NPD-Finanzen Der Fluch der braunen Millionen

Weil NPD-Leute den Nazi-Terroristen geholfen haben sollen zu morden, will die Politik die Partei verbieten. Dabei hat sie die NPD selbst stabilisiert: Seit Jahren versickern Millionen an Steuergeldern im braunen Sumpf.

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Neonazi bei einer Demonstration: Seit Jahren versickern Millionen an Steuergeldern im braunen Sumpf.

420 Ermittler sind bislang zur Aufklärung der rechtsextremen Mordserie an Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln im Einsatz, die der mutmaßlichen Neonazi-Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) und Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Börnhardt zugerechnet wird. Sie haben einen schwerwiegenden Verdacht zutage gefördert: NPD-Mitglieder - nicht nur unter den bisher Festgenommenen - sollen Teil des braunen Unterstützungsnetzwerkes gewesen sein, das die Gruppe im Untergrund mit Waffen, Geld und Ausweisen versorgte.

Neben der 36-jährigen Zschäpe als mutmaßlicher Mitbegründerin der Terrorzelle sind zwei mutmaßliche Unterstützer der Gruppe inhaftiert - und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Der 36-Jährige, der Berichten zufolge früher NPD-Vize in Thüringen war, soll den Zwickauer Terroristen 2001 oder 2002 eine Schusswaffe und Munition verschafft haben. Er sei überzeugt, dass bei den Ermittlungen künftig noch „weitere Beziehungen zur NPD“ entdeckt werden, sagte der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, vergangene Woche.

Die Nähe zu den rechtsextremen Gewalttätern könnte der Partei nun das Genick brechen. Am Donnerstag und Freitag beraten die Landesinnenminister über ein neues NPD-Verbotsverfahren. Der letzte Versuch scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht: Solange Spitzel des Verfassungsschutzes führende Positionen bei der NPD besetzen, könne man die Partei nicht verbieten, urteilten die Richter damals.

Auch heute ist die Partei mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt. Deswegen loten Politiker bereits andere Wege aus, die NPD zu schwächen. „Es muss auch über Alternativen nachgedacht werden, um die NPD beispielsweise nicht länger vom Geld unserer Steuerzahler profitieren zu lassen“, sagte Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Handelsblatt Online mit Blick auf die staatliche Parteienfinanzierung. „Wenn es gesetzlich möglich ist, muss man das machen, denn der Kampf gegen Rechtsextremismus muss als deutsche Staatsräson betrachtet werden.“

Auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann fordert seit Jahren, nicht nur zu versuchen, die NPD zu verbieten, sondern sie auch finanziell auszutrocknen: „Ich plädiere mit Nachdruck dafür, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen“, sagte er erst kürzlich der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Dazu müssten wir allerdings das Grundgesetz und das Parteiengesetz ändern“, räumte er ein.

Die NPD profitiert wie kaum eine zweite Partei von staatlicher Unterstützung: Seit Jahren versickern Millionen an Steuergeldern im braunen Sumpf. Für die Partei, die gerne so martialisch auftritt, ist ihre Finanzierung eine empfindliche Schwachstelle. Man könnte sagen, dass es die NPD ohne staatliche Hilfe vielleicht gar nicht geben würde: Nicht nur weil viele der V-Leute des Verfassungsschutzes ihre Spitzelhonorare direkt an die NPD-Parteikasse überweisen. „Wenn sie so wollen, hat der Verfassungsschutz die Grundfinanzierung der NPD in NRW geleistet“ sagte ex-Agent Wolfgang Frenz kürzlich ganz offen dem Magazin „Stern“.


Das Steuergeld hat die NPD jahrelang stabilisiert

Auch über die staatliche Parteienfinanzierung fließen seit Jahren Unmengen an Steuergeldern in die Taschen der rechtsextremen Partei. Laut ihren offiziellen Rechenschaftsberichten hat die NPD seit 2002 rund 8,4 Millionen Euro vom Staat kassiert. Allein 2009 bekam sie rund 1,2 Millionen Euro vom Steuerzahler - rund 37 Prozent ihrer gesamten Einnahmen. Staatliche Mittel machen bei ihr soviel wie bei kaum einer anderen vergleichbaren kleinen Partei aus. Andere rechtsextreme Gruppierungen wie die Republikaner und die Deutsche Volksunion (DVU) brachten es 2009 nur auf 28 Prozent, die Piratenpartei gerade mal auf fünf Prozent Staatsquote.

