Niedrige Zinsen Sind die Sparer selbst schuld?

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Ein schwacher Euro als süßes Gift?

Weizsäcker: Das stimmt. Es ist nicht Aufgabe einer Notenbank, Unternehmen zu finanzieren. Man muss leider konstatieren: Die Munition der EZB ist weitgehend verschossen. Umso wichtiger wäre es, wenn mehr Staatsanleihen verfügbar wären, die die EZB kaufen kann. In Deutschland muss daher die Schuldenbremse weg.

Homburg: Sie widersprechen sich. Einerseits sehen Sie in höheren Schulden etwas Positives. Wenn Italien mehr Anleihen emittiert, würden Sie das begrüßen. Nach dieser Logik aber müssten Sie das QE-Programm ablehnen, weil die EZB den Sparern die italienischen Anleihen wegschnappt.

Weizsäcker: Nein, wieso? Draghis Ziel ist eine Veränderung der Zinsstruktur. Er will die langfristigen Zinsen drücken. In einem System ohne Vollbeschäftigung ist es sinnvoll, die Investitionen so zu erhöhen. Investitionen sind nun mal am langen Ende zinsempfindlich.

Die Welt in Blau und Silber
Am 14. April 2016 erscheint die erste deutsche Fünf-Euro-Münze "Planet Erde". Die Euro-Version des "Heiermanns" ist anerkanntes Zahlungsmittel, dürfte aber vor allem für Sammler interessant sein. Quelle: dpa
Die neue Münze soll nicht den Fünf-Euro-Schein ersetzen. Quelle: dpa
Die Erde mit Blauschimmer: Eine Seite der Münze zeigt eine stilisierte Ansicht der Erde, umgeben von den Planeten unseres Sonnensystems. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Der Entwurf des Bundesadlers basiert auf einer Vorlage der Designerin Alina Hoyer aus Berlin. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Besonders ist zweifelsfrei der lichtdurchlässige Ring aus Polymer, einem Spezialkunststoff. In den Kunststoffring sind kleine Kristalle eingearbeitet, die für mehr Leuchtkraft sorgen sollen. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Mit Hintergrundlicht leuchtet der integrierte Kunststoffstreifen in hellem Blau. Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de
Die Randschrift der Münze lautet "Blauer Planet Erde". Quelle: BADV/Agentur: leadcom.de

Homburg: Sie weichen aus. Wenn in Ihrer Logik die EZB Anleihen kauft, verhindert sie, dass diese Staatsanleihen private Ersparnisse absorbieren.

Weizsäcker: Das ändert nichts an den sinkenden Langfristzinsen. Dadurch kann sich der Staat billiger verschulden und neue Anleihen ausgeben. Das Missverhältnis zwischen Über-Ersparnis und Unter-Investitionen entspannt sich. Sicher: Ich argumentiere in einem Modell, in dem die Gesamtnachfrage zu gering ist und in dem Unterbeschäftigung herrscht ...

Homburg: ... und schon da überkommen mich Zweifel. Zum einen gibt es in den meisten Industriestaaten, Lateineuropa ausgenommen, keine Unterbeschäftigung. Zum anderen kommt vom Kapitalmarkt keine Rettung, wenn Arbeitslosigkeit durch überregulierte Arbeitsmärkte oder hohe Lohnzuwächse entsteht. In Spanien und Italien sind die Löhne seit der Rezession zweistellig gestiegen.

10 Fakten über den 500 Euro-Schein

Die EZB schwächt den Euro. Ist das auf Dauer ein süßes Gift, das den Reformdruck senkt?

Weizsäcker: Ich erkenne dieses Argument an. Aber es hat seine Grenzen. Austerität ist mittlerweile ein Schimpfwort, mit dem sich Wahlkampf machen lässt. Es wird immer schwerer, Europa zusammenzuhalten. Wollen wir den Euro erhalten – und das will auch die Industrie –, müssen wir eine Aufwertung vermeiden. Sonst geraten die südeuropäischen Staaten in eine neue Krise, die Reformen noch schwerer macht. Natürlich dürfen wir die Länder nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Ich war entsetzt, dass man Griechenland mit so immensen Summen gerettet hat.

Homburg: Ich glaube, die Überlebenswahrscheinlichkeit der Euro-Zone liegt bei null. Für die Probleme der Währungsunion gibt es keine Lösung, die volkswirtschaftlich und polit-ökonomisch funktioniert. Würde die EZB ihr QE-Programm beenden, gingen die Renditen in Spanien und Italien durch die Decke. Das wird Draghi nicht wagen. Wenn die Inflation irgendwann ins Traben kommt, sind der Notenbank die Hände gebunden.

Sie glauben an den Zerfall der Euro-Zone?

Homburg: Es gibt genügend historische Vorbilder: Bei der lateinischen und skandinavischen Münzunion im 19. Jahrhundert waren es nicht die schwachen, sondern die starken Länder, denen es zu viel wurde. Das wahrscheinlichste Szenario für die Euro-Zone ist, dass sich zunächst Staaten wie Finnland oder die Niederlande verabschieden. Deutschland nicht, dafür ist die „political correctness“ bei uns zu groß.

Weizsäcker: Ich bin nicht so pessimistisch wie Sie. Der Euro ist noch kein Todeskandidat, denn alle Beteiligten wissen: Sollte der Euro zerbrechen, könnten die starken Staaten ein Deflationsdesaster erleben. Wir haben die Wahl zwischen einer Transferunion und dem Zurückfahren der deutschen Exportüberschüsse durch höhere Binnennachfrage. Bei höheren Schulden passen sich die relativen Preise schneller an, wir bekommen in Deutschland mehr Inflation. Südeuropa bringt das Luft zum Atmen.

Homburg: Du lieber Himmel, wollen Sie die Romanisierung Deutschlands? Wir sollen uns selber schwächen, weil andere schwach sind? Mit dieser Strategie geht Europa den Bach runter – immerhin solidarisch!

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