OECD-Studie zur Einkommensverteilung Bildung ist kein Aufstiegsgarant mehr

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„Wenn alle besser gebildet sind, ist Bildung weniger wert.“

Seit der Globalisierungswelle nimmt die Ungleichheit bis heute ungebrochen zu. „Der Trend geht wieder hin zu größeren Unternehmen, und die Löhne von weniger qualifizierten Arbeitnehmern stehen weiterhin unter Abwärtsdruck“, sagt Baten. In anderen Ländern wäre der Druck allerdings noch größer. Dämpfend wirke hierzulande die gut funktionierende Kartellaufsicht. Zudem führe die Globalisierung nicht per se zu einer ungerechteren Einkommensverteilung, wie das skandinavische Beispiel zeigt.

Der gestiegene Wettbewerbsdruck durch die Öffnung der Arbeits- und Kapitalmärkte sei nur ein Faktor, der zu einer höheren Ungleichheit führe. Baten: „Sehr viel entscheidender für Deutschland ist, dass der Leistungsgedanke im Bildungssystem in den Siebzigern und Achtzigern phasenweise abhanden kam.“ Besonders schädlich sei das für die Schüler aus weniger bildungsnahen Elternhäusern gewesen.

In diesen Jobs sind zehn Millionen Dollar Gehalt wenig
Die 100 am besten bezahlten Firmenchefs börsennotierter US-Unternehmen hat der Dienstleister Equilar zusammengestellt. Berücksichtigt wurden Firmen mit einem Mindestumsatz von fünf Milliarden Dollar, die bis Ende März die Gehälter offen gelegt hatten. Quelle: dpa
In die Top 10 schaffte es nur ein Banker – im Vorjahr war das allerdings keinem Vertreter der Finanzbranche gelungen. 2011 hatte Apple-Chef Tim Cook den Spitzenrang mit großem Abstand eingenommen. Er verdiente damals 378 Millionen US-Dollar, vor allem in Form von Aktien. In diesem Jahr schaffte er es nicht einmal in die Top 100. Quelle: dpa
Um es unter die Top 100 der am besten bezahlten US-Vorstandschefs börsennotierter Firmen zu schaffen, mussten im Jahr 2012 mindestens zehn Millionen Dollar auf dem Gehaltscheck stehen. Das gelang etwa dem deutschen Manager und Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Er verdiente 11,7 Millionen Dollar und schaffte es auf Rang 79 der Liste. In Deutschland wäre er damit in den Top 5 gelandet. Quelle: AP
Die bestbezahlte Frau schafft es lediglich auf Platz 42 der Liste. Die Chefin des Computer-Konzerns Hewlett-Packard, Meg Whitman, verdiente 15,3 Millionen Dollar im abgelaufenen Jahr. Quelle: dpa
Platz 10: Louis C. CamilleriAuf Platz 10 steht Louis C. Camilleri, Vorstandschef des Tabakkonzerns Philip Morris. Er verdiente 24,7 Millionen Dollar und verbuchte damit einen Zuwachs in Höhe von 23 Prozent. Quelle: REUTERS
Platz 9: Kenneth ChenaultDer einzige Banker in den Top 10 arbeitet für die Kreditkartenfirma American Express. Kenneth Chenault strich 2012 insgesamt 28 Millionen Dollar ein und damit ein Viertel mehr als im Vorjahr Quelle: dpa
Platz 8: Stephen I. ChazenBeim Ölkonzern Occidental Petroleum erhielt Stephen I. Chazen 28,5 Millionen Dollar für das Jahr 2012. Wie bei den meisten Spitzenverdienern macht auch bei ihm ein Aktienpaket den größten Teil der Vergütung aus. Quelle: Presse

Heutzutage haben in Deutschland so viele Menschen Zugang zu Bildung wie nie zuvor. Die Zahl der Abiturienten erreicht jedes Jahr neue Höchststände – die der Studenten ebenso. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im vergangenen Jahr 370.000 Abiturienten. 2,6 Millionen studierten im vergangenen Wintersemester. Zu einer Trendwende in puncto Einkommensungleichheit hat die sogenannte Bildungsexpansion aber nicht geführt.

Mehr noch: Die Situation der Unterschicht hat sich seit 2003 verschlechtert. Das geht auch aus dem vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (.pdf) hervor. Aber nicht nur die Unterschicht ist betroffen – auch weite Teile der Mittelschicht. Laut Armutsbericht verfügen die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung nur über ein Prozent des gesamten Nettovermögens – die vermögensstärksten zehn Prozent vereinen die Hälfte auf sich.

Niedriglohnsektor trotz Hochschulabschluss

Der Blick auf die Einkommensverteilung ist nicht weniger erschreckend. Im Berechnungszeitraum gingen die Einkommen der unteren 60 Prozent der Gesellschaft zurück – die der oberen 30 Prozent stiegen. Die obersten zehn Prozent allein vereinen ein Fünftel des gesamten Einkommens auf sich. Die Schere öffnet sich weiter – trotz der Bildungsexpansion. Oder gerade deswegen?

„Wenn alle besser gebildet sind, ist Bildung weniger wert“, sagt Christoph Butterwegge, Armutsforscher an der Universität Köln. Das zeige die Inflationierung der Bildungszertifikate – der hohe Andrang an den Gymnasien und Universitäten habe nicht zur Folge, dass es mehr Arbeitsplätze gibt. Berufe, für die früher ein Hauptschullabschluss ausreichte, erfordern heute ein Fachabitur. „Das ist ein großes Problem für die Hauptschüler.“

Wo die meisten Millionäre leben

Nicht nur denen fällt es schwer, Jobs zu finden. Jeder Zehnte, der im Niedriglohnsektor arbeitet, hat einen Hochschulabschluss – das geht aus Berechnungen des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen hervor (.pdf).

Butterwegge selbst ist ein sozialer Aufsteiger und der Beweis dafür, dass Bildung manchmal durchaus zum Aufstieg führen kann. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter war er auf dem Gymnasium ein Ausnahmefall. Nach dem Abitur studierte er, war danach lange arbeitslos, promovierte, habilitierte sich und wurde schließlich Universitätsprofessor – und damit ein Teil der einkommensstärksten zehn Prozent der Deutschen.

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