Die hohen staatlichen Zuschüsse verdankt die NPD dem Parteiengesetz: Solange sie Anspruch auf Förderung hat, bekommt sie wie jede andere Partei auch für ihre Gesamtstimmen bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen 85 Cent, ab vier Millionen Stimmen 70 Cent. Für jeden Euro, den die NPD an Spenden bis 3300 Euro einwirbt, packt der Steuerzahler ebenfalls noch einmal 38 Cent oben drauf.

Die Einnahmen der Partei schwanken daher vor allem mit den Wahlergebnissen: In Superwahljahren wie 2009 ist die staatliche Förderung besonders hoch. Bei der letzten Bundestagswahl kam die NPD auf 1,5 Prozent der Stimmen, auch bei den Landtagswahlen schnitt sie in den letzten Jahren immer besser ab.

Doch auch sonst ist die Finanzbasis der Partei alles andere als sicher. Ihre Mitgliedsbeiträge liegen seit 2002 konstant zwischen 400.000 und 600.000 Euro, ihr Spendenaufkommen bei durchschnittlich 860.000 Euro - der Partei gelingt es nicht, ausreichend neue Mitglieder und Unterstützer zu werben. Nur wenigen NPD-Leuten ist ihre Gesinnung so viel Geld wert wie Robert Weber aus Mehmels (Thüringen): Im September 2009 spendete er 140.500 Euro an die Partei.

„Dass wir mehr Spenden einwerben könnten, liegt auf der Hand“, sagt NPD-Bundesschatzmeister Andreas Storr, der gerade auf dem letzten Parteitag im November gewählt wurde. Ein Einnahmenproblem sieht er aber nicht. Das Steuergeld sei für die NPD zwar eine wesentliche Einnahmequelle, aber es sei nicht das Ziel der Partei, „Wahlkampf ausschließlich aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu machen“. Dennoch will die NPD laut Storr gegen jede Änderung des Parteiengesetzes klagen, die die staatliche Parteienfinanzierung mit einem Gesinnungsvorbehalt verknüpft.

Noch mehr als die Abhängigkeit von staatlichen Zuschüssen belastet die NPD ein Kostenproblem: „Die Partei musste sich stark verschulden, um ihre Wahlkämpfe überhaupt führen zu können“, meint Storr. Denn die NPD habe Wahlkampf auf dem finanziellen Niveau größerer Parteien machen müssen, „um die Schweigespirale der etablierten Politik zu durchbrechen“.

Die Parteifinanzen haben deshalb seit 2002 eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich: Defizite und Überschüsse wechselten sich Jahr für Jahr ab, im besten Falle erwirtschafteten die braunen Kameraden ein Plus von wenigen Hunderttausend Euro - in jedem zweiten Jahr aber ein Minus. Der Staat hat die Partei mit seinen Zuschüssen stabilisiert. Auch deswegen, weil es die braune Partei mit ihren Finanzen offenbar nicht ganz so genau nimmt - und ihre staatlichen Einnahmen durch Betrug systematisch erhöht hat.


Millionenstrafen drohen die NPD-Finanzen auf Jahre zu lähmen

Inzwischen kämpft die chronisch defizitäre NPD ums finanzielle Überleben: Für 2009 schlägt ein Verlust von 1,9 Millionen Euro zu Buche, der sich aus einer millionenschweren Rückstellung ergibt. Die Partei hat sich mit dem Bundestag in einem komplizierten Rechtsstreit verhakt. Ein ehemaliger NPD-Funktionär hatte Spenden falsch deklariert, um mehr Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu erschleichen. Und auch sonst pflegten die Kameraden offenbar einen laxen Umgang mit den Buchhaltungsregeln.

