Es ist schon eine Tradition, und doch ist diesmal vieles anders. Schon zum vierten Mal seit der Premiere im Oktober 2011 traf Angela Merkel gestern Nachmittag im Kanzleramt mit den Chefs der fünf wichtigsten Wirtschaftsorganisationen der Welt zusammen. Die Wachstumszahlen, die die Direktoren und Präsidenten von OECD, Internationalem Währungsfonds, Weltbank und den internationalen Organisationen für Handel und Arbeit, in Berlin diskutierten, sind deutlich besser als im Jahr 2012 – doch mit der Weltlage hat sich auch deren Bewertung geändert.
Denn obwohl für 2015 ein Wachstum von 3,5 Prozent vorhergesagt wird – und für 2016 sogar 3,7 Prozent –, sind die Risiken viel größer als in der Vergangenheit. Der Ukraine-Krieg und die Griechenlandkrise, die europäische Reformlücke und die Ebola-Epidemie in Afrika gefährden die Entwicklung in zentralen Regionen der Welt.
Deshalb fordern Merkel und die fünf Wirtschaftschefs, darunter IWF-Direktorin Christine Lagarde und OECD-Generalsekretär Angel Gurria,in einer gemeinsamen Erklärung politische Entscheidungen für „ehrgeizige Reformen“ und Wachstumsimpulse. Der OECD-Bericht „Going for Growth“ habe festgestellt, dass Reformländer ein bis zu fünf Prozent höheres potenzielles Bruttoinlandsprodukt pro Kopf aufwiesen. Für Deutschland versprach Merkel, als Gastgeberin des G7-Weltwirtschaftsgipfels im Sommer in Ellmau neben den klassischen Gipfelthemen auch neue Initiativen im den Bereichen Umwelt-, Energie- und Gesundheitspolitik sowie die Teilhabe von Frauen voran zu bringen.
Die zehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Unter den Top 10 der wettbewerbsfähigsten Ländern befinden sich gleich drei skandinavische Staaten. Den Anfang macht Norwegen auf Rang 10. Damit verliert das Land im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze. Nahezu unschlagbar ist Norwegen in den Punkten gesellschaftliche Rahmenbedingung, Produktivität und Effizienz, sowie politischer Stabilität. Doch die Steuerlast und die Einkommen sind sehr hoch. Das macht es für Unternehmen in dem Land schwer, konkurrenzfähige Preise zu bieten.
Neu vertreten unter den zehn wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt ist Dänemark. Die Skandinavier klettern um drei Plätze nach oben. Das Land weist die geringste soziale Ungleichheit auf (Rang eins beim Gini-Index), kennt das Wort Korruption praktisch nicht (Rang eins) und hat einen äußerst flexiblen Arbeitsmarkt (Rang zwei). Auf der Negativseite steht die hohe Besteuerung von Konsumgütern (Rang 49) und dem Einkommen (Rang 59) .
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate verteidigen ihren Platz in den Top 10. Von Platz 16 im Jahr 2012 ging es 2013 und 2014 hoch auf Rang acht. Die Emirate gelten als der Knotenpunkt für Tourismus, Handel und Luftfahrt. Im Ranking punkten die Arabischen Emirate besonders mit den Unternehmenssteuern (Platz eins im weltweiten Vergleich), den Umsatzsteuern (Platz eins), der Einkommenssteuer (Platz eins), den Sozialversicherungsbeiträgen, der Bürokratie und dem Altersdurchschnitt der Gesellschaft. Auch beim Image, der Erfahrung und der Bereitschaft, ausländische Fachkräfte anzuheuern, kann das Land punkten. Mau sieht es dagegen mit der Beschäftigungsrate von Frauen aus.
Kanada festigt den siebten Platz. Das Land gilt wegen seiner Facharbeiter, der politischen Stabilität, dem hohen Bildungslevel, der guten Infrastruktur und dem unternehmerfreundlichen Umfeld als besonders attraktiv für Unternehmen.
