Nicht nur die Kommunen im Ruhrgebiet kennen das Problem: Obwohl sich die öffentliche Kassenlage verschlechtert, werden die Kosten für Bau und Instandhaltung von Infrastruktur nicht kleiner. Umso verlockender klingt da eine Idee, die in der Welt von Staatsschulden und Finanzmarktmilliarden als „hebeln“ bezeichnet würde. Statt nur das eigene Geld einzusetzen, nutzt man es, um private Investoren davon zu überzeugen, selbst Mittel beizusteuern. So steigt die Investitionssumme, ohne dass sich die Risiken ändern. Zumindest theoretisch. In der Welt der öffentlichen Baufinanzierung heißt das Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP), und überall in Deutschland, wo das Geld knapp und die Ambitionen groß sind, hat das Instrument in den vergangenen Jahren für mächtig Wirbel gesorgt.
Mehr Projekte für weniger Geld
In Rostock etwa hieß die Ambition Warnow-Querung, ein Tunnel unter dem Fluss sollte die Innenstadt von Verkehr befreien und zugleich schneller an die Autobahn anbinden. Da der Stadt das Geld fehlte, holte sie den australischen Investor Macquarie und eine Gruppe internationaler Banken ins Boot. 1999 einigte man sich: Der Investor würde den Tunnel finanzieren und 30 Jahre lang betreiben, im Gegenzug dürfe er eine Maut für die Durchfahrt kassieren.
Mehr als 150 solcher Projekte hat es in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren gegeben, das Bundesfinanzministerium setzt sich dafür ein, „ÖPP weiter zu etablieren“. Die öffentliche Hand beauftragt dabei Private nicht länger nur, öffentliches Geld zu verbauen, sondern beteiligt den Partner auch an späteren Einnahmen. Im Gegenzug übernimmt der private Partner Teile der Baukosten. So sinkt die Investitionssumme, die der Staat aufbringen muss, und es lassen sich mit viel weniger Geld viel mehr Projekte stemmen.
Viele Fallstricke
Doch das Modell hat eine Reihe von Fallstricken, warnt Holger Mühlenkamp, Professor für öffentliche Betriebswirtschaftslehre an der Verwaltungshochschule Speyer. Er ist davon überzeugt: „In den Verträgen werden die Interessen der Privaten deutlich höher gewichtet als die der öffentlichen Hand.“ Denn ÖPP-Verträge bleiben streng geheim. Bis heute müssen beispielsweise die Parlamentarier des Deutschen Bundestages eine Sondererlaubnis einholen und sich zur Geheimhaltung verpflichten, wenn sie den Vertrag über das Mautsystem Toll Collect einsehen wollen. Zugleich bindet sich die öffentliche Hand mit den Verträgen oft über Jahrzehnte oder übernimmt Bürgschaften, die fällig werden, wenn die Verantwortlichen längst nicht mehr im Amt sind. Mühlenkamp weist zudem auf ein Informationsgefälle hin: Je größere Teile eines Infrastrukturprojekts beim privaten Partner liegen, desto mehr muss der Staat sich auf dessen Angaben verlassen. Der Wissenschaftler ist sich sicher: „Bei ÖPP-Projekten sind die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in aller Regel fehlerhaft.“ Um die Finanzierung attraktiv zu gestalten, würden die Bau- und Betriebskosten schon mal bewusst unterschätzt.
Fundamentale Nachteile
Doch die Verträge benachteiligen den öffentlichen Partner häufig nicht nur strukturell, auch ihre betriebswirtschaftliche Effizienz ist manchmal zweifelhaft. So führen ÖPP-Anhänger gern an, dass die Bauzeit deutlich kürzer sei als bei konventionellen Verfahren.
Das stimmt, zugleich dauert jedoch die Planung und Vertragsgestaltung bei ÖPP-Projekten deutlich länger, was die Zeitgewinne mindestens egalisiert. Dem Effizienzvorteil, der sich dadurch ergibt, dass Planung und Betrieb in einer Hand liegen, stehen fundamentale Nachteile vor allem in der Finanzierung gegenüber. Die Kreditkonditionen Privater sind schlechter als die der öffentlichen Hand, was zusätzliche Kosten verursacht. Zudem sind die Risikokosten bei den Privaten höher: Eine Krise im Transportsektor kann Infrastrukturbetreiber in die Pleite führen. Bis es zum Staatsruin kommt, muss schon deutlich
mehr schiefgehen.
Zu wenig Gewinn
In Rostock kann man sehen, was passiert, wenn all das zusammenkommt. Da deutlich weniger Autos und Laster als geplant durch die Röhre fuhren, wurde den Investoren nach wenigen Jahren das Geld knapp. Um die Insolvenz zu vermeiden, sah sich die Stadt genötigt, den Betreiber mit einem neuen Vertrag auszustatten, der eine längere Betriebszeit und höhere Entgelte vorsieht. Weitere Nachverhandlungen sind nicht ausgeschlossen.
Betriebswirt Mühlenkamp legt zwar Wert darauf, dass sich von diesem Beispiel nicht auf einen allgemeinen Konstruktionsfehler von ÖPP schließen lasse. Er sagt aber auch: „Solange keiner die Verträge kennt, werden wir nicht wissen, ob sich ein einziges der Projekte tatsächlich gelohnt hat.“ So bleibt von ÖPP: eine breite Lobby, die für neue Projekte wirbt, einige ernst zu nehmende Bedenken – und wirtschaftliche Vorteile, die nicht klar
zu beziffern sind.