Wegen Fehlern im Rechenschaftsbericht 2007 soll die NPD nun 2,5 Millionen Euro Strafe an den Bundestag zahlen, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin im Mai. Die rechtsextreme Partei hat dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Oktober Revision eingelegt, die Verhandlung wird für die zweite Jahreshälfte 2012 erwartet. Sollten die Richter das Urteil bestätigen, wäre das für die NPD-Finanzen ein Desaster.

„Die Strafzahlung würde uns massiv behindern, aber nicht vernichten“, räumt auch Schatzmeister Storr ein. Storr, selbst Bankkaufmann und Bilanzbuchhalter, hält die Strafe, die der Bundestag verhängt hat, für „nach wie vor nicht nachvollziehbar“. Er geht davon aus, dass eine eventuelle Strafe mit den künftigen Ansprüchen der NPD aus der Parteienfinanzierung verrechnet werden würde - so will die NPD die Summe über fünf Jahre strecken. Doch auch wenn die Partei nicht einmalig 2,5 Millionen, sondern jährlich 500.000 Euro zu zahlen hätte: Die NPD müsste, gemessen an ihren Wahlkampfkosten 2009, bei Wahlen in den nächsten fünf Jahren mit rund 40 Prozent weniger Geld auskommen. „Das wäre für uns durchaus zu verkraften“, glaubt Storr.

Angefangen hatte das Finanzdesaster 2006 mit dem ehemaligen NPD-Landeschef Frank Golgowski: Der hatte Spendenquittungen fingiert, um an mehr Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu gelangen. Die Bundestagsverwaltung forderte daraufhin im Februar 2007 rund 890.000 Euro an staatlichen Mitteln von der NPD zurück. In ihrem Rechenschaftsbericht 2007 verrechnete die Partei diese Rückforderung mit ihren Ansprüchen aus der Parteienfinanzierung und wies den staatlichen Nettozuschuss mit rund 560.000 Euro, die für den NPD-Bundesverband festgesetzten staatlichen Mittel mit rund 675.000 Euro aus.

Macht inklusive anderer Unrichtigkeiten insgesamt rund 1,25 Millionen Euro falsch deklarierte staatliche Zuwendungen, stellte die Bundestagsverwaltung im März 2009 fest - und brummte der NPD die im Parteiengesetz vorgesehene Strafe des zweifachen Betrages auf, rund 2,5 Millionen Euro. Der Spendenskandal summierte sich durch die kreative Buchhaltung der Kameraden zu einem Finanzdesaster.

Ein weiterer Spendenskandal hat auf die Finanzen der NPD noch gar nicht durchgeschlagen: Die Staatsanwaltschaft Münster hat bereits im Dezember 2009 Anklage gegen den ehemaligen NPD-Bundesschatzmeister Erwin Kemna erhoben. Er soll ebenfalls Spenden und Mitgliedbeiträge nach oben frisiert haben, um staatliche Zuschüsse zu erschleichen. Es geht um die Rechenschaftsberichte der Jahre 2002 bis 2006 - und insgesamt fast 870.000 Euro, die zu neuen Millionenstrafen für die NPD führen könnten. Kemna wurde bereits im September 2008 wegen Untreue zu 2 Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte rund 700.000 Euro aus der Parteikasse abgezweigt, um sein marodes Küchenstudio zu retten.

Und auch der neue NPD-Bundesschatzmeister Andreas Storr (43) hat Probleme mit der Justiz: Die Staatsanwaltschaft Görlitz hat gegen ihn Strafbefehl wegen vorsätzlicher Körperverletzung über 3150 Euro beantragt. Dem sächsischen Landtagsabgeordneten wird vorgeworfen, am 21. Juli 2010 im Zug von Dresden nach Görlitz eine 36 Jahre alte Polin „derart heftig angegriffen zu haben, dass diese von der Sitzbank fiel und sich eine schmerzhafte Prellung zuzog“. Storr bestreitet, die Frau berührt zu haben. Er habe sie lediglich darauf hingewiesen, dass sie Schweißfüße habe und aufgefordert, die Füße von der Sitzbank zu nehmen.

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