Gleich drei Ränge nach oben geht es für Deutschland. Der positive Trend setzt sich damit fort. Berlin belegte im Jahr 2007 noch Rang 16. Besonders gut steht Deutschland unter anderem bei der Jugendarbeitslosigkeit (weltweit Rang fünf), Export (weltweit Rang drei) und der Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeit (Rang zwei) da. Auch bei Ausbildung und Lehre (Platz eins), Fortbildungen (Platz zwei), Produktivität der Arbeitskräfte und kleinen und mittelständischen Unternehmen (jeweils Platz eins) macht Deutschland keiner etwas vor. Bei Sozialversicherungsbeiträgen (Rang 54), Arbeitsstunden (Rang 53) oder dem Ausbau von Highspeed-Breitband (Rang 53) kann Deutschland noch etwas lernen.
Schweden kommt in dem internationalen Vergleichsranking als zweitbeste europäische Nation auf einen guten fünften Platz. 2013 hatte es zwar noch für Rang vier gereicht, dennoch ist das nordische Land optimal für den globalen Wettbewerb aufgestellt - ganz anders als etwa 2007, als das Land nur Platz 19 belegte. Besonders in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Management und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist das skandinavische Land unschlagbar. Auch die Produktivität der Firmen und das Finanz-Know-How sind weltspitze.
Um einen Platz nach unten geht es für die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. 2012 hatte es die chinesische Metropole noch auf Platz eins geschafft. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong besonders wegen der attraktiven und wettbewerbsfähigen Besteuerung der Unternehmen, dem wirksamen Rechtssystem, der unternehmerfreundlichen Umgebung, der verlässlichen Infrastruktur und der dynamischen Wirtschaftsentwicklung. Ganz gut steht Hongkong auch bei der Höhe der Steuersätze für die Bürger, dem Bank- und Finanzsektor sowie den Direktinvestitionen da.
Vom fünften auf den dritte Platz geht in diesem Jahr für Singapur. Das asiatische Land wird von Unternehmen wegen seiner kompetenten Regierung, der verlässlichen Infrastruktur, dem wirksamen Rechtssystem und dem stabilen politischen System sowie seiner Unternehmerfreundlichkeit geschätzt.
Der zweite Platz geht - wie im Vorjahr - an die Schweiz. Der kleine Alpenstaat mit seinen nur rund acht Millionen Einwohnern punktet besonders mit sehr gut ausgebildeten Fachkräften und hohen wissenschaftlichen Standards. Unternehmen aus aller Welt schätzen die politische Stabilität in der Schweiz genauso wie die gut ausgebildeten Arbeitskräfte vor Ort, die hohe Bildung, die herrschenden Steuersätze und die verlässliche Infrastruktur.
Die wirtschaftlich stärkste und wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Zu diesem Ergebnis kommt das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie. Demnach punktet die US-Amerikaner mit einer dynamische Wirtschaft, qualifizierten Arbeitskräften, den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, sowie den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung.
Gemeinsam lobte das Sextett die Bemühungen etlicher Euroländer, die Produktivität ihrer Volkswirtschaften und die Beschäftigung zu steigern sowie die verschuldeten Haushalte in den Griff zu bekommen. Auch sei es „wichtig, Investitionen anzukurbeln“. Vor allem fehle es an Arbeitsplätzen für junge Menschen; die Versprechen der internationalen Arbeitskonferenzen – mehr Ausbildung, mehr Jobs – müssten dringend eingehalten werden. Genauso wichtig sei der Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung „grünen Wachstums“. Die geplanten bilateralen Handelsabkommen – wie der transatlantische Vertrag TTIP – sollten möglichst eng mit den multilateralen Vereinbarungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO verzahnt werden.
Der Schatten auf dem schönen Traditionstreffen in Berlin: Es kann eben nur flammende Appelle und freundliche Ermahnungen bringen, mehr nicht. Denn die wesentlichen Akteure sind hier ja nicht dabei. Weder die Amerikaner noch die EU-Kommission als Verhandlungsführerin des alten Kontinents, ohne die es mit dem Handelsabkommen nichts wird. Der Ukraine-Konflikt ist nicht ohne Russland zu lösen, und auch die wesentlichen Sünder der Eurozone sind nicht vertreten. So bleibt vor allem der schöne Eindruck für und von Angela Merkel: Die Welt zu Gast bei einer Freundin.