleihen wegschnappt.
Weizsäcker: Nein, wieso? Draghis Ziel ist eine Veränderung der Zinsstruktur. Er will die langfristigen Zinsen drücken. In einem System ohne Vollbeschäftigung ist es sinnvoll, die Investitionen so zu erhöhen. Investitionen sind nun mal am langen Ende zinsempfindlich.
Homburg: Sie weichen aus. Wenn in Ihrer Logik die EZB Anleihen kauft, verhindert sie, dass diese Staatsanleihen private Ersparnisse absorbieren.
Weizsäcker: Das ändert nichts an den sinkenden Langfristzinsen. Dadurch kann sich der Staat billiger verschulden und neue Anleihen ausgeben. Das Missverhältnis zwischen Über-Ersparnis und Unter-Investitionen entspannt sich. Sicher: Ich argumentiere in einem Modell, in dem die Gesamtnachfrage zu gering ist und in dem Unterbeschäftigung herrscht ...
Homburg: ... und schon da überkommen mich Zweifel. Zum einen gibt es in den meisten Industriestaaten, Lateineuropa ausgenommen, keine Unterbeschäftigung. Zum anderen kommt vom Kapitalmarkt keine Rettung, wenn Arbeitslosigkeit durch überregulierte Arbeitsmärkte oder hohe Lohnzuwächse entsteht. In Spanien und Italien sind die Löhne seit der Rezession zweistellig gestiegen.
10 Fakten über den 500 Euro-Schein
Ende des Jahres 2015 waren genau 613.559.542 500 Euro-Scheine im Umlauf. Dies entspricht einem Wert von 306.779.771.000 Euro. Laut EZB ist somit nur der 200 Euro-Schein noch seltener im Umlauf.
Im März 2016 waren es nur noch 594.417.006 Scheine, fast 20 Millionen Scheine wurden bereits still und heimlich von der Zentralbank eingezogen.
In Spanien wird der 500er “Bin Laden” genannt: Alle wissen, dass der Schein existiert - aber fast niemand hat ihn je gesehen.
Der Hauptgrund für die Abschaffung des Scheins sind seine Nutzer. Besonders bei Geldwäsche oder im Drogenhandel ist der Fünfhunderter beliebt, denn es sind keine riesigen Geldkoffer von Nöten, um Gelder zu transferieren. Viele Geschäfte akzeptieren ihn nicht einmal.
Die Produktion eines Scheins mit dem Wert von 500 Euro kostet acht Cent.
Im Jahr 2002 wurde der Euro in Bargeldumlauf gebracht, seit 2013 werden nach und nach die Scheine durch neue, fälschungssichere Banknoten ersetzt. 50, 100, 200 und 500 sind von dieser Neuerung bis jetzt ausgenommen. Bei Letzterem erübrigt sich nun der Aufwand.
Im April 2010 stoppten englische Wechselstuben die Ausgabe von 500 Euro-Scheinen. 90 % aller 500er-Noten in England sollen sich im Besitz der organisierten Kriminalität befinden.
Die meisten 500 Euro-Scheine befinden sich in Spanien. Angeblich ein Viertel der Scheine im Umlauf soll in dem südeuropäischen Land zirkulieren - und das obwohl Spanien nur 9,264 % des BIP der Euro-Zone verantwortet.
Mit den Maßen 160 x 82 Millimeter ist er der größte Schein. Genau wie auf den anderen Euro-Noten ist auf ihm ein Architekturstil abgebildet und u.a. mit den Sicherheitsmerkmalen Wasserzeichen, Hologramm und Stichtiefdruck ausgestattet. Ein Schein wiegt 1,12 Gramm - würde man einen Koffer mit tausend Scheinen im Wert von einer halben Million Euro mit sich herumtragen, würde der Inhalt gerade mal etwas mehr als ein Kilo wiegen.
Im günstigsten Fall wird die Abschaffung des Scheins rund eine halbe Milliarde Euro kosten. Den Hauptteil wird die Produktion neuer, kleinerer Scheine wie Hunderter und Zweihunderter ausmachen, um den Wert der Fünfhunderter zu decken.
Die EZB schwächt den Euro. Ist das auf Dauer ein süßes Gift, das den Reformdruck senkt?
Weizsäcker: Ich erkenne dieses Argument an. Aber es hat seine Grenzen. Austerität ist mittlerweile ein Schimpfwort, mit dem sich Wahlkampf machen lässt. Es wird immer schwerer, Europa zusammenzuhalten. Wollen wir den Euro erhalten – und das will auch die Industrie –, müssen wir eine Aufwertung vermeiden. Sonst geraten die südeuropäischen Staaten in eine neue Krise, die Reformen noch schwerer macht. Natürlich dürfen wir die Länder nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Ich war entsetzt, dass man Griechenland mit so immensen Summen gerettet hat.
Homburg: Ich glaube, die Überlebenswahrscheinlichkeit der Euro-Zone liegt bei null. Für die Probleme der Währungsunion gibt es keine Lösung, die volkswirtschaftlich und polit-ökonomisch funktioniert. Würde die EZB ihr QE-Programm beenden, gingen die Renditen in Spanien und Italien durch die Decke. Das wird Draghi nicht wagen. Wenn die Inflation irgendwann ins Traben kommt, sind der Notenbank die Hände gebunden.
Sie glauben an den Zerfall der Euro-Zone?
Homburg: Es gibt genügend historische Vorbilder: Bei der lateinischen und skandinavischen Münzunion im 19. Jahrhundert waren es nicht die schwachen, sondern die starken Länder, denen es zu viel wurde. Das wahrscheinlichste Szenario für die Euro-Zone ist, dass sich zunächst Staaten wie Finnland oder die Niederlande verabschieden. Deutschland nicht, dafür ist die „political correctness“ bei uns zu groß.
Weizsäcker: Ich bin nicht so pessimistisch wie Sie. Der Euro ist noch kein Todeskandidat, denn alle Beteiligten wissen: Sollte der Euro zerbrechen, könnten die starken Staaten ein Deflationsdesaster erleben. Wir haben die Wahl zwischen einer Transferunion und dem Zurückfahren der deutschen Exportüberschüsse durch höhere Binnennachfrage. Bei höheren Schulden passen sich die relativen Preise schneller an, wir bekommen in Deutschland mehr Inflation. Südeuropa bringt das Luft zum Atmen.
Homburg: Du lieber Himmel, wollen Sie die Romanisierung Deutschlands? Wir sollen uns selber schwächen, weil andere schwach sind? Mit dieser Strategie geht Europa den Bach runter – immerhin solidarisch!