Oberschicht Versagen Deutschlands Großverdiener?

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Problematisches Klischee

Der Mann mag seine Gründe für die exquisite Anreise gehabt haben. Und doch bedient die Geschichte ein Klischee, das für eine ganze Kaste problematisch ist: weil es ihren Ruf diskreditiert. Auch und vor allem gegenüber der eigenen Belegschaft.

Markus Bäcker: „Die Kultur ist der Schlüssel. Wir haben heute eine sogenannte Erfolgskultur. Das bedeutet: alle haben nur noch Erfolg, keiner macht mehr Fehler, keiner übernimmt mehr Verantwortung für irgendwas. Die Manager stehen da unter einem immensen Druck. So ist man nicht glaubwürdig.“

Thomas K.: „Ich glaube, nicht das Versagen der Eliten führt zur Entfremdung. Sondern ihr Erfolg. Die Eliten handeln doch nur im Sinne des Systems: Kapitalismus. Sie holen die maximale Rendite raus, machen aus Geld noch mehr Geld. Auch für sich. Die Entfremdung kommt also daher, dass die Eliten alles richtig machen. Das System ist das Problem.“

Hartwig Erb: „Die Manager denken vor allem in Zahlen. Dabei müssten sich eigentlich fragen: was ist das Sinn und Zweck des Unternehmens? Die Rendite – oder der Mensch?“

Oder für viele Manager eben doch die eigene Karriere?

An einem Herbstnachmittag des vergangenen Jahres lässt sich zu dieser Frage in einem Berliner Nobelhotel jemand sprechen, der sich darüber seit Langem Gedanken macht. Seinen Namen und seine Firma will er nicht in der Zeitung lesen. Aber es ist nicht zu viel verraten, wenn man schreibt, dass er einem global-agierenden Milliardenkonzern vorsteht, der zu hundert Prozent in Familienbesitz ist. Dieser Manager also schiebt nun seinen Kaffee beiseite und holt die Notizen hervor, die er sich während der Zugfahrt gemacht hat. Er will nichts auslassen. Dann gibt er folgende Aufzählung zu Protokoll: „Ja, es gibt dieses Problem, diese Abkopplung der Eliten. Und ich sehe vier Ursachen“, sagt er. Da sei erstens die Haltung.

Menschen, die sich von Haus aus für etwas Besseres hielten, weil schon ihre Eltern etwas Besseres waren: Ärzte, Unternehmer, Adel. Sowas. Dann das System an sich, die Firma, der Konzern in dem jemand arbeite. Das präge. Eine Unternehmensberatung sei etwas anderes, als ein Sockenhersteller. Man messe sich da ja immer an den Kollegen. Drittens natürlich der eigene Lebensraum, also die Orte, an denen jemand lebt, an denen er Sport macht, wo er ins Lokal geht: Kronberg im Taunus oder Dortmund-Nordstadt - das beeinflusse die Menschen. Und schließlich der Stil. Geld an sich mache ja noch nicht elitär. Abgehoben werde man erst durch das Ferienhaus auf Sylt oder die Villa in St. Moritz.

Es sind Schilderungen der Verkehrsplätze einer Hautevolee, die im ständigen Wettbewerb mit sich selbst steht. Und je länger das Gespräch dauert, desto tiefer werden die Einblicke in eine Kultur des gegenseitigen Vermessens: was hat der andere, warum hat er mehr, wie kann ich ihn übertrumpfen? Schnell ist die Bezugsgröße dann nicht mehr der Angestellte am Fließband, sondern der Putting-Partner im Golfclub. Und wahrscheinlich ist das sogar ganz normal.

„Es gibt bei vielen Managern generell zu viel Gier, Selbstsucht und Entkoppelung von der Verantwortung. Die machen den Job wegen des Geldes und der Macht“, sagt der Manager in Berlin zum Schluss. „Ich erlebe das oft, wenn wir Führungskräfte aussuchen. Dann habe ich Kandidaten dabei, die fragen beim ersten Treffen nach einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Die sind dann gleich raus bei mir.“

Vielleicht ist es am Ende tatsächlich eine Frage der Verantwortung. Womöglich ist es gar nicht so ein großes Problem, das Manager 17-Millionen-Euro im Jahr verdienen. Problematisch wird es für viele Menschen erst, wenn sie das Gefühl bekommen, das die hochbezahlten Direktoren ihr Geld nicht wert sind. Dass sie die Boni einstreichen – obwohl sie gleichzeitig Milliardenwerte abschreiben müssen. Dass sie nach zwölf Monaten Arbeit drei Jahressaläre ausgezahlt bekommen – obschon ihre Arbeit nachweislich ineffektiv war. Dass sie nicht gehen müssen, auch wenn sie schwindeln – wenngleich die Kassiererin für die Mitnahme von Pfandbons entlassen wird. Am Ende geht es um Gerechtigkeit. Und darum, Gauner nicht davonkommen zu lassen.

Bleibt also die Frage: Wie bekommen wir die Haftung zurück zu den Managern, die doch so viel Zeit darauf verwendet haben, möglichst unantastbar zu sein?

Eigentlich müsste es ja im Interesse der Chefetagen liegen, eine funktionierende, auf Ausgleich bedachte Belegschaft und Gesellschaft zu haben. Gerade in Zeiten des Umbruchs – und unsere Zeiten sind zweifellos solche. Nur: wie bringt man das in Einklang mit den Interessen der AG, die schon per zuerst ihren Anteilseignern verpflichtet ist? Womöglich doch über einen Steueranreiz, wie ihn von Dewitz vorschlägt?

Klar scheint zu sein, dass sich etwas tun muss. Und wenn die Unternehmen nicht von sich aus das Problem angehen, dann wird sich die Politik dem annehmen. Zu hoch ist der öffentliche Druck. Gerade erst hat etwa das EU-Parlament beschlossen, den Aktionären künftig mehr Mitsprache bei der Managervergütung zu geben. So sollen Gehaltsexzesse künftig verhindert werden.

Und auch die Arbeitnehmer haben einen Job. Schließlich sitzen die Gewerkschaften in den Aufsichtsräten aller großen Konzerne - und entscheiden nicht nur maßgeblich über die Vergütung, sondern kontrollieren auch Ziele und Vorgehensweise der Vorstände. Soziale Marktwirtschaft lebt eben auch von checks and balances. Dieser Aufgabe sind die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren nicht immer gerecht geworden. „Wir müssen in den Aufsichtsräten, in denen wir sitzen, deutlicher werden. Ganz eindeutig ja. Da muss sich was ändern“, sagt etwa der Wolfsburger IG-Metall-Chef Hartwig Erb. Allerdings ist er sich da mit seinem Chef noch nicht ganz einig.

Gerade erst wurde IG-Metall-Chef Jörg Hofmann vom Spiegel gefragt, ob er eine Mitverantwortung für die entrückten Eliten bei VW habe, konkret im Fall der geschassten Vorständin Christine Homann-Dennhardt. Hofmanns lapidare Antwort: Der Aufsichtsrat müsse eben bestehende Verträge zu Gehältern erfüllen. Machen könne man da leider nichts.

Scheint, als müsste noch einiges passieren um das Problem in den Griff zu bekommen – auf beiden Seiten.

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