NPD-Verbotsverfahren V-Leute wohl kein Hindernis

Eine erste Hürde hat das NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe bereits genommen. Denn das V-Leute-Risiko, an dem ein erster Prozess 2003 scheiterte, ist vorerst vom Tisch. Ein Selbstläufer ist das Verbot deshalb aber nicht.

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Allzu sicher scheint sich die NPD ihrer Sache nicht mehr zu sein Quelle: dpa

Karlsruhe Auf den ersten Blick ist es ein Triumph für die Bundesländer und alle, die mit ihnen die NPD am liebsten verboten sähen. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert nicht noch einmal an den unheilvollen V-Worten – Verfassungsschutz, Verbindungsleute, Verfahrenshindernisse. Diesmal kommt die rechtsextreme Partei nicht so einfach davon. (Az. 2 BvB 1/13)

Gleich zum Auftakt am Dienstag haben die Karlsruher Richter einen kompletten Verhandlungstag darauf verwandt, die umfangreichen Belege des Bundesrats für die rechtzeitige „Abschaltung“ der Informanten in der Partei auf Unstimmigkeiten abzuklopfen. NPD-Anwalt Peter Richter hat seinen Einfallsreichtum bemüht, um den Senat doch noch mit der Präsentation von ein paar Überwachungs- und Anwerbeversuchen zu überraschen. Ohne Erfolg. Am Mittwochmorgen spricht Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle die erleichternden Worte: Das alles bringt das Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht ernsthaft ins Schlingern.

Die Verfassungsrichter prüfen also im Detail, was der Bundesrat in seinem 250-seitigen Verbotsantrag gerichtsfest zu dokumentieren versucht: dass die NPD mit dem, was sie denkt, was sie sagt, was sie tut, gegen die demokratische Grundordnung arbeitet und deshalb in diesem Land besser nicht existiert.

Aber so ein Parteiverbot ist kein Selbstläufer, das wird in der Verhandlung am Mittwoch schnell deutlich. Natürlich klingt es einleuchtend, wenn der Dresdner Totalitarismusforscher Steffen Kailitz an vielen Beispielen aus Partei- und Aktionsprogrammen eine Wesensverwandtschaft der NPD mit der nationalsozialistischen NSDAP aufzuzeigen versucht. Wenn er plastisch schildert, wie die NPD bei ihrer geplanten „Ausländerrückführung“ acht bis elf Millionen „nicht germanischstämmige“ Menschen aus Deutschland vertreiben will. Und über die Parallelen zwischen „Moslemfrage“ und „Judenfrage“ spricht.

Aber zuvor hat sein Wissenschaftlerkollege Eckhard Jesse aus Chemnitz eben auch vorgemacht, wie man die Partei mit ihren gut 5000 Mitgliedern, die in Mecklenburg-Vorpommern um ihre letzten Landtagsmandate bangen muss, nun mal auch sehen kann: isoliert, nicht in der Bevölkerung verankert, „ein Zwerg“. Und da das „ebenso scharfe wie zweischneidige Schwert“ Parteienverbot führen, wie Voßkuhle es in seinen einleitenden Worten am Dienstag formuliert hat?

Die Richter lassen deutlich erkennen, dass sie es sich mit einem derart einschneidenden Eingriff in den demokratischen Prozess nicht leicht machen werden. Wo und wie werden aus den programmatischen Worten Taten?, wollen sie von Kailitz wissen. Hat die NPD überhaupt eine Chance, auch nur annähernd in die Nähe einer Realisierung ihrer zugegebenermaßen anstößigen Ziele zu kommen?

Dafür müsste die politische Situation schon sehr ungünstig sein, muss der Wissenschaftler einräumen. Und die Nachfrage des für das Verfahren zuständigen Berichterstatters Peter Müller ist entlarvend genug: Haben wir denn aktuell in der Flüchtlingskrise nicht gerade Rahmenbedingungen, die einer Partei wie der NPD eigentlich in die Hände spielen müssten?

Am dritten Verhandlungstag an diesem Donnerstag wollen die Verfassungsrichter alle weiteren Informationen zusammentragen, die sie für ihre Entscheidung in einigen Monaten brauchen. Allzu sicher scheint sich die NPD aber ihrer Sache nicht mehr zu sein. Inzwischen hat NPD-Anwalt Richter, der noch am ersten Tag in Karlsruhe alle inhaltlichen Stellungnahmen zu den Vorwürfen ablehnte, einen dicken Aktenordner mit einer Einlassung eingereicht